Ein Böller brennt in der Hand eines Mannes.
Unsachgemäße Nutzung von Silvesterfeuerwerk sorgt regelmäßig für Verletzungen. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Marius Schwarz

Ein schrecklicher Verlust Handchirurg warnt: Vorsicht vor illegalen Böllern

von Annette Schneider-Solis, MDR SACHSEN-ANHALT

28. Dezember 2023, 12:25 Uhr

Auf die Plastischen Chirurgen am Klinikum Bergmannstrost in Halle wartet rund um Silvester viel Arbeit. Vor allem illegale Böller sorgen immer wieder für schlimme Verletzungen: abgerissene Gliedmaßen, schwere Verbrennungen, zertrümmerte Knochen. Jan Joneit hat es vor zwei Jahren erwischt. Er wird immer noch behandelt.

Jan Joneit hat sich der Jahreswechsel 2021/22 tief ins Gedächtnis gebrannt. Der damals Zwölfjährige hatte auf einem Spielplatz Blindgänger eingesammelt. Einer davon explodierte in seiner Hand. "Das habe ich auch in den Jahren davor gemacht", erinnert sich Jan an den 2. Januar 2022.

Jan Joneit bei einem Arztbesuch
Jan Joneit ist die Lust aufs Böllern nach einem Unfall vor zwei Jahren vergangen Bildrechte: MDR

"Es ist nie was passiert, und ich dachte, dass auch diesmal nichts passiert." Doch das war ein Irrtum. Kaum hatte Jan den illegalen Böller am Fenster angezündet, explodierte er in seiner Hand. Ein lauter Knall, ein weißer Blitz, dann viel Blut. "Überall war Blut", erzählt Jan, "an den Wänden, überall. Ich weiß nur noch, dass ich auf dem Bett lag und um Hilfe gerufen habe."

Ein schwarzer Tag für Jan

Auch für Jans Eltern war es ein Schock, als sie das viele Blut sahen. Jans Hand hing in Fetzen. Große Fleischwunden, zerfetzte Finger. Mit dem Rettungswagen wurde Jan ins Klinikum Bergmannstrost in Halle gefahren. Stundenlang operierten die Ärzte, um Jans Hand zu retten.

Auf den Röntgenbildern war zu sehen, dass die Wucht des Böllers auch die Knochen gebrochen hatte. Mit Nägeln wurden sie stabilisiert, die Weichteile gesäubert, winzige Gefäße genäht. Trotz aller ärztlichen Kunst verlor Jan zwei Finger – den Mittelfinger und den Ringfinger. Jan konnte sich die Bilder anfangs gar nicht angucken. "Mir wäre da echt schlecht geworden", gesteht er.

Viel Arbeit für Handchirurgen

Die Tage um Silvester gehören für die Handchirurgen zu den arbeitsreichsten. "Wir haben jedes Jahr um Silvester herum schwere Verletzungen zu behandeln", erzählt Chefarzt Professor Frank Siemers. "Meistens sind es Männer, nicht unbedingt nur Jugendliche, auch Erwachsene. Aber die Männer sind eindeutig in der Mehrheit. Der Alkohol trägt auch dazu bei, dass solche Unfälle passieren."

Hand, an der der Mittel- und Zeigefinger fehlen. Operationsspuren.
Jan Joneit verlor bei der Explosion eines illegalen Böllers zwei Finger seiner rechten Hand. Bildrechte: MDR

Der Alkohol mache leichtsinnig, weiß Frank Siemers. Das Klinikum Bergmannstrost hat einen Replantationsdienst, der 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche bereit ist, um schwere Verletzungen zu behandeln. "Es sind viele in jedem Jahr", verrät Frank Siemers. "Aber um Silvester herum sind die Fälle deutlich höher. Oft sind sie verursacht worden durch Böller, die illegal gekauft und auch gezündet wurden."

Neue Qualität von Verletzungen

Die Böller verursachen nicht nur schlimmste Verletzungen an Händen und Armen, sondern auch an den Augen und im Gesicht. Nerven, Sehnen, Kochen – auf die Replantationschrirurgen wartet in solchen Fällen eine Sisyphusarbeit. Immer wieder müssen Patienten operiert werden.

Warnung: Bild von Jans schwerer Verletzung

Die Hand von Jan ist durch den Böller schwer verletzt worden. Zwei Finger konnten nicht mehr gerettet werden.

Jan war 12, als er nach Silvester Blindgänger einsammelte. Einer explodierte in seiner Hand.
Jan war 12, als er nach Silvester Blindgänger einsammelte. Einer explodierte in seiner Hand. Bildrechte: privat

Auch Jan war schon einige Male unterm Messer. Weitere Operationen warten auf den jetzt Vierzehnjährigen. Zum Jahreswechsel 2022/23 registrierten die Fachleute eine neue Qualität von Böllerverletzungen. "Sie wurden hervorgerufen von Kugelbomben, die es in den Jahren davor nicht in dem Maße gab", resümiert Frank Siemers.

Vorsicht im Umgang mit Böllern

Der Handchirurg rät zu grundsätzlicher Vorsicht im Umgang mit Böllern. Generell sollte man nur legale Böller mit langer Zündschnur verwenden. Oft sind es die illegalen Knaller, die eine kurze Lunte haben und noch in der Hand explodieren.

Wie hoch ihr Anteil ist als Ursache für die Sprengstoffverletzungen, kann der Chefarzt der Plastischen Chirurgie indes nicht sagen. "Wir fragen das unsere Patienten natürlich. Aber sie antworten nur sehr zurückhaltend, weil da auch versicherungsrechtliche Fragen dranhängen", so Frank Siemers.

Silvester zu Hause

Jan Joneit wird Silvester zu Hause verbringen. Auch wenn seine Hand trotz der fehlenden zwei Finger wieder einigermaßen funktioniert, hat er doch immer noch psychisch mit den Folgen zu tun. "Wenn ich die Knallerei sehe, dann kommen die Bilder wieder hoch", erzählt er.

"Dann sehe ich wieder die weißen Blitze und das viele Blut." Am liebsten würde er den Jahreswechsel verschlafen. "Ich war damals ganz schön dumm", weiß er heute und warnt andere in seinem Alter. Er selbst musste es auf eine schmerzhafte Art erfahren, an die er sein Leben lang mit seiner kaputten Hand erinnert wird.

MDR (Annette Schneider-Solis)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 28. Dezember 2023 | 15:40 Uhr

12 Kommentare

NochJemand vor 18 Wochen

Jau. Und auch die Feuerwehr will schließlich mal etwas zu tun haben. Kommen ja sonst kaum raus. Die lassen sich auch gerne mit Böllern beschießen, das ist superlustig und gibt tolle Insta-Videos.

hilflos vor 18 Wochen

Daniel, erstens hat der wohl nichts gekauft und mit 12 dürften ihm auch die Eltern oder andere das Zeug nicht abgeben. Hier würde ich zweifelsfrei das Jugendamt und die Polizei gefordert sehen. Der Tathergang, wie im Artikel beschrieben, ist für mich unglaubwürdig

Anita L. vor 18 Wochen

Na, Sie werden natürlich viel besser wissen als Jan, seine Eltern oder Ärzte, was genau ihm da seine halbe Hand - und ohne die Hilfe der Ärzte weit mehr - gekostet hat.

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