Zahnarzt und Fachangestellte behnadeln einen älteren Man im Behandlungsstuhl
Je weniger Zahnärzte es gibt, desto weniger Prophylaxe ist möglich. So steigt wiederum die Zahl der akuten Fälle. Bildrechte: MDR/Julia Heundorf

Praxen müssen schließen Zahnärzte suchen oft jahrelang nach Nachfolgern für ihre Praxen

Von Julia Heundorf, MDR SACHSEN-ANHALT

28. Januar 2024, 17:56 Uhr

Immer öfter werden in Sachsen-Anhalt Zahnarztpraxen ersatzlos geschlossen. Viele Ärzte finden einfach keine Nachfolger für ihre Praxis. So auch Ralph Buchholz in Burg. Darunter leidet die Versorgung im Land, im Jerichower Land ist die Lage besonders drastisch. Wenige junge Ärzte wollen aufs Land oder überhaupt eine eigene Praxis führen. Wenn Praxen schließen, fallen außerdem Arbeitsplätze weg.

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Seit 40 Jahren ist Ralph Buchholz in Burg Zahnarzt. Er ist 67 Jahre alt und will vorerst auch nicht aufhören: "Auf jeden Fall bis zur 70, wenn es gesundheitlich geht." Er denkt eher an die 73. Und an die neun Angestellten, deren Jobs an der Praxis hängen. Buchholz sucht seit Jahren nach einem Nachfolger oder Nachfolgerin für die Praxis – seit fünf Jahren intensiver, sagt er. Bislang ohne Erfolg.

Zahnarzt mit Dreitagebart, Glatze und dunkler Brille im Porträt
Ralph Buchholz ist 67. Bisher hat er keinen Nachfolger für seine Praxis in Burg. Bildrechte: MDR/Julia Heundorf

Buchholz ist einer von 13 niedergelassenen Zahnärzten in Burg und einer von 32 im ganzen Landkreis. Drei weitere Zahnärztinnen und -ärzte arbeiten als Angestellte in den vorhandenen Praxen. Mehr als 23.300 Menschen wohnen nach Angaben der Stadt in Burg und den umliegenden Orten, darunter etwa Niegripp und Parchau. Auf einen Zahnarzt kommen in Burg also knapp 1.800 Patientinnen und Patienten.

Jerichower Land: Immer weniger Zahnarzt-Praxen

Ein gutes Zehntel davon müsste die Praxis in der Martin-Luther-Straße kennen: Ungefähr 2.500 Namen sind in der Patientenkartei erfasst. Einige von ihnen seit 70 Jahren. Buchholz sagt: "Ich habe heute noch Patienten, die Anfang der 50er-Jahre zu meinem Vater in die Praxis gekommen sind." Die müssten sich – so wie alle anderen – einen neuen Zahnarzt suchen, wenn die Praxis geschlossen wird.

Aber: Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt prognostiziert, dass die Zahl der Praxen weiter sinken wird: In Burg wird die Zahl der Praxen bis 2025 auf 10 schrumpfen, in Genthin von 11 auf 7, auch in Möckern und Biederitz fällt – laut Prognose – bis nächstes Jahr je eine Praxis weg. Die Versorgung im Kreis wird dünn.

Von derzeit noch 35 praktizierenden Zahnärztinnen und-ärzten werden 2030 demnach nur 12 übrig sein, sollten keine nachfolgen. Die vergangenen Jahre zeigen den Trend an: Seit 2021 wurden zehn Praxen geschlossen statt weitergegeben. Eine Praxis wurde übernommen, eine wurde von einer Gemeinschaftspraxis zu einer Einzelpraxis umgewandelt.

Zahnarztpraxis in Burg findet keinen Nachfolger

Die Zahnarztpraxis Buchholz haben sich bereits mehrere Interessierte angeguckt, aber der derzeitige Inhaber sagt: Die Vorstellungen gehen auseinander. Und: Junge Ärzte und Ärztinnen wollen lieber angestellt arbeiten als eine eigene Praxis führen, so der 67-Jährige. Er kann das ein Stück weit verstehen: "Arbeite ich selbstständig, mache ich es selbst und ständig."

Zahnarztpraxis: Weißes Gebäude mit gläsernem Treppenhaus und zwei Stockwerken
Die Praxis von Buchholz liegt in einem Hinterhaus in Burg. Bildrechte: MDR/Julia Heundorf

Außerdem werde es einem nicht leichtgemacht: Die Bürokratie sei überbordend, es würden von außen Kosten in die Praxis getragen, die man stemmen müsse – etwa durch EU-Vorgaben, die angeschaffte Geräte erfüllen müssen – Telematik und generell die elektronische Datenverarbeitung.

Ralph Buchholz ist dennoch überzeugt, dass es sich lohnt: "Man ist sein eigener Herr", sagt er. Man müsse es wollen und man müsse dahinterstehen. Dann sei die Selbstständigkeit eine sehr schöne Sache. "Weil man es einfach selber gestalten kann." Es sei immer sein Lebensziel gewesen, selbstständig zu sein. Das habe er 1989 mit der Praxisübernahme erreicht. Nun wünscht er sich, dass jemand anderes eine Praxis und auch sein Team übernimmt.

Zahnarztpraxis in Gröbzig sucht über Soziale Medien Nachfolger

Nicht nur in Burg fallen Praxen weg – und damit auch Arbeitsplätze. Die Zahnarztpraxis Rinke in Gröbzig im Landkreis Anhalt-Bitterfeld sucht ebenfalls seit fünf Jahren intensiv nach einem Nachfolger oder Nachfolgerin, aber ohne Erfolg. Das Team produziert sogar Videos für Facebook, in der Hoffnung, auf diese Weise einen neuen Chef oder eine neue Chefin zu finden.

Die Mitarbeiterinnen wünschen sich auch deshalb eine Übernahme, weil sie weiter zusammenarbeiten wollen. Praxismanagerin Kerstin Rinke sagt: "Jeder Zahnarzt würde sich freuen über so ein eingespieltes Team." Aber wahrscheinlich ist, dass jede Angestellte sich einzeln etwas Neues suchen muss.

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Drei ZFA aus Gröbzig müssen sich wahrscheinlich bald neu bewerben. Für ihre derzeitige Praxis findet sich kein Nachfolger. Bildrechte: Zahnarztpraxis Rinke Gröbzig

Zahnmedizinische Fachangestellte werden weiter gesucht

Trotz Praxenschwund werden zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) jedoch überall gesucht, sagt Rinke. Einerseits wirke sich das Durchschnittsalter der Ärztinnen und Ärzte auf die Fachkräfte aus. Viele alte Kollegen und Kolleginnen hören demnach auf auszubilden, sobald sie beginnen, eine Ablöse zu suchen. So war es auch bei der Praxis in Gröbzig.

Andererseits würden viele ZFA aussteigen, weil sie schlecht bezahlt werden: "Der Beruf ist sehr anspruchsvoll", sagt die Praxismanagerin, "aber das wird oft von Praxisinhabern nicht gewürdigt." Und das, obwohl die Angestellten auch viel Prophylaxe machen.

Kosten steigen, wenn Vorsorge wegfällt

Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der kassenzahnärztlichen Vereinigung im Land, Dr. Dorit Richter, sagt: "Ohne regelmäßige zahnärztliche Kontrollen und Prophylaxe bleiben Zahnprobleme unentdeckt und unbehandelt."

Wen Praxen fehlen und Krankheiten wie etwa Karies und Parodontitis nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden, werden dadurch langfristig höhere Kosten entstehen, so Richter. Die Eingriffe würden dann komplexer und teurer.

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Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Über die Autorin Julia Heundorf macht Reportagen, Nachrichten und Social-Media-Beiträge aus Sachsen-Anhalt, vor allem zu Themen rund um Gleichstellung, Diskriminierung und Bildung im Land: Sie erzählt etwa, wie junge Frauen in Magdeburg durch sexuelle Belästigung gedemütigt werden und was die Landespolitik tut, um Frauen zu fördern.

Julia Heundorf kommt aus dem Landkreis Harz, hat in Halle und Frankfurt (Oder) studiert und in Italien, Bulgarien und Frankreich gelebt. Sie arbeitet seit 2020 bei MDR SACHSEN-ANHALT.

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 28. Januar 2024 | 19:00 Uhr

4 Kommentare

geradeaus vor 12 Wochen

Ja ganz genau, weil nicht nur die Zahnärzte schwinden sondern weil der Beruf ZFA ebenso seit vielen Jahren nicht mehr so angenommen wird wie noch vor 20-30 Jahren. So geht es vielen Praxen in ganz DE. Auch in Großstädten. Wenn eine Kraft (ZFA) wegfällt ist es nicht leicht Ersatz zu finden.

pwsksk vor 12 Wochen

Nein, es reicht nicht, das so zu schreiben.
Seit der Schröderregierung bastelte ein Herr Lauterbach im Hintergrund an einer privatwirtschaftlichen "Gesundheitsstrategie". Das Gesundheitswesen, Bildungswesen, Bahn und Energiewirtschaft gehören in staatliche Hände und unter Aufsicht dieser. Lauterbach hat dem Lobbyismus seiner Klientel und der Pharma Tür und Tor geöffnet. Ein funktionierendes Gesundheitssystem für alle kann nicht privat und schon gar nicht gewinnbringend betrieben werden.
Die SPD hat somit den schaffenden Bürger mit ihrer gesamten Politik seit über 25 Jahren nur geschadet. Weg von der sozialen Marktwirtschaft zu einem verkommenen Kapitalismus, in dem sich jeder nur die Taschen voll steckt...

Helmut Buech vor 12 Wochen

"Wenn Praxen schließen, fallen außerdem Arbeitsplätze weg." Ein paar Zeilen darunter. "Zahnmedizinische Fachangestellte werden weiterhin überall gesucht."

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