1. DDR-Winterspiele 1950 Wie Schierke DDR-Wintersporthauptstadt wurde und wie wenig geblieben ist
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29. Februar 2020, 15:11 Uhr
Vor 70 Jahren fanden in Schierke die ersten DDR-Wintersportmeisterschaften statt. Die Stadt wurde dafür herausgeputzt, neue Sportanlagen gebaut, die alten modernisiert. Bis zu 20.000 Zuschauer besuchten die Spiele und Wettbewerbe. Zeitzeugen erzählen.
Auch wenn es im Moment nicht danach aussieht: Der Harz ist eine Wiege des Wintersports. In dem Mittelgebirge gibt es eine große Wintersporttradition. Schierke am Brocken zum Beispiel warb einst mit dem Titel "St. Moritz des Nordens" um Gäste. Schon früh gab es hier Skihänge, Skischanzen, ein Eisstadion und eine Bobbahn.
Der 1909 gegründete Bobsleigh Club Schierke war der zweite Bobverein, der sich in Deutschland gründete, und 1911 gehörten die Schierker Bobfahrer zu den Gründungsmitgliedern des Deutsche Bobsleigh Verbandes, einer Vorgängerorganisation des heutigen Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland.
Diese Traditionen spielten sicher eine Rolle, als die Sportfunktionäre der gerade gegründeten DDR entschieden, die ersten Wintersportmeisterschaften der DDR in Schierke durchzuführen.
Stadion für 15.000 Zuschauer
Eigentlich sollte es am 9. Februar 1950 losgehen, doch aufgrund schlechter Schneeverhältnisse musste der Termin verschoben werden. Ein später Wintereinbruch sorgte dann doch noch für schneereiche Winterspiele vom 28. Februar bis zum 4. März 1950.
Feierlich eröffnet wurden die Wintersportmeisterschaften am 28. Februar 1950 von Otto Grotewohl. Beim Regierungsempfang im Hotel Heinrich Heine übergab ihm der Postminister zwei Sonderbriefmarken. Später kamen auch Walter Ulbricht und Erich Honecker. Die damaligen hohen Funktionäre kamen damals alle nach Schierke.
Zuvor war in dem Harzort richtig rangeklotzt worden. Die Sportstätten wurden in kürzester Zeit modernisiert, teilweise sogar neu gebaut. Die alte Sprungschanze am Erdbeerkopf war nicht mehr zeitgemäß. Eine neue Schanze entstand am Eckerloch. Das Eisstadion wurde um zusätzliche Tribünen erweitert, so dass sie 15.000 Zuschauern Platz boten.
Zeitzeuge: Enthusiatische und überaus freundliche Zuschauer
Um die Zuschauer im Eisstadion kümmerte sich damals Gerhard Hannemann. Er war damals 21 Jahre alt, Kanusportler aus Halle und war zu der Zeit Teilnehmer eines Sport-Lehrgangs in Freyburg (Unstrut). Die gesamte Lehrgangsgruppe sei damals nach Schierke beordert und dann als Ordner eingesetzt worden, erinnert er sich.
Gerhard Hannemann wurde im Eisstadion eingesetzt. "Das hatte den Vorteil, dass ich mir alle Eishockeyspiele anschauen konnte", erinnert sich der heute 91-jährige Wernigeröder. Im Rahmen der Wintersportmeisterschaften wurde auch die erste DDR-Eishockeymeisterschaft ausgetragen. Erster DDR-Meister wurde damals die SG Frankenhausen, heute ein Ortsteil von Crimmitschau im Landkreis Zwickau.
Gerhard Hannemann erinnert sich an enthusiastische und überaus freundliche Zuschauer. Wahrscheinich habe das mit der Nachkriegszeit zu tun gehabt. Alle seien irgendwie froh gewesen, dass es wieder aufwärts ging, denkt er heute. Woran sich Gerhard Hannemann auch erinnert, sind die Massen an Zuschauern. "Die Straße war manchmal schwarz von Menschen", erinnert er sich. 15.000 Zuschauer sollen das Eishockeyfinale gesehen haben, mehr als 20.000 die Skisprungwettbewerbe.
Nachwuchssportlerin gewann Mandoline
Die Zuschauer seien wirklich zu Tausenden gekommen, bestätigt Ingrid Hintze. Sie war damals 10 Jahre alt und Teilnehmerin der Nachwuchswettbewerbe. Sie nahm am Rennrodeln teil, am Abfahrtslauf und am Slalomfahren. Die Slalomwettbewerbe wurden am Großen Winterberg ausgetragen, am damals berühmten Hang, auf dem schon die alpine Nationalmannschaft vor den Olympischen Spielen 1936 trainiert hatte.
