Ein Bauer steht an einem Feld mit einem Schild, auf dem steht, dass hier Dinkel angebaut wird.
Carsten Niemann steht vor einem Feld mit Biodinkel. Seit 30 Jahren ist er Biolandwirt in der Altmark. Bildrechte: MDR/Annette Schneider-Solis

Ökologische Landwirtschaft Mehr Bio-Bauern, aber sinkende Nachfrage

20. Juli 2023, 19:11 Uhr

Lebensmittel gehören zu den Preistreibern der Inflation. Kundinnen und Kunden gucken stärker aufs Geld. Das bereitet den Bio-Bauern Sorge: Bio gilt als teuer und wird weniger gekauft. Dabei will die Politik den Anteil an ökologischen Produkten weiter deutlich steigern, – Bio-Bauern bleiben auf ihren Erzeugnissen sitzen.

MDR San Mitarbeiterin Annette Schneider-Solis
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Überall im Land rollen die Mähdrescher. Die Gerste ist schon in der Scheune; derzeit wird der Dinkel geerntet. Carsten Niemann hat die ersten Dinkelschläge rund um Ritzleben in der Altmark abgeerntet. Seinen 2022er Dinkel hat er vollständig verkauft. Das ist nicht allen Bio-Bauern gelungen, denn zu viele haben auf das Modegetreide gesetzt.

Mehr Umsteiger auf Bio, weniger Nachfrage

Carsten Niemann ist vor 30 Jahren Bio-Bauer geworden. Damals lag der Anteil der ökologischen Landwirtschaft bei 0,2 Prozent. Heute sind es elf Prozent, und die Bundesregierung will den Anteil bis auf 30 Prozent anheben. Der Umstieg von konventioneller auf biologische Landwirtschaft wird gefördert. In Sachsen-Anhalt war das vor allem in den Jahren des bündnisgrün geführten Landwirtschaftsministeriums so.

"Die Förderung war in Sachsen-Anhalt nie besonders hoch", vergleicht Carsten Niemann das mit anderen Bundesländern. In den ersten Jahren produzierten die Landwirte zwar nach den strengen Auflagen des ökologischen Landbaus, erzielten für ihre Erzeugnisse aber Preise der konventionellen Landwirtschaft. Dafür gab’s einen Ausgleich. Tatsächlich zeigt die Statistik, dass etliche Bio-Betriebe auch in Sachsen-Anhalt hinzugekommen sind und auch die Anbaufläche größer geworden ist. Es sind also mehr Erzeugnisse auf dem Markt.

Bio-Lebensmittel weniger verteuert als konventionelle

Doch die Kunden greifen angesichts der Inflation nun doch eher wieder zu konventionellen Produkten, denn die Lebensmittelpreise sind insgesamt um über 13 Prozent gestiegen. "Dabei sind Bio-Produkte deutlich weniger stark gestiegen", erklärt Carsten Niemann, der im Landesbauernverband den Fachbereich Bio-Landwirtschaft leitet. "Aber die Verbraucher setzen Bio gleich mit teuer. Das ist in den Köpfen so drin", so Niemann. Die Verbraucher verglichen die Preise gar nicht mehr. "Bio hat sofort verloren. Das belastet uns sehr."

Die Verbraucher setzen Bio gleich mit teuer. Das belastet uns sehr.

Carsten Niemann, Bio-Landwirt

Tatsächlich bleiben Bio-Bauern auf ihren Erzeugnissen sitzen. "Die Bio-Landwirte werden zum Bauernopfer", formuliert es Carsten Niemann. Er kritisiert die Politik, die die Umstellung zwar fördere, aber die Regulation dem Markt überlasse, sprich dem Verbraucher. "Der Markt wächst aber nicht wie das politische Bewusstsein", stellt Carsten Niemann fest und ergänzt: "Die Verbraucher haben gerade andere Sorgen. Die Politik muss begreifen, dass sie, wenn sie Ziele formuliert, die Lösung nicht beim Verbraucher suchen kann. Es muss mit entsprechenden Maßnahmen begleitet werden."

