Ermahnung im Landtag AfD-Abgeordneter Tillschneider bringt Ordnungsruf vor Gericht

05. Juli 2023, 09:28 Uhr

Im Landtag Sachsen-Anhalt nutzte der AfD-Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider eine umstrittene Formulierung, die Hannah Arendt in der Berichterstattung über NS-Verbrecher Adolf Eichmann geprägt hatte. Er erhielt einen Ordnungsruf dafür, gegen den er nun gerichtlich vorgeht.

Der AfD-Abgeordnete im Landtag Hans-Thomas Tillschneider geht vor Gericht gegen einen Ordnungsruf vor, den er im vergangenen Jahr im Parlament erhielt. Das Landesverfassungsgericht Dessau tagte am Montag in dem Organstreitverfahren ausführlich zum Thema parlamentarische Redefreiheit. Eine Entscheidung soll am 21. August verkündet werden.

Umstrittene Formulierung von Hannah Arendt genutzt

Im Februar 2022 hatte der Landtag über eine Aktion des Bildungsministeriums zur Eindämmung der Corona-Pandemie unter dem Slogan "Wir ham 'nen Stich" diskutiert. Tillschneider hatte dazu gesagt: "Wenn ich aber über die Initiatoren dieser Kampagne nachdenke, frage ich mich: Weshalb tut man das? Ist es ein Selbstläufer? Ist es Trägheit? Ist es Feigheit? Ist es Bosheit? Ist es die Banalität des Bösen?"

"Die Banalität des Bösen" geht als Begriff auf die Publizistin Hannah Arendt zurück. Sie hatte über den Prozess gegen den NS-Verbrecher Adolf Eichmann berichtet. Ihre Zeitungsartikel und ihr Buch zum Thema trugen den Untertitel "Von der Banalität des Bösen". Weil der Untertitel Eichmann beurteilt, wird er bis heute kontrovers diskutiert.

Landtagsvizepräsident Gallert: "Rote Linie überschritten"

Als Tillschneider den Begriff im Parlament nutzte, erteilte ihm Landtagsvizepräsident Wulf Gallert (Linke) einen Ordnungsruf. Gallert sagte bei der Verhandlung am Montag, er habe "eine rote Linie überschritten" gesehen. Aufgabe der Sitzungsleitung sei es, Ansehen und Würde des Parlaments zu wahren. Dies bedeute, dass es Grenzen in der politischen Auseinandersetzung gebe.

Der vom Landtag beauftragte Anwalt sagte, mit der Begrifflichkeit würden die Menschen verunglimpft, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie umgesetzt hätten. Zudem werde der Holocaust bagatellisiert.

Tillschneider wies den Vorwurf zurück. Er sagte vor Gericht, die Mehrheit der Menschen könne mit der Begrifflichkeit nichts anfangen. Er habe diese unabhängig vom Kontext des nationalsozialistischen Unrechts verwendet und zudem als Frage formuliert. Niemandem sei damit die "Banalität des Bösen" unterstellt worden.

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dpa, MDR (Julia Heundorf) | Erstmals veröffentlicht am 04.07.2023

29 Kommentare

pwsksk vor 44 Wochen

Ich habe bei diesem Wahlprogramm viel Punkte der CDU und sogar eines Helmut Schmidt vernommen. Sie sollten sich nicht nur für sie Geeignetes raussuchen.

pwsksk vor 44 Wochen

Er hat das ausgesprochen, was mind. 70% der Eltern zur Impfpflicht meinten.
Das zu leugnen, ist an Banalität nicht zu überbieten. Da haben sie Recht.

der Gnatz vor 44 Wochen

Egal wer in historischer Zeit mal was über wen gesagt hat, man muss nicht zu jeder Redewendung einen möglichen Zusammenhang mit anderen Dingen herbeizaubern.

Rein sachlich: das Böse kommt immer erstmal ganz banal daher. Schlichte Feststellung in einfacher Sprache.

Und wenn man dies nichtmal ohne Ordnungsruf aussprechen darf, haben wir im Lande noch ganz andere Probleme.

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