"Ich habe damals bei den Wettbewerben einen Trainingsanzug, ein Paar Ski und eine Mandoline gewonnen", sagt Ingrid Hintze. Das Instrument liegt heute in der Schierker Heimatstube.
Ingrid Hintze erinnert sich an viele Schaulustige, die die Kurven der Bobbahn säumten, und an Tausende, die zum Skispringen ins Eckerloch kamen. Die seien sogar in Zügen und mit LKW dorthin transportiert worden, erinnert sich die heute 80-jährige. Am Eckerloch sei damals extra ein Haltepunkt der Brockenbahn gebaut worden, außerdem eine Überführung für die Abfahrtspiste, die am Brocken begann und dort über die Gleise führte.
Keine Sportstätte im Grenz-Sperrgebiet
Apropos Abfahrtspiste: Die berühmte "Brockenabfahrt" war 3,2 Kilometer lang und hatte 400 Meter Höhenunterschied. Neben der Teufelskanzel sei der Start gewesen und dann sei man den Knochenbrecher runtergefahren, erinnert sich Ingrid Hintze, dann durchs Eckerloch und bis zum Wasserwerk vor Schierke. Wer heute den Brocken erwandert, kommt an diesen Stellen vorbei. Allerdings erinnert nichts mehr an die alpine Piste, die damals auch die kleine Ingrid Hintze bewältigte.
Diese Eindrücke, der Neubau der Sportstätten und auch die Berichterstattung in Zeitungen und im Kino damals wirkten nach. Schierke erlebte einen Aufschwung, der bis 1961 anhielt. Dann wurde der Ort Teil des Grenz-Sperrgebiets. Slalomhang und Schanze lagen zu nah an der Grenze.
Wintersportwettbewerbe waren passé. Das war schmerzlich für Ingrid Hintze. "Man durfte nicht mehr zum Slalomhang oder zur Skischanze, die Bobbahn wuchs zu. Das habe ich als sehr traurig empfunden.", sagt die Schierkerin, die trotzdem dem Wintersport treu blieb.
Es bleibt das Eisstadion
Das trifft auch auf Gerhard Hannemann zu, der damals ja eigentlich Kanusportler war. 1964 zog er aus privaten Gründen nach Wernigerode und wurde Trainer der Ilsenburger Eisschnellläufer. Später trainierte er Gesundheitssportler. Das tat er viele Jahre, bis er sich vor eineinhalb Jahren im Alter von 90 Jahren zur Ruhe setzte.
Von den damaligen Sportstätten ist kaum noch etwas zu erkennen. An die Eckerlochschanze erinnert noch eine Schneise im Wald. Von der Bobbahn erkennen aufmerksame Wanderer noch die Mauerreste einiger Kurven. Auch die Wanderwegbezeichnung "Alte Bobbahn" erinnert an die einstige Sportstätte. Der Slalomhang am Großen Winterberg wuchs nach 1961 zu, liegt nach den Borkenkäferschäden der letzten Jahre jetzt aber wieder frei. All diese ehemaligen Sportstätten liegen heute im Nationalpark.
Einzig das Eisstadion konnte über die Jahre erhalten werden und kam schließlich als Feuersteinarena mit Kunsteisfläche und preisgekrönter Dachkonstruktion zu neuen Ehren. Die historischen Tribünen und der Kampfrichterturm sind noch erhalten und stehen unter Denkmalschutz.
Quelle: MDR/jh
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT | 09. Februar 2020 | 11:40 Uhr
HauRuck am 29.02.2020
Das sind für die Teilnehmer von damals bewegende Erinnerungen, ich habe den Eindruck, das eine wenig vorwärtsgedachte Entwicklung angestoßen wird, die Arena und das Parkhaus im Niemandsland sind Zuschußobjekte der Stadt, in der Arena wird mit gigantischem Energieaufwand Eis produziert, unverständlich für die Stadt Wernigerode, die sich gern mit Umweltpreisen schmückt, die ganze klimatische Entwicklung in Schierke wird nicht betrachtet, Wintersportwochen werden brav Jahr für Jahr ausgerufen, obwohl es eigentlich keinen Winter mehr gibt, der kommerzielle Fichtenacker im Landesforst wird bald verschwunden sein und dann hat man nur eine Idee, eine Seilbahn und Beschneiung zu bauen, mir kommt das so vor, als wenn die Touristikexperten keine Rezepte für die Zukunft von Schierke haben, alles rückwärtsgedachte Ideen, das ist auch der Unterschied zu den Wintersportereignissen in den DDR-Anfangsjahren, damals Aufbruchstimmung und Vorwärtsdenken, heute Verkrampftheit und keine neuen Ideen!