Blechbudenfest im Huy Wie aus der Renovierung einer Wellblechhütte ein Volksfest wurde

19. September 2022, 15:12 Uhr

Im Huy, einem bewaldeten Höhenzug bei Halberstadt, ist am Sonntag zünftig gefeiert worden. Im kleinsten Ort des Harzkreises, in Wilhelmshall, waren rund 450 Menschen zu Gast beim "Wald- und Wiesenfest", das aber alle nur "Blechbudenfest" nennen. Woher dieser Name kommt.

Mann mit grauen haaren und roten Fleece-Pullover macht ein Selfie vor einem Fachwerkhaus mit MDR-Logo
Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

Es knallt gewaltig an diesem Sonntagmorgen in Wilhelmshall. Mit einem lauten Böllerschuss wird das sogenannte Blechbudenfest eröffnet. Auf einer Wiese zwischen dem Huy-Wald und den Häusern von Wilhelmshall findet es statt. Neben der namensgebenden "Blechbude" steht ein großes Festzelt. Es gibt Blasmusik, Bier und Bratwurst, aber auch jede Menge selbstgebackenen Kuchen – und 450 Gäste. Das sind mehr als 22 Mal so viele Menschen, wie Wilhelmshall Einwohner hat. Denn in Wilhelmshall leben nur 20 Personen.

Die Gäste sind froh, dass ihr Lieblingsfest nach zwei Jahren Corona-Sperre wieder stattfinden kann. Sie lassen sich auch nicht von kühlen zehn Grad und Regenschauern vom Feiern abhalten. Die Besucher loben das besondere Flair oder die tolle Stimmung. "Das Blechbudenfest ist Kult. Wer nicht herkommt, hat was verpasst", sagt Gudrun Böttcher aus dem Nachbarort Sargstedt. Man treffe hier oft Menschen, die man lange nicht gesehen habe, sagt sie. Sie sei schon vom ersten Mal an dabei.

Ursprung war ein Streit um Lagerschuppen

Das erste Mal war im Jahr 2008. Vorhergegangen war dem Fest ein Streit um die sogenannte Blechbude in Wilhelmshall. Diese sollte abgerissen werden. Werner Gringmuth, Einwohner von Wilhelmshall, wollte das unbedingt verhindern. Denn diese Bude war das letzte Zeugnis der reichen Industriegeschichte des Ortes Wilhelmshall. Sie war einmal ein Lagerschuppen und gehörte zu einer früher durch Wilhelmshall verlaufenden Bahnlinie. In ihr hatten Bahnarbeiter ihr Werkzeug gelagert. Die Bahnlinie war Teil eines Industriezentrums, in dem Kalisalze abgebaut und verarbeitet wurden, und in dem vor rund einem Jahrhundert 1.300 Menschen arbeiteten.

Nichts davon ist mehr vorhanden, außer eben die Blechbude. Deshalb wollten sie Gringmuth und seine Nachbarn erhalten. Sie schafften es, renovierten das kleine Gebäude und beräumten das Umfeld. Als sie fertig waren, veranstalteten sie ein Fest. Was ein kleiner Umtrunk werden sollte, wurde zum Volksfest. Fast 1.000 Gäste hätten sie beim ersten Mal gehabt. Elf Fässer Bier seien ausgeschenkt worden, erinnert sich Gringmuth. Danach hätten alle gesagt: "Das musst du noch mal veranstalten", erzählt der Wilhelmshaller.

Neustart nach Corona-Pause fürs Wald- und Wiesenfest

Irgendwie schien das Fest auf der Wiese zwischen dem Wald und den letzten Häusern von Wilhelmshall genau das zu sein, worauf die ganze Umgebung gewartet hatte. Seit 2008 wurde jedes Jahr gefeiert, aus der ganzen Umgebung reiste man per Fahrrad, Auto und vor allem per Kremsenwagen an. Nun ist Werner Gringmuth Ende Siebzig und hat die Organisation an den Förderverein zwischen Huy und Bruch abgegeben. Im Jahr 2019 hatte der Verein das Fest erstmals und auch erfolgreich veranstaltet. Dann kamen die Corona-Verbote und damit zwei Ausfälle. Vereinsvorsitzender Bernd Fuhrmeister ist froh, dass das Fest jetzt endlich wieder stattfinden konnte.

Größtes Fest im kleinsten Ort wird zur Tradition

Es sei eines der größten Feste der Gemeinde Huy, erklärt Fuhrmeister. "Eigentlich das größte Fest im kleinsten Ort", fügt er lachend hinzu. Es sei nun schon eine kleine Tradition entstanden und die müsse doch fortgeführt werden. Und weil das Blechbudenfest trotz herbstlichen Wetters jetzt wieder ein Erfolg war, wird es folglich im nächsten Jahr am vorletzten Augustwochenende sicher wieder ein großes Wald- und Wiesenfest – pardon, Blechbudenfest – im kleinen Ort Wilhelmhall geben.

MDR (Carsten Reuß, Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 19. September 2022 | 06:20 Uhr

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