Arzt trägt Behälter mit gespendetem Organ
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Zu wenig Spender Organspende: Transplantationsmediziner fordert Widerspruchslösung

03. Juni 2023, 10:48 Uhr

Am ersten Juni-Sonnabend ist Tag der Organspende. In Sachsen-Anhalt gibt es nur wenige Spender. Das stellt den Transplantationsmediziner Paolo Fornara aus Halle vor ein Rätsel. Er fordert deswegen die Widerspruchslösung, wie sie in vielen anderen Staaten gilt.

Die vergleichsweise niedrige Zahl von Organspendeausweisen in Sachsen-Anhalt stellt den Halleschen Transplantationsmediziner Paolo Fornara vor ein Rätsel. Der Arzt des Uniklinikums Halle sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstag, das sei ganz schwer zu erklären.

Wenige Ausweise, aber hohe Spendenbereitschaft

Unabhängig davon, ob man einen Ausweis habe oder nicht, sei die Organspendebereitschaft viel höher: "Wir wissen, dass circa zwei Drittel der Bevölkerung – und das bundesweit, da gibt es ganz große Statistiken – eine positive Einstellung zur Organspende haben. Leider sind wir aber, was die Organspende angeht, das Schlusslicht im Eurotransplant-Verbund, also in dem Verbund, in dem verschiedene Länder Europas ihre gespendeten Organe einbringen, aber auch im internationalen Vergleich."

Fornara bemängelte, die Organspende habe es in Deutschland nie zu der sozialen Anerkennung, zu der Wahrnehmung und zu der politischen Bedeutung gebracht, die sie brauche und verdient habe. 2020 war im Bundestag ein Vorstoß zu einer veränderten Regel zur Organspende abgelehnt worden.

Damals wollten Politiker mehrerer Parteien, darunter der jetzige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Widerspruchslösung einführen. Sie besagt, dass alle Menschen prinzipiell zunächst bereit sind, ihre Organe nach dem Tod zu spenden. Sind sie es doch nicht, müssen sie dem zu Lebzeiten aktiv widersprechen.

Neuer Anlauf für Widerspruchslösung

Lauterbach forderte inzwischen, einen neuen Anlauf für diese Regelung zu unternehmen. Fornara, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie ist, schloss sich dieser Forderung an. Es sei das Hauptproblem, dass die Entscheidung nach dem Tod bei den Angehörigen liege.

Das sei für die Trauernden eine zusätzliche Belastung: "Sie sind überfordert. Sie werden auch nie wissen, ob diese Entscheidung die richtige war. Sie wissen nicht, ob sie dann Ja gesagt haben und sie das im Sinne des Verstorbenen getan haben und dann vielleicht gegen den Willen, den er nie geäußert hat, Organe zu spenden, agieren. Oder sie wissen nicht, wenn sie Nein gesagt haben, dass sie vielleicht sieben Leben auf dem Gewissen haben."

Es gebe dabei grundsätzlich zwei Herangehensweisen. Entweder der Angehörige entscheide in der mutmaßlichen Interpretation des Willens des Verstorbenen oder aber er entscheide für sich: "In dem ersten Fall kommt es zu 50 Prozent Ablehnungen, in dem zweiten Fall kommt es zu 80 Prozent Ablehnung durch die Angehörigen."

Der Transplantationsmediziner sprach von einem eklatanten Mangel an Organen. Nach den Worten Fornaras wird am häufigsten eine Niere transplantiert, gefolgt von Leber, Herz, Lunge und in geringerem Ausmaße auch Bauchspeicheldrüse. Am ersten Samstag im Juni wird in Deutschland der Tag der Organspende begangen.

MDR (Christoph Dziedo, Mario Köhne)

Dieses Thema im Programm: MDR um 11 | 02. Juni 2023 | 11:00 Uhr

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