Detlev Haupt hält eine Rede bei einer Gedenkfeier der Jüdischen Gemeinde Halle.
Detlev Haupt engagiert sich seit vielen Jahren für die Deutsch-Israelische Freundschaft. Hier spricht er bei einer Gedenkfeier der jüdischen Gemeinde in Halle zur Reichspogromnnacht, an der im Jahr 2000 auch hochranginge Landespolitiker teilnahmen. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / Rolf Zöllner

Deutsch-Israelische Freundschaft Wie Pfarrer Detlev Haupt mit dem DDR-Pass nach Israel kam

03. Januar 2023, 19:37 Uhr

Knapp 30 Jahre lang hat der evangelische Pfarrer Detlev Haupt aus Halle Studienreisen für Menschen aus Halle und ganz Sachsen-Anhalt nach Israel und ins Westjordanland organisiert. Wegen altersbedingt nachlassender Kräfte konzentriert er sein Engagement nun auf die Unterstützung einer Behindertenwerkstatt in der Nähe von Bethlehem.

Ein Mann mit Brille und blauem Sacko lächelt in die Kamera.
Bildrechte: MDR/Gaby Conrad

Die kleine jüdische Gemeinde in Halle war zu DDR-Zeiten, Anfang der sechziger Jahre, quasi unsichtbar. Auch für Detlev Haupt, der damals in der Saalestadt evangelische Theologie studierte. Nach anfänglich guten Verbindungen der DDR zu Israel, galt das Land zunehmend als westlich orientiert und hatte selbst angehende Theologen nicht wirklich zu interessieren, erinnert sich Haupt: "Ich hatte selbst als Student und später als Vikar an der Marktkirche in Halle kein Wort darüber gehört, dass es in Halle noch eine kleine jüdische Gemeinde gibt". Bei ihm machte sich der Eindruck breit, es würde ihm in der DDR "etwas vorenthalten". Das weckte seine Neugier und die Frage nach Israel begann ihn umzutreiben.

Pfarrer Detlev Haupt aus Halle in Israel 3 min
Bildrechte: MDR/Detlev Haupt
3 min

MDR SACHSEN-ANHALT Mi 21.12.2022 13:08Uhr 02:47 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/halle/audio-detlev-haupt-ein-leben-fuer-israel-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Nach Promotion und Vikariat wurde Detlev Haupt Studentenpfarrer in Erfurt und bekam durch Zufall dort Kontakt zum jüdischen Leben der DDR. "Die Juden in dieser Phase der DDR konnten zu ihren Angehörigen in Israel keinen Kontakt haben. Als Pfarrer waren wir etwas geschützter und so fiel es mir zu, den Briefkontakt zu ihren Verwandten zu halten", erzählt Haupt.

Mit der Zeit entsteht der Arbeitskreis "Kirche und Judentum". Die meisten der knapp 25 Mitglieder waren Pfarrer. "Bereits in den 80ern haben wir etwa Gedenkveranstaltungen etwa zur Reichspogromnacht durchgeführt".

Engagement weckt bundesdeutsche Aufmerksamkeit

Das für damalige Verhältnisse ungewöhnliche Engagement erregte Aufmerksamkeit – auch die der Bundeszentrale für Politische Bildung. Direkt nach der Wende lud die Organisation Vertreter des Arbeitskreises nach Israel ein. "Ich bin mit einem DDR-Pass 1990 in Israel gewesen", schmunzelt Haupt und guckt über den Rand seiner Brille. "Das war der Startschuss meines Engagements, weil ich begriff, was das für ein verrücktes Land ist und welche Bedeutung das Land für Juden, Christen und Moslems hat", sagt Detlev Haupt. "Ich war auch später in vielen Ländern. Ägypten oder Griechenland haben mich nicht interessiert – nur Israel. An diesem kleinen Land wird die ganze komplexe Verflochtenheit der Welt deutlich. Bewahrung der Schöpfung, Frieden, Gerechtigkeit, Abrüstungsfragen und natürlich konkret der Konflikt zwischen Israel und Palästina".

Ich bin mit einem DDR-Pass 1990 in Israel gewesen. Das war der Startschuss meines Engagements, weil ich begriff, was das für ein verrücktes Land das ist und welche Bedeutung das Land für Juden, Christen und Moslems hat.

Detlev Haupt

Bildungsreisen für 500 Menschen

Gut 30 Bildungsreisen hat Detlev Haupt in den Folgejahren ins Heilige Land organisiert. Bald 500 Menschen aus Halle und Sachsen-Anhalt haben daran teilgenommen. Hinzu kamen jährlich etwa zehn Dialogveranstaltungen und Vorträge, teilweise mit mehreren hundert Teilnehmern. "Es kam die Idee auf, überlebende Juden aus Halle einzuladen. So entstand der Kontakt zum letzten jüdischen Abiturienten an der Latina in Halle, Josef Kahlberg. Den habe ich bei einer Israel-Reise kennen gelernt. Er kam dann jedes Jahr für vier Wochen nach Halle und hielt Vorträge und besuchte Schulen in Halle".

Zur Person: Detlev Haupt Detlev Haupt wurde 1941 in Leipzig geboren. Den größten Teil seiner Kindheit verbrachte er in Neinstedt (Landkreis Harz), ehe sein Vater eine Pfarrstelle in Magdeburg annahm und mit der Familie dorthin umsiedelte. Ab 1959 studierte er evangelische Theologie in Halle und promovierte auch in diesem Fach. Sein Vikariat verbrachte er in der Marktkirche in Halle, im Anschluss wirkte er als Studentenpfarrer in Erfurt und Schülerpfarrer in Blankenhain in der Nähe von Weimar. 1989 erfolgte der Wechsel zurück nach Halle, wo Haupt bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2000 als Pfarrer der Pauluskirche wirkte. Detlev Haupt war bis zu ihrem Tod im Jahr 2015 in zweiter Ehe mit Hanna Haupt verheiratet, die sich in der halleschen Stadtgesellschaft einen Namen als Gefängnisseelsorgerin und Stadträtin machte.