Ein Haufen Getreide in einer Scheune.
Frisch geernteter Dinkel in der Scheune von Bio-Bauer Carsten Niemann. Seine 22er Ernte ist verkauft, viele andere Bio-Bauern blieben darauf sitzen, – die Nachfrage nach Bio-Produkten ist gerade nicht so gut. Bildrechte: MDR/Annette Schneider-Solis

Politik kann nicht nur Ziele festlegen und den Rest dem Markt überlassen

Dazu gehöre auch Aufklärung. Zum Beispiel darüber, dass Bio gar nicht so teuer ist wie sein Ruf. Viele Preise hätten sich gar nicht erhöht, und insgesamt sind Bio-Preise deutlich moderater angestiegen als die für konventionelle Produkte. "Wichtig ist, über Ziele und Wirkung aufzuklären", erklärt Carsten Niemann. Dass die herkömmliche Art der Lebensmittelerzeugung viele Arten an den Rand der Ausrottung gebracht hat etwa, dass ökologische Landwirtschaft dagegen im Einklang mit der Umwelt produziert. Und was die zehn Cent mehr für den Liter Milch bewirken. "Klar, wenn ich in der Woche acht Liter Milch verbrauche, sind das 80 Cent. Man muss eben vermitteln, wofür diese 80 Cent gut sind, was sie bewirken", plädiert Carsten Niemann.

30 Prozent Bio sind nicht genug

Die Erhöhung des Bio-Anteils ist nach Ansicht von Carsten Niemann absolut richtig, aber bei Weitem nicht ausreichend. "Wer die Umweltkrise ernst nimmt, muss auf 100 Prozent ökologischen Anbau setzen", findet der Landwirt. Er selbst ist schon früh beeinflusst worden, schon als vor gut 50 Jahren der Club of Rome zum ersten Mal auf die Umweltprobleme aufmerksam gemacht hat. Das hat ihn geprägt, deshalb hat er konsequent auf Bio gesetzt.

Neben einem Getreidefeld blühen Wildkräuter.
Wildpflanzen am Feldrand eines Bio-Ackers, – im Ökolandbau gibt es mehr Artenvielfalt. Bildrechte: MDR/Annette Schneider-Solis

Wer die Umweltkrise ernstnimmt, muss auf 100 Prozent ökologischen Anbau setzen

Carsten Niemann, Fachbereichsleiter Bio-Landbau im Bauernverband Sachsen-Anhalt

In all den Jahren hat der Bio-Bauer immer wieder Preisschwankungen erlebt. "Jetzt haben wir wieder eine Delle", weiß er, ist sich aber sicher, dass Absatz und Preise wieder ansteigen werden. "Ich weiß, dass das für jene, die die Scheune voll haben, nur ein schwacher Trost ist", räumt er ein. "Aber wenn wir das Umweltproblem in den Griff bekommen wollen, dürfen wir in der Landwirtschaft nicht weitermachen wie bisher."

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MDR (Annette Schneider-Solis)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 20. Juli 2023 | 19:00 Uhr

75 Kommentare

Seniorin erinnert sich vor 41 Wochen

EDEKA handelt it dreckigen Kartoffeln dafür aus der Region. So kannten wir Obst und Gemüse 40 Jahre und staunten nach Anschluß über das super saubere im vereigten Deutschland. Heute ist es oft schimmlig, matschig oder eben dreckig aber sehr viel teurer.

Seniorin erinnert sich vor 41 Wochen

@Uborner:

"Dann bleibt Geld fürs Kreuzfahrschiff, fürs Fußballstadion..."

Ziemlich überheblich! Miete 3 x gestiegen, Inflation steigt bei Lebensmitteln wöchentlich weiter und die Nebenkosten auch. Es reicht nicht mal für Familienurlaub an der Ostsee wie wir ihn bis 1990 leisten konnten.

Seniorin erinnert sich vor 41 Wochen

Peter wer soll WIR sein? Ich weiß nicht wo Gemüse vom Discounter her kommt, stopp - die Kartoffeln waren Pfälzer, also weit weg, in der Börde wurde bester Acker an Intel zum versiegeln verscherbelt.

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