Datenanalyse Wo sich Armut und Reichtum in Sachsen-Anhalts Städten ballen
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04. April 2024, 21:21 Uhr
In manchen Wohngebieten von Magdeburg, Halle und Dessau bezieht jeder Zweite Hilfe vom Staat, um genug Geld zum Leben zu haben. In anderen Vierteln ballen sich dagegen die Gutverdiener. Eine Analyse von MDR SACHSEN-ANHALT zeigt, wo besonders viele Arme und Reiche wohnen – und was daran so problematisch ist.
- Fast überall in Ostdeutschland ist die Armutsquote zuletzt gesunken. Die Trennung zwischen Armen und Reichen hingegen ist gestiegen.
- Besonders groß ist diese sogenannte Segregation in Halle und Dessau-Roßlau. In Magdeburg ist die Armut etwas gleichmäßiger verteilt.
- Viele Städte versuchen, die Entstehung von Brennpunkten zu verhindern und die Nachbarschaften zu durchmischen.
In Halle-Neustadt recken sich die Plattenbauten gen Himmel wie gigantische Legosteine. Die Mieten sind niedrig, die Löhne aber auch. Hier im Westen von Halle ballt sich die Armut der Stadt. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Menschen hergezogen, die auf Bürgergeld angewiesen sind. In manchen Straßenzügen in der südlichen Neustadt ist es mittlerweile mehr als jeder Dritte. Es scheint, als würden die Plattenbauten all jene aufsaugen, die sich das Leben woanders nicht leisten können.
Halle zählt zu jenen Städten in Deutschland, in denen die Trennung zwischen armen und reichen Bevölkerungsschichten besonders groß ist. Wissenschaftler sprechen von Segregation. "Wer es sich leisten kann, zieht in die besseren Viertel", sagt Marcel Helbig, Soziologe am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg. "Und wer es sich nicht leisten kann, landet fast automatisch in den benachteiligten Vierteln." So sei für jeden klar, wo die Wohlhabenden wohnen und wo die Armen.
Ballung von Armut in Ostdeutschland gestiegen
Helbig hat für 153 deutsche Städte mit mehr als 60.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ausgewertet, wie sich Armut und Wohlstand verteilen. Fast überall in Ostdeutschland ist die Armutsquote in den vergangenen Jahren gesunken, immer weniger Menschen sind auf Bürgergeld angewiesen. Die Segregation hingegen ist gestiegen. Das bedeutet: Der positive Trend ist nicht überall angekommen, die Kluft zwischen den Stadtteilen nimmt zu. Die Armut ballt sich immer mehr in Vierteln wie Halle-Neustadt.
Wie Armutssegregation berechnet wird
Helbigs Studie basiert auf Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA), die für jeden Quadratkilometer in deutschen Städten ausgewertet hat, wie hoch die Armutsquote ist. Menschen gelten demnach als arm, wenn sie Grundsicherung nach SGB II beziehen – früher Hartz IV genannt, seit vergangenem Jahr Bürgergeld. Dazu zählen nicht nur Arbeitslose, sondern auch all jene, die so wenig verdienen, dass ihr Lohn aufgestockt wird. Derzeit betrifft das in Deutschland rund vier Millionen Menschen.
Die Armutsquote in einem Wohngebiet beziffert den Anteil der Arbeitslosen und Aufstocker an allen Personen unter 65 Jahren. Die Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) beziehen sich nur auf Erwerbspersonen, da nur diese in die Zuständigkeit der BA fallen. Rentnerinnen, Selbständige und Beamte werden bei der Berechnung der Armutsquote also nicht berücksichtigt.
Der Segregationsindex gibt an, wie viele Menschen umziehen müssten, damit die Armutsquote in jedem Quadratkilometer einer Stadt gleich hoch ist. Bei einem Segregationsindex von 30 wären das 30 Prozent der dort lebenden Menschen in Grundsicherung. Im Vergleich zu früheren Auswertungen, bei denen die Daten zur Armutsquote nur auf Stadtteilebene vorlagen, ermöglicht dies einen genaueren Vergleich zwischen den Städten.
Dass die Trennung zwischen Arm und Reich in ostdeutschen Städten so groß ist, liegt unter anderem an ihrem kommunistischen Erbe. Großwohnsiedlungen gibt es zwar auch in Westdeutschland, allerdings nicht im selben Ausmaß wie in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen.
Als in den Jahren ab 2014 immer mehr Geflüchtete nach Deutschland kamen, landeten sie häufig dort, wo die Mieten niedrig waren und die Wohnungen leer standen: in den Plattenbauten. Die Zuwanderer seien also häufig in jenen Vierteln untergekommen, die "sowieso schon sozial benachteiligt waren", sagt Helbig. Damit werde "ausgerechnet jenen Gebieten eine Integrationsleistung abverlangt, die sie nicht immer erbringen können." In vielen westdeutschen Städten hätten die Neuankömmlinge sich dagegen stärker über die jeweiligen Stadtgebiete verteilt.
Halle: Viele arme Menschen in der Neustadt
Deutlich wird die Trennung zwischen Arm und Reich etwa in Halle. Die Stadt hat der Studie zufolge einen Segregationsindex von 43 – der siebthöchste Wert unter den 153 untersuchten Städten. Mit anderen Worten heißt das: 43 Prozent aller Menschen in Grundsicherung müssten umziehen, damit der Anteil im gesamten halleschen Stadtgebiet gleich hoch wäre.
Denn die Armut ballt sich in Vierteln, die vor allem durch ihre zahlreichen Plattenbauten geprägt sind. Hierzu zählt nicht nur das als sozialistische Planstadt erbaute Halle-Neustadt im Westen, sondern auch die Stadtteile Südstadt und Silberhöhe im Süden sowie Heide-Nord im äußeren Nordwesten. In diesen Vierteln beziehen zum Teil mehr als 30 Prozent der Menschen unter 65 Jahren Grundsicherung.
Armutsquote in Halle gesunken
Zwischen 2013 und 2022 sank die Armutsquote in Halle von 20 auf 16 Prozent. Erkennbar ist diese Entwicklung vor allem in zentrumsnahen, beliebten Stadtteilen wie der Altstadt, in der südlichen und nördlichen Innenstadt sowie im Paulusviertel, wo der Anteil der Menschen in Grundsicherung teilweise um mehr als zehn Prozentpunkte zurückging. In der südlichen Neustadt nahm die Armutsquote unterdessen in manchen Nachbarschaften um mehr als zehn Prozentpunkte zu.
Matthias Bernt zufolge liegt das vor allem daran, dass "Halle einen gespreizten Wohnungsmarkt hat": Die Unterschiede zwischen den Mietpreisen in der Innenstadt und Vierteln wie der südlichen Neustadt seien riesig.
Zuzug von Geflüchteten in die Stadt
Bernt arbeitet am Leibniz-Institut für sozialbezogene Raumforschung und hat ein Buch über Segregation in Halle geschrieben. In den vergangenen Jahren seien viele Geflüchtete aus umliegenden Landkreisen in die Stadt gezogen, wegen besserer Arbeitschancen, aber auch, weil es weniger Rassismus gebe. Gleichzeitig hätten in der Neustadt einige große Immobilienunternehmen Wohnblöcke aufgekauft. Deren Geschäftsmodell: wenig Sanierung, wenig Service, dafür sehr günstige Mieten.
Die Folge: Viele Geflüchtete und Arbeitslose landeten in der südlichen Neustadt. "Die Leute, die wenig Geld haben, wurden dorthingedrängt", sagt Bernt. Es habe eine "Armutszuwanderung" stattgefunden.
Die Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen auch, wie sich der Wohlstand in Sachsen-Anhalts Städten verteilt. Als Indikator hierfür dient ein Bruttoeinkommen von mehr als 4.800 Euro im Monat. In der südlichen Neustadt und auch in anderen Plattenbauvierteln liegt der Anteil an Gutverdienern demnach bei unter fünf Prozent. Menschen mit einem Monatseinkommen von mehr als 4.800 Euro leben vor allem in Kröllwitz, Dölau, Heide-Süd, dem Giebichensteinviertel und der Frohen Zukunft.
Armutssegregation in Dessau-Roßlau besonders groß
In Dessau-Roßlau ist die Armutssegregation sogar noch größer als in Halle. Der Segregationsindex liegt Helbigs Studie zufolge bei 50, der zweithöchste Wert unter allen untersuchten Städten. Jeder zweite bedürftige Haushalt müsste demnach umziehen, damit sich die ärmeren sozialen Schichten gleichmäßig über die Stadt verteilen.
Wie in Halle und anderen ostdeutschen Städten bilden auch in Dessau-Roßlau oft Wohnblocks eine Grenze zwischen Arm und Reich. Die Besonderheit hier: Auch in weiten Teilen des Stadtzentrums ragen die teils unsanierten DDR-Bauten in den Himmel – ähnlich wie in Dresden füllten sie die Lücken, die der Zweite Weltkrieg in ganze Straßenzüge gerissen hatte. So ist selbst der zentrale Stadtpark mit dem noch recht neuen Bauhaus Museum von einem Wohnviertel umschlossen, in dem jeder dritte Anwohner Grundsicherung bezieht. Auch die berühmten Y-Häuser gehören dazu.
Ebenso hoch ist der Anteil der Menschen in Grundsicherung etwas unterhalb der Innenstadt, im Quartier "Am Leipziger Tor", das sich weit in den Süden Dessau-Roßlaus zieht. Hinzu kommen Alten und Zoberberg im Westen der Stadt sowie der Südwesten von Roßlau.
Für die Stadtverwaltung liegen die Gründe für die starke Armutssegregation auf der Hand: Die betroffenen Quartiere seien insbesondere durch Plattenbauten und ein niedrigeres Mietpreisniveau bei gleichzeitig guter Verkehrsanbindung geprägt, was Menschen mit wenig Geld anziehe, so Anne-Christin Schönherr von der Stabstelle Sozialcontrolling.
Stigmatisierung der betroffenen Viertel
Dass die Segregation in den vergangenen Jahren noch zugenommen hat, ist aus Sicht des Sozialdezernats der Stadtverwaltung ganz natürlich. Die soziale und städtebauliche Struktur führe zur Stigmatisierung der Quartiere, was die Wohnentscheidung bestimmter Personengruppen beeinflusse. Übersetzt heißt das: Wohlhabendere Haushalte werden wohl eher abgeschreckt.
Eine ganz andere soziale Struktur zeigt sich dort, wo Dessau-Roßlau durch Einfamilienhäuser oder Bauten im Villenstil geprägt ist. Wohlstand fühlt sich insbesondere in den Stadtteilen Kochstedt, Ziebigk und Mosigkau wohl. "Teilweise werden hier Häuser im Bestand vererbt oder Bauflächen zur Wohnortnutzung ausgewiesen und verkauft", sagt Schönherr. Der Unterhalt für solches Eigentum bedürfe gewisser finanzieller Ressourcen. Entsprechend wohnten dort kaum Menschen unterhalb der Armutsgrenze.
Konzepte zur Problemlösung werden erarbeitet
Die Armutssegregation aufzubrechen, sei enorm schwierig, sagt Schönherr. Bauliche Investitionen in den Wohnraum – also etwa Sanierung und Aufwertung – seien nahezu unmöglich, denn höhere Mietpreise hätten eine Verlagerung des Problems in andere Stadtteile zur Folge.
Gleichzeitig würden sich viele Bewohner mit ihren Stadtteilen identifizieren. Eine Umfrage des Rathauses zeige, dass die Zufriedenheit groß sei. Doch auch hierin sieht Schönherr eher eine Gefahr, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen könnte. Mit einem Stadtentwicklungskonzept und Integrierter Sozialplanung wolle man das Problem angehen.
Gleichmäßigere Armutsverteilung in Magdeburg
Der Segregationsindex in Magdeburg liegt bei 34, was nur leicht über dem deutschen Durchschnitt ist – niedriger als in vielen anderen ostdeutschen Städten.
Das sei auch durch historische Zufälle bedingt, sagt Soziologe Helbig. Magdeburg wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerbombt, im Stadtzentrum gab es viel Platz. "Dadurch hatte man die Möglichkeit, die Plattenbauten besser in die Stadt zu integrieren", sagt Helbig. Anders als in Dessau-Roßlau führte das zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Armut.
Dennoch gibt es einige Viertel, in denen die Armut besonders hoch ist. In den Stadtteilen Leipziger Straße, Neue Neustadt, Neustädter Feld und in Teilen des Kannenstiegs leben besonders viele Menschen, die Grundsicherung beziehen. Vor allem die Neue Neustadt gilt als Problemviertel: Geschäfte stehen leer, das Stadtbild ist geprägt von Plattenbauten. Rund 30 Nationalitäten leben nach Angaben der Stadt Magdeburg mittlerweile hier zusammen.
Magdeburg: Ein Viertel fällt aus dem Muster
Insgesamt hat die Armut in Magdeburg zwischen 2013 und 2022 abgenommen, der Anteil der Menschen in Grundsicherung sank von 18 auf 14 Prozent. Auffällig sind jedoch die Plattenbauten östlich des Uniklinikums: In