Obwohl evangelischer Pfarrer, sieht Detlev Haupt die Rolle der Religionen in Israel und dem Westjordanland durchaus ambivalent. Und weiß auch um ihren Beitrag zum Leid der Menschen und zum Krieg. Dennoch bezeichnet er sich als "gläubigen Menschen" und wünscht sich für die aktuell von ihm als "zerrissen" empfundene Welt "mehr Glauben und kirchliches Engagement".

Deutsch-Israelische Gesellschaft kritisiert intransparente Buchführung

Doch im Leben von Detlev Haupt gab es nicht nur das Engagement für Israel und die Kirche: Fünf Jahre lang, nach eigener Aussage bis 1983, war er als "IM Raucher" für die Stasi tätig. Darauf angesprochen, senkt er den Blick, betont, er sei nach einer sorgfältigen kirchlichen Prüfung "freigesprochen worden". Auch gibt er zu, es habe ihm weh getan, dass sich einige deshalb von ihm abwandten. Schnell lenkt er das Wort auf andere Fälle, und sagt: Er fühle sich nicht schuldig.

Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft, mit der er etwa rund um seine Studienreisen nach Israel zusammenarbeitete und von der er Fördergelder bekam, ist – allerdings aus anderen Gründen – von Haupt abgerückt. Überlegungen, ihn mit einer Medaille zu ehren, wurden verworfen. Der Vorsitzende der DIG in Halle-Umland, Philipp Körner, berichtet unter anderem von intransparenter Buchführung – auch mit Blick auf Spenden und Fördergelder – über ein Privatkonto Haupts.

Leuchtturmprojekt in Bethlehem wirkt bis nach Halle

Licht und Schatten eines Menschenlebens und eines Lebenswerkes. Mittlerweile konzentriert er sich zusammen mit dem etwa 25 Köpfe zählenden "Freundeskreis Lifegate e.V." auf Spendenaktionen für die gleichnamige Behindertenwerkstatt in der Nähe von Bethlehem im Westjordanland. Eine Kooperation, die ebenfalls um die Wendezeit begann.

Kunsthandwerk, das in der Werkstatt hergestellt wird, wird etwa in Halle auf dem Weihnachtsmarkt verkauft und der Erlös wandert wiederum zu Lifegate. "Dort arbeiten 400 Menschen mit Behinderung vom Kindergarten- bis ins erwachsene Alter", erklärt Haupt. Da die Einrichtung für alle Menschen aller Religionen offen sei, sieht er es als eines von zahlreichen Leuchtturmprojekten gelingender Friedensarbeit im Heiligen Land, in das er, so schnell wie möglich, wieder reisen möchte. "Allerdings ohne Reisegruppe" – das sei ihm mittlerweile zu anstrengend.

MDR (Marc Weyrich, Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 03. Dezember 2022 | 10:40 Uhr

5 Kommentare

nachgehakt am 05.01.2023

Zur Person: Detlef Haupt - IM Raucher
Focus Nr. 24 / 1997
„Mit seiner Emsigkeit erwarb sich Haupt allerdings nicht nur in Kirchenkreisen einen Namen. 14 Jahre lang, von 1973 bis 1987, arbeitete er als IM „Raucher“ für die Stasi. Seine Berichte über Kollegen, Freunde und Gemeindemitglieder füllen rund 1200 Seiten. Er meldete renitente Pfarrer („redet stets im negativen Sinne“), lieferte oppositionelle Flugblätter ab und die Namen der Verdächtigen gleich dazu.“

hilflos am 04.01.2023

Im Grunde hat die Vita des Herrn Haupt schon ein gewisses "Geschmäckle"! Als IM war er aktiver Teil der Stasi und wird sich kaum selbst geoutet haben. Eine besondere Leistung mit dem DDR Pass 1990 nach Israel zu reisen sehe ich nicht, aber auch egal. Seit Herrn Eli Gambel, habe ich Verständnis für die etwas eigenwillige Buchführung, scheint wohl in diesen Kreisen nicht unüblich. Briefverkehr zu Verwandten nach Israel? Nun ich denke, da hätte sich leicht Wege über die Bundesrepublik finden lassen, vielleicht gab es sogar Postabkommen...

hinter-dem-Regenbogen am 04.01.2023

Wohl wenn, es ist nur eine Geschichte, ein winzig kleiner Teil der Geschichte.
Eine Wende ohne Wendigkeit, wäre wohl auch kaum denkbar gewesen. . . . und so ergeben sich Liebe und Verrat nicht selten als eine Einheit . . . was letztendlich auch die Ewigkeit im täglichen Leben zwischen den Unterschiedlichkeiten der Menschen, den "Kulturen" und den Ländern dokumentiert . . . . somit aber auch gleichzeitig ein Indiz dafür ist, dass die gesellschaftliche Transformation ein von Menschen gemachtes Produkt mit nicht weniger Drang nach dem individuellem Sein darstellt.

Die Frage deshalb von mir:
Sollen (müssen) wir dafür dankbar sein ?

Mehr aus dem Raum Halle und Leipzig

Mehr aus Sachsen-Anhalt