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Der Wiener Schriftsteller Michael Stavarič hat als Stadtschreiber zwei Wochen in Aschersleben verbracht. Von dieser Zeit berichtet er im Interview. Bildrechte: Yves Noir
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Für zwei Wochen hat der Wiener Schriftsteller Michael Stavarič in Aschersleben gewohnt. Die menschenleeren Nächte haben den Stadtschreiber ermutigt, einen neuen Stil zu probieren.

MDR KULTUR - Das Radio Fr 24.01.2025 16:58Uhr 07:34 min

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Nine Points of View Gute-Nacht-Geschichten für Aschersleben: Beobachtungen des Stadtschreibers Michael Stavarič

24. Januar 2025, 18:30 Uhr

Der Wiener Autor Michael Stavarič hat im Rahmen des Projekts "Nine Points of View" zwei Wochen als Stadtschreiber in Aschersleben verbracht – und sich vom Ort für neue Geschichten inspirieren lassen. Spaziergänge durch menschenleere Städte werden nun Ausgang für Gute-Nacht-Geschichten, die etwas anders sind. Mit Blick auf die politische Situation in Österreich und Beobachtungen im Osten hofft er auch, dass der Rechtsruck hier nicht noch stärker wird.

MDR KULTUR: Michael Stavarič, Sie sind Inlineskater und waren dafür sogar Dozent an der Sportuniversität Wien. Und Aschersleben hat als älteste Stadt des Landes Kopfsteinpflaster.

Michael Stavarič: Ein absoluter Albtraum für Inlineskater und Skater, wahrscheinlich auch nicht ideal für Radfahrer und alles, was rollt. Das ist mir gleich aufgefallen. Wien ist natürlich ein anderes Pflaster als das kleine Aschersleben. Trotzdem gibt es architektonisch im historischen Schnittbereich Dinge, die sich ähneln: Häuser, Ecken, Straßen, das Pflaster meinetwegen. Wenn man mitten in der Nacht durch Aschersleben geht und an einer Ecke stehen bleibt, das könnte auch grundsätzlich irgendwo in Wien sein – mal abgesehen von der Höhe der Häuser.

Und dann erkennt man plötzlich, Wien und Aschersleben sind sich gar nicht so unähnlich?

Sie sind sich aber dann umso unähnlicher in den Dingen, die man schnell zu vermissen beginnt, wie zum Beispiel gute Kaffeehäuser, eine Bar oder einen Plattenladen. Alles, was man irgendwie im urbanen Umfeld gewohnt ist.

Was ist das für ein Stadtgefühl für Sie?

Eines, das zum Arbeiten einlädt, weil es sehr wenig Ablenkung gibt. Sobald die Geschäfte zu haben, ist kein Mensch mehr auf der Straße. Man hat die Stadt nachts für sich. Ich bin auch ein paar Mal nachts spazieren gegangen, da ist es zum Teil wirklich menschenleer. Man fragt sich, wo sind die alle, verglichen mit Wien oder anderen Städten? Es ist etwas, das einem im Grunde sehr gut tut, weil man ein bisschen runterkommt. Und man hat Lust, zu schreiben und zu arbeiten.

Aschersleben
In Aschersleben habe sich Michael Stavarič vom hektischen Großstadtleben erholen können. Bildrechte: IMAGO/Ed Gar

Sie kommen aus einem Land, in dem eine rechtsextremistische Partei (die FPÖ) mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Nun sind Sie in einer Region, in der die AfD bei der Europawahl 30 Prozent der Stimmen gewonnen hat. Welche Fragen bewegen Sie da im Zusammenhang?

Man verfolgt auch die deutschen Verhältnisse und hofft immer, dass Deutschland sich möglichst lange gegen den Rechtsruck stemmen wird. Bei uns in Österreich hat das mit Jörg Haider begonnen und im Grunde waren die Rechten bei uns immer eine starke Partei, auch Regierungspartei. Sie haben noch nie den Kanzler gestellt, aber im Endeffekt ist das etwas, was zum österreichischen politischen Spektrum dazugehört.

Ich hoffe immer, dass Deutschland die klügeren Entscheidungen trifft und dass es als großes, wichtiges, gewichtiges europäisches Land eine andere Art von Stellenwert und Symbolkraft hat. Wenn ich mir die Weidel als Bundeskanzlerin von Deutschland vorstelle, dann ist das noch mal was anderes, als wenn ein Herr Kickl ein kleiner Bundeskanzler eines kleinen Landes wird.

Der österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen (L) empfängt den Bundesparteiobmann der FPÖ Herbert Kickl in der Hofburg
Der FPÖ-Perteiobmann Herbert Kickl hat sich im Wahlkampf als Volkskanzler bezeichnet und soll nun die neue Regierung von Österreich bilden. Bildrechte: IMAGO / photonews.at

Was waren denn die Beobachtungen in Ihrer Zeit in Aschersleben?

Ich bin ja regelmäßig in der ehemaligen DDR unterwegs, mit Lesungen in Mecklenburg-Vorpommern, in Frankfurt an der Oder, bei der Leipziger Buchmesse. Das heißt, es ist mir über viele Jahre schon vertraut, dass das die Gemeinden und Landkreise sind, wo die AfD sehr stark ist.

Dort höre ich auch sehr viel, weil ich viele Schullesungen mache, von Lehrerinnen und Lehrern, wie das bei ihnen an der Schule ist, welche Leute im Elternverein sitzen, wer vor allem Verantwortung übernehmen mag oder wer sehr engagiert ist. Meistens sind das Leute aus der rechten Szene im weitesten Sinne. In dem Sinne hoffe ich aber trotzdem, dass es deutschlandweit nicht schon jetzt zu einer großen Wende kommt.

Stadtschreiber sein bedeuetet auch, dass ein Text entsteht. Mögen Sie da schon etwas verraten?

Ich probiere etwas aus, das ich noch nie gemacht habe: Texte im Stil des Magischen Realismus. Nicht Fantasy, aber doch irgendwie in diese Richtung angelehnt. So ein bisschen spooky, aber im Grunde auch sehr essayistisch und erzählend. Sie spielen in Aschersleben und haben immer mit der Nacht und mit irgendwelchen komischen Ereignissen in der Nacht zu tun. Ich nenne es jetzt mal Gute-Nacht-Geschichten für Aschersleben, welche ein bisschen von der anderen Art sind.

Das Interview hat Ellen Schweda für MDR KULTUR geführt. Er wurde gekürzt und für die bessere Lesbarkeit redaktionell bearbeitet.

Redaktionelle Bearbeitung: tsa, td

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. Januar 2025 | 08:40 Uhr

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