Dübener Heide: Siedlung der Wochenendgrundstücke
Diese Siedlung befindet sich im Naturschutzgebiet. Ihre Bebauung sorgt jetzt für Streit. Bildrechte: MDR/André Damm

Konflikt mit Bauordnungsamt Dübener Heide: Streit um Baugrundstücke im Naturschutzgebiet

01. September 2023, 15:21 Uhr

In der Dübener Heide gibt es hunderte Wochenendhäuschen, die sich in einem Naturschutzgebiet befinden. Sie wurden in den 1960er und 1970er Jahren errichtet. Unter heutigen Voraussetzungen würden die Bungalows keine Baugenehmigung erhalten. Doch für die DDR-Häuser besteht Bestandsschutz. Das bringt die neuen Eigentümer, aber auch den Landkreis Wittenberg in Schwierigkeiten.

MDR-Reporter André Damm
Bildrechte: André Damm

"Ich hoffe, Sie haben kein flaches Auto", sagt Birgit Krüger am Telefon, als sie die Adresse beschreibt. Denn die Siedlung der Wochenendgrundstücke in der Dübener Heide ist nicht per Navigationsgerät zu finden, hat keinen Ortsnamen und liegt irgendwo zwischen Gniest und Kolonie Gniest. Der Weg durch den Wald entpuppt sich als sandige Huckel-Piste mit teilweise tiefen Löchern. Willkommen am Schinkenteich.

Birgit Krüger führt durch die kleine Siedlung. Sie ist so eine Art Wortführerin der Lauben-Besitzer. "Wir haben hier 22 Grundstücke, sieben Spitzdach-Bungalows, zehn Flachdächer und diverse andere. Das waren mal Ferien-Unterkünfte des VEB Betonwerke Laußig." Nach der Wende habe der volkseigene Betrieb die Bungalows verkauft, den Grund und Boden veräußerte die Treuhand. Auch danach wechselten mehrfach die Besitzer.

Bauordnungsamt – erst nichts bemerkt, jetzt Post verschickt

Die Hallenserin Birgit Krüger hat es vor 31 Jahren an den Schinkenteich verschlagen – sie liebt die Natur, die Abgeschiedenheit, die Ruhe. Es sei ein schöner Ausgleich zur Großstadt.

Doch mit der Ruhe ist es seit November 2022 vorbei, denn seitdem steht sie in Kontakt mit dem Landkreis Wittenberg – und zwar mit dem Bauordnungsamt. "Das Bauamt schrieb uns voriges Jahr an wegen der Anfrage eines Nachbarn, ob er für ein Carport eine Baugenehmigung braucht. Und da sind die hellhörig geworden, haben sich das vor Ort angeguckt und gesagt, dass das so nicht geht."

Im Naturschutzgebiet ohne Genehmigung kein Bau

Denn die Siedlung befindet sich im Naturschutzgebiet, wo ohne Genehmigung gar nichts gebaut werden kann. Doch das hatte der Landkreis Wittenberg jahrzehntelang versäumt zu überwachen. Den Schinkenteich hatte niemand auf dem Radar. "Wir haben jetzt alle Post vom Bauamt bekommen, dass wir eine gültige Baugenehmigung vorlegen sollen – unter Androhung eines Nutzungs-Verbotes. Aber niemand von uns hat diese Baugenehmigung, die aus DDR-Zeiten stammen müsste. Darauf haben wir als Laien damals beim Kauf nicht geachtet."

Niemand von uns hat diese Baugenehmigung, die aus DDR-Zeiten stammen müsste. Darauf haben wir als Laien damals beim Kauf nicht geachtet.

Birgit Krüger Laubenbesitzerin am Schinkenteich

Lauben-Besitzer vermissen Verhältnismäßigkeit

Nun versucht der Landkreis Wittenberg die Versäumnisse zu reparieren und bringt damit die ganze Siedlung gegen sich auf. Denn es geht nicht nur um die fehlenden Baugenehmigungen, sondern auch um Rückbau-Maßnahmen. Denn baulich ist in der Schinkenteich-Siedlung in all den Jahren einiges verändert worden. Ein Wintergarten schmückt einen Bungalow, um die Ecke steht ein großer Pavillon.

Wir waren kooperativ ohne Ende. Aber das ist jetzt der Punkt, wo ich sage, jetzt ist Schluss.

Birgit Krüger Laubenbesitzerin am Schinkenteich

Birgit Krüger selbst ist schon in Vorleistung gegangen, hat für mehr als 5.000 Euro ihren Carport, den Schuppen und die Terrassen-Überdachung verkleinern lassen. Sie verstehe, "dass in einem Naturschutzgebiet nicht jeder bauen darf, wie er will". Aber beim neuesten Streit-Thema – einem schmalen Fußweg an der Rückseite ihres Wochenendgrundstückes – ist die Rentnerin zu keinen Zugeständnissen mehr bereit. "Wir waren kooperativ ohne Ende. Aber das ist jetzt der Punkt, wo ich sage, jetzt ist Schluss." Sie vermisse die Verhältnismäßigkeit.

Landkreis Wittenberg interessiert an Lösung für alle Seiten

Der Landkreis Wittenberg hält sich zu den Vorwürfen bedeckt. Behördensprecher Alexander Baumbach spricht von 22 schwebenden Verfahren, zu denen er sich im Detail nicht äußern könne. Aber man sei, so Baumbach, an einer für alle Seiten zufriedenstellenden Lösung interessiert.

MDR (André Damm, Johanna Daher)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 30. August 2023 | 16:40 Uhr

11 Kommentare

steka vor 35 Wochen

Also ich habe auch von der Stadt eine Grundstück samt Haus abgeauft und habe auch weder Baupläne noch Baugenehmigung erhalten. Die einzigen Unterlagen waren Kaufvertrag einschlie0lich Wertgutachten sowie Grundbucheintrag. Also muß das alles bei den Ämtern liegen.

hilflos vor 35 Wochen

Auf jeden Fall ist die Wohnnutzung sofort zu untersagen. Der Bereich ist nach Bürgermeister von Kemberg nicht erschlossen, somit ist die Versorgung (zB Loschwasser, Rettungswege, Abwasser usw) nicht gegenwärtig.
Dann die Nutzung auf Lebenszeit (nie als Hauptwohnsitz) als Freizeit und Erholungsgrundstuck, ohne Eigentümerwechsel mit anschließenden Rückbau durch Eigentümer (Erben)

ElBuffo vor 35 Wochen

Wenn es keine Baugenehmigungen gab, wird man auch dort keine finden. Dann wertet der Staat seine Dateien aus und sagt, es wäre nichts da. Will man beweisen, dass eine existiert, wird man sie wohl spätestens vor Gericht vorlegen müssen. Und selbst das wird dann nicht mehr viel bringen, wenn inzwischen munter an-, um- oder gar neu gebaut wurde. Vielleicht noch als Dauerwohnung umgenutzt.

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