Kommentar zum Corona-Wirr-Warr von Bund und Ländern Der Bärendienst

24. März 2021, 14:40 Uhr

Nun kommt doch alles anders: Die Kanzlerin räumt die von Bund und Ländern vereinbarte "Oster-Ruhe" vom Tisch. Das Zeichen ist fatal, nicht nur angesichts der grassierenden dritten Corona-Welle. Auch politisch bleibt mehr als ein Geschmäckle. Ihrem Parteifreund Reiner Haseloff jedenfalls hat Angela Merkel einen Bärendienst erwiesen. Ein Kommentar.

Luca Deutschländer
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Für Wahlkämpfer wie Reiner Haseloff müssen Tage wie dieser ein Graus sein. Der Ministerpräsident und seine Partei haben es ohnehin nicht leicht in diesen Tagen: Die Bundes-CDU ist seit Wochen im Umfrage-Sinkflug, das Krisenmanagement mehrerer CDU-Minister in Berlin desaströs. An normalen Wahlkampf ist in einer Pandemie ohnehin nicht zu denken – und nebenbei steigen die Corona-Zahlen. Trotzdem soll der 67-Jährige im Juni eine Wahl gewinnen. Das ist der Anspruch der CDU – und der von Haseloff.

Doch wie soll das gehen? In einer Zeit, in der sich Politik zur Lachnummer der Nation macht?

Als Haseloff am Dienstag in Magdeburg vor die Presse trat und die Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern vorstellte, hatte er ohnehin schon seine ganz persönliche Niederlage einzugestehen. Haseloff war als einer von mehreren Regierungschefs mit dem Ziel in die Bund-Länder-Runde gegangen, über Ostern Urlaub im eigenen Bundesland zu ermöglichen – als nette Perspektive im ermüdenden Lockdown und ganz gewiss auch als Bonus im Wahlkampf. Haseloff konnte sich nicht durchsetzen. Stattdessen referierte er am Dienstag vor der virtuell versammelten Presse, der "Oster-Lockdown" sei der richtige Weg, um die Infektionslage bundesweit zu beruhigen.

Die Wirkung ist fatal

Keine 24 Stunden später kam Bundeskanzlerin Angela Merkel um die Ecke und machte ihm einen Strich durch die Rechnung: Die "Oster-Ruhe" ist abgeblasen – rechtlich nicht durchsetzbar. Zwar betonte die Kanzlerin, das sei einzig und allein ihr Fehler. Klar: Merkel hat keine Wahl mehr zu gewinnen, sie tritt im Herbst ab. Ausbaden dürfen das Desaster Wahlkämpfer wie Haseloff. An sie spielt Merkel den Ball zurück, wenn sie sagt, konkrete Eindämmungsmaßnahmen müssten nun vor Ort getroffen werden.

All das ist umso erschütternder, weil das Vertrauen in Politik ohnehin schon gering ist. Eine nicht-repräsentative Befragung des MDR hatte das erst vergangene Woche gezeigt. Auch deshalb ist die Wirkung fatal – besonders aus zwei Gründen:

  1. Politik sitzt 15 Stunden beisammen, um einen Kompromiss zu finden, der rechtlich in dieser Kürze nicht umsetzbar ist. Geschweige denn ausreichend durchdacht.
  2. Die Corona-Zahlen steigen. Und sie werden es weiter tun. Bis Ostern. Zu Ostern. Und nach Ostern. Eine angemessene politische Antwort darauf fehlt.

Wenn die Verlautbarung der Kanzlerin etwas Positives hat, dann, dass Politik in der Corona-Pandemie endlich beginnt, Fehler einzugestehen. Das ist richtig und wäre schon viel früher fällig gewesen – auch aus dem Mund von Wahlkämpfern wie Reiner Haseloff.

MDR/Luca Deutschländer

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. März 2021 | 12:00 Uhr

75 Kommentare

Ernst678 am 26.03.2021

Haben Sie als Stadtkind eine Wohnung mit Balkon? Wenn ja, dann können Sie ja Urlaub in Balkonien machen. Wenn nicht, dann können Sie ja allein eine Runde auf dem Gefängnishof drehen, Maske nicht vergessen!

Ernst678 am 26.03.2021

Die Hardlinern fordern, fordern. Noch mehr Sabotage an den Grundrechten, noch mehr Autokratie, noch mehr Lockdown, Ausgangssperre, Kontaktverbote... Merkel, Lauterbach, Drosten,die 16 Zwerge in den Bundesländern schlagen mit Hilfe einer nur noch befehlorientierten Polizei völlig empahtielos um sich. All denen die Kritik als Verschwörungstheorie und rechts abtun, sich auf getürkte Umfragen stützen und jede Verschärfung als Sieg feiern sei gesagt: Die Wirklichkeit im Land realisiert inzwischen fast jede Verschwörungstheorie, selbst ein generelles Auslands-Reiseverbot ist für Merkel noch nicht vom Tisch, es fehlt nur noch eine trickreiche Begründung. Seit Anfang letzten Jahres hat mir diese Sinnentleerte alles versaut was man mir versauen kann, und dafür wird gar noch Untertanentreue und Lobhudelei verlangt. Pfui! Nach einem Jahr Lockdown sollte man eigentlich vernüftigere und intelligenter Lösungen für das Problem haben. Doch null Intelligenz, null Lösung, aber Verschärfung!

ElBuffo am 26.03.2021

Das sind teilweise auch Mentalitätsunterschiede. In Deutschland mag man eben noch 15 Minuten nach der Impfung schauen, wie es den Leuten geht. Gerne will man dazu eine Arztpraxis aufsuchen. Gerne vorher noch viele Zettel ausfüllen und ein ausführliches Arztgespräch. Dann auch noch eine Priorisierung nach dem Alter usw.
Woanders verpasst die eben der angelernte Supermarktmitarbeiter an einem Drive-In an diejenigen, die sich einen Termin besorgt haben und fertig. Klar geht das da schneller. Da ist auch der Druck viel höher, wenn man keine Krankenversicherung, kein Kurzarbeitergeld usw. usf. hat.
Man munkelt gar, dass es auf der Insel ein Auslandsreiseverbot gibt.

Mehr zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt