Eine Frau steht hinter eine Kuchentheke. 4 min
Audio | MDR AKTUELL: Vier-Tage-Woche beim Bäcker eher schwierig zu machen. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Handwerk Vier-Tage-Woche: Was geht und was nicht

21. Oktober 2024, 12:19 Uhr

Einen Tag weniger arbeiten bei gleichem Lohn steigert Zufriedenheit und Produktivität. So die Bilanz eines Pilotprojekts in Deutschland. 73 Prozent der Unternehmen, die mitgemacht haben, wollen die Vier-Tage-Woche behalten. Aber es gibt Branchen, da kann man sich nur schwer vorstellen, dass alle an einem Tag in der Woche frei machen. Wie blickt man dort auf das Modell?

Manuela Lohse, Geschäftsführerin beim Innungsverband des Bäckerhandwerks Sachsen, schmunzelt über die Vorstellung eines Schließtages für Bäckereien. Lohse sagt, man müsse sich nur vorstellen, freitags sei frei und man könne keinen Kuchen fürs Wochenende kaufen, auch keine Brötchen und kein Brot.

Stellen sie sich vor, freitags ist frei. Freitags würden sie keinen Kuchen fürs Wochenende kaufen können, keine Brötchen, kein Brot.

Manuela Lohse Innungsverband Bäckerhandwerk

Weniger zugespitzt geht es natürlich um den Wunsch nach mehr Work-Life-Balance und den kennt Lohse. Die Vier-Tage-Woche sei ja eine gute Geschichte – aber die Realität sehe eben oft anders aus. Es fehlten Leute, weil viele krankgeschrieben seien, es gebe einen hohen Krankenstand. Die anderen, die immer fleißig seien, müssten das kompensieren. Lohse betont, da rede man nicht über eine Vier-Tage-Woche, die Kollegen seien viel länger da.

Handwerkskammer sieht keine universelle Lösung

Monteure bringen Photovoltaikmodule an einem Gebäude an
Verdichtung der Arbeit bringt Probleme Bildrechte: picture-alliance/ dpa/Hendrik Schmidt

Ähnlich fällt die Einschätzung der Handwerkskammer Magdeburg aus. Von dort heißt es, die Vier-Tage-Woche sei keine universelle Lösung für das Handwerk. Eine Verdichtung der Arbeitszeit auf vier Tage würde für die Beschäftigten, insbesondere für diejenigen mit schwerer körperlicher Tätigkeit und diejenigen mit familiären Verpflichtungen, zur Belastung werden.

Außerdem hätten die Beschäftigten im Handwerk ohnehin schon zu kämpfen, alle Kundenaufträge zu erfüllen und/oder ihre finanziellen Spielräume reichen nicht aus, um bei gleichem Gehalt weniger Stunden zu arbeiten und auf Produktivitätssteigerungen zu hoffen.

Eine Verdichtung der Arbeitszeit auf vier Tage würde für die Beschäftigten, insbesondere für diejenigen mit schwerer körperlicher Tätigkeit und diejenigen mit familiären Verpflichtungen, zur Belastung werden.

Handwerkskammer Magdeburg

Pflegekräfte am Limit

Auch die Pflege ist ein Bereich, in dem es generell schwierig ist, die Arbeitszeit zu reduzieren, sagt Isabell Halletz, Geschäftsführerin beim Arbeitgeberverband Pflege. In den nächsten Jahren würden außerdem viele Pflegekräfte in Rente gehen, und viele arbeiteten schon jetzt in Teilzeit. Deswegen müsse geschaut werden, wie die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich überhaupt möglich sein könne. Jegliche Preissteigerungen müssten von pflegebedürftigen Personen auch bezahlt werden. Halletz ergänzt, die Pflege sei mittlerweile schon relativ teuer.

Jegliche Preissteigerungen müssen von pflegebedürftigen Personen bezahlt werden.

Isabell Halletz Arbeitgeberverband Pflege

Skepsis in der Bauindustrie

Kalender mit den Einträgen Arbeit und frei!
Ein Tag bleibt zusätzlich frei Bildrechte: picture alliance / CHROMORANGE | Christian Ohde

In der Bauindustrie herrscht ebenfalls Skepsis. Tim-Oliver Müller, Geschäftsführer beim Verband der Deutschen Bauindustrie, sagt, man müsse in Deutschland nicht nur viele Wohnungen bauen und die Infrastruktur ertüchtigen, sondern die Produktivität insgesamt müsse im Land auch für die Konjunktur hochhalte werden.

Müller sagt weiter: "Wir haben ein Bruttoinlandsprodukt, das zurückgeht. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir mit weniger Arbeitsstunden bei gleichem Lohnausgleich diese Produktivität und am Ende auch den Wohlstand, den wir uns als Gesellschaft leisten möchten, hochhalten können.

Veränderte Arbeitszeitgesetze für mehr Spielraum

Flexiblere Arbeitszeiten seien grundsätzlich aber möglich, durch die Tarifverträge mit den Gewerkschaften, sagt Müller. Zum Beispiel mehr Stunden bei gutem Wetter und weniger bei Regen oder Schnee. Die Bäckerinnung und die Handwerkskammer plädieren dafür, dass die Arbeitszeitgesetze geändert werden, sodass es mehr Spielraum für Arbeitseinsätze gibt. In allen Branchen gibt es einzelne Betriebe, die die Vier-Tage-Woche umsetzen, so die Berichte – aber allgemein sei sie nur ein Modell von vielen, die diskutiert würden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 21. Oktober 2024 | 06:11 Uhr

Mehr aus Wirtschaft

Nachrichten

Porträt Olaf Feuerborn 1 min
Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Nachrichten

Ein Mann lächelt in die Kamera. 1 min
Bildrechte: Andreas Franke

Mehr aus Deutschland

Ein Regionalzug steht im Bahnhof 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK