Sven Liebeich und weitere Rechtsextreme und Verschwöhrungstheoretiker auf einer Demonstration.
Liebich, hier während einer Demonstration 2018, steht wieder einmal vor Gericht Bildrechte: IMAGO/Michael Trammer

Berufung Neu aufgerollter Liebich-Prozess: Landgericht Halle stellt Teil der Verfahren ein

05. Oktober 2022, 12:36 Uhr

Vor dem Landgericht Halle wird derzeit ein Urteil gegen den halleschen Rechtsextremisten Sven Liebich unter anderem wegen des Vorwurfs der Verleumdung und Volksverhetzung neu aufgerollt. Am Dienstag endete die Beweisaufnahme. Vier der insgesamt neun Verfahren sieht das Gericht aber schon jetzt als wenig entscheidend für das Strafmaß an – und stellte sie ein. Das sorgt für Kritik.

Thomas Vorreyer
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Im Berufungsprozess von Sven Liebich vor dem Landgericht Halle wurde am Dienstag die Beweisaufnahme geschlossen. Der hallesche Rechtsextremist Liebich wendet sich gegen ein Urteil des Amtsgerichts Halle aus dem September 2020. Dieses hat ihn unter anderem wegen Verleumdung und Volksverhetzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt.

Betitelung als "Schaben" wird nicht weiter verfolgt 

Von den insgesamt neun Tatvorwürfen werden vier aber keine Rolle für das Berufungsurteil spielen. Der Vorsitzende Richter entschied während des zweiten Verhandlungstages, die entsprechenden Verfahren einzustellen. Die Begründung: Auf das Strafmaß hätten diese Vorwürfe nur geringe Auswirkungen. Staatsanwaltschaft und Verteidigung stimmten zu. Nur die Nebenklage äußerte Bedenken, ihre Zustimmung wurde aber nicht benötigt.

Bei den vier Tatvorwürfen handelt es sich um Fälle von Beleidigungen und übler Nachrede. Unter anderem hatte Liebich Demonstrierende in Halle im September 2017 als "Schaben" und "Linksterroristen" bezeichnet. Ein Mitarbeiter des Vereins "Miteinander" setzte auf juristischem Wege die Strafverfolgung durch, nachdem die Staatsanwaltschaft Halle seiner Anzeige zunächst nicht nachgehen wollte. Das Amtsgericht Halle verurteilte Liebich schließlich in erster Instanz.

Die nun erfolgte Einstellung bezeichnete der "Miteinander"-Vertreter gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT am Dienstag als "nicht nachvollziehbar". Die Entscheidung reihe sich ein in eine Serie von Vergehen Liebichs, die von den Behörden in Halle nicht oder nicht abschließend verfolgt würden.

Verhandlung von Störungen begleitet

Vor dem Landgericht Halle geht es nun noch um die Frage, ob Liebich 2016 und 2017 auf seinem damaligen Blog die Grünen-Spitzenpolitikerin Renate Künast und den ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz wissentlich mit Falschzitaten diskreditiert hat. Der Tatvorwurf in beiden Fällen: Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens.

Liebich selbst bestritt vor Gericht diese Vorwürfe. Zwei ebenfalls strittige, von ihm vertriebene Aufkleber, die das Amtsgericht als Volksverhetzung bzw. Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen eingestuft hatte, bezeichnete er wiederum als "Satire".

Der Prozess findet unter erhöhten Sicherheitsbedingungen statt. Die ersten beiden Verhandlungstage wurden von mehreren Störungen begleitet, die von Unterstützern Liebichs ausgingen.

Das Gericht wies außerdem einen Antrag der Nebenklage ab, die finanzielle Situation Liebichs erneut zu prüfen. Dieser gab vor Gericht an, lediglich geringfügig beschäftigt und privat von einem Familienmitglied geduldet zu sein. Der Anwalt der Nebenklage vermutete allerdings, dass Liebich teils erheblich Einnahmen aus dem Verkauf von T-Shirts und Stickern hat.

Urteil soll Ende Oktober verkündet werden

Im April dieses Jahres durchsuchte die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg die betroffene Firma im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Volksverhetzung und des Betreibens einer kriminellen Handelsplattform. Liebich, der die Geschäftsführung 2020 an seine Schwester abgetreten hatte, hat mittlerweile wieder diesen Posten übernommen. Die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft sind noch nicht abgeschlossen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Im aktuellen Berufungsprozess sollen nun am Dienstag kommender Woche die Plädoyers der Verteidigung, Anklage und Nebenklage gehalten werden. Die Verkündung des Urteils des Richters und zweier Schöffen wurde für den 24. Oktober angesetzt.

MDR (Thomas Vorreyer)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. Oktober 2022 | 17:30 Uhr

8 Kommentare

Thommi Tulpe am 06.10.2022

Das habe ich nicht behauptet.
Wer aber erfolgreich Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft derart "entschärfen" kann, dass diese letztendlich fallengelassen werden, ist entweder selbst Rechtsanwalt oder braucht einen solchen.
Wenn Liebig angibt, ein "armer Künstler" in finanzieller Hinsicht zu sein, der nur mit Hilfe seiner Familie "überleben" kann, könnte doch das Gericht die Richtigkeit oder Unwahrheit dieser Aussage ohne großen Aufwand dahingehend überprüfen, ob er selbst Rechtsanwalt ist oder ihm ein Mitglied seiner Familie diesen Rechtsanwalt "uneigennützig" "sponsert".
Menschen ohne Geld wird in der Regel ein von Steuergeldern finanzierter Pflichtanwalt an die Seite gestellt. Genau das scheint nach allen Berichten ja nicht der Fall zu sein.

emlo am 05.10.2022

Wenn Sie nicht versuchen würden, einen Rechtsextremisten rein zu waschen wäre Ihnen der Satz "Auf das Strafmaß hätten diese Vorwürfe nur geringe Auswirkungen." aufgefallen. Wer der deutschen Sprache mächtig ist erkennt, dass das nicht heißt, dass an den Vorwürfen nichts dran ist!

ralf meier am 05.10.2022

Pauschale Beleidigungen ganzer Personengruppen als Nazis erlebt man in den Qualitätsmedien fast täglich. Nun wird also jemand als Linksextremist beleidigt. so what!

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