recap Wie Streiks die Wirtschaft stärken können

14. April 2023, 19:08 Uhr

Gefühlt jagt ein Warnstreik den anderen. Und mit jedem Streikaufruf werden auch Stimmen laut, die warnen: Streiks schaden der Wirtschaft. Was ist dran?

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Bildrechte: MDR/Denis Ludwig/Franz-Paul Senftleben

recap-Folge zum Streiken: Mehr Schaden als Nutzen?

Die Kosten eines Streiks

Wird gestreikt, verursacht das wirtschaftliche Schäden. Schließlich kann der bestreikte Betrieb nichts produzieren oder seine Dienstleistungen verkaufen. Auch nicht direkt betroffene Unternehmen können dadurch Einbußen erleiden, weil sie beispielsweise in einer Lieferkette zusammenhängen. Je nach Branche können die Auswirkungen noch weitreichender sein: Streiken zum Beispiel Verkehrsbetriebe, erreichen Unbeteiligte unter Umständen ihren Arbeitsplatz nicht.

Doch welche Kosten ein Streiktag am Ende insgesamt verursacht, lässt sich nicht eindeutig beziffern, schreibt ein Sprecher des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) auf Anfrage von recap. Die wirtschaftlichen Schäden, die durch den bundesweiten Warnstreik am 27. März entstanden sind, schätzt das IWH etwa auf einen "zweistelligen Millionenbetrag". Im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 3,9 Billionen Euro sei das aber "vernachlässigbar".

Streiks können die Wirtschaft stärken

Stattdessen erklären mehrere Experten, dass Streiks langfristig zu einer Stärkung der Wirtschaft führen können. Denn durch sie stiegen die Chancen, dass Gewerkschaften höhere Löhne für die Arbeitnehmer erkämpfen. Das wiederum stärke die Kaufkraft und damit langfristig auch die Wirtschaft, sagt Streikforscher Alexander Gallas. Er ist Politik- und Sozialwissenschaftler an der Universität Kassel und forscht zu Streiks.

Wenn die Leute mehr verdienen, hat das positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Insofern leisten Streiks auch einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung.

Alexander Gallas Politik- und Sozialwissenschaftler an der Universität Kassel

Das bestätigt auch Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Doch Unternehmen müssen sich Lohnerhöhungen auch leisten können. Hier sagt Fratzscher im Interview mit recap: "Die meisten Arbeitgeber in Deutschland können ordentliche Lohnsteigerungen zahlen. Sie wollen es natürlich nicht."

Das könne man bei großen Unternehmen sehen, die ihren Managern "große Boni zahlen, und Gehaltserhöhungen gewährleisten, aber gleichzeitig bei ihren Beschäftigten lieber keine Gehaltserhöhung zahlen wollen".

Lohnerhöhungen können auch Probleme verursachen

Für kleine Unternehmen könnten höhere Löhne aber tatsächlich ein Problem sein, sagt Fratzscher: "Die kleine Bäckerei um die Ecke kann ihren Beschäftigten nicht auf einmal 15 Prozent mehr zahlen." Ihr fehle die Marktmacht, um höhere Kosten an die Kunden weiterzugeben: "Wenn die Bäckerei sagt, das Brötchen kostet jetzt 40 Cent mehr, dann sagen die Kunden: Das machen wir nicht mit."

Wer in Deutschland streiken darf und wer nicht und ob durch höhere Tarifabschlüsse gerade eine Lohn-Preis-Spirale droht: Das und mehr besprechen wir in der aktuellen recap-Folge.

Dieses Thema im Programm: recap bei youtube | 14. April 2023 | 17:00 Uhr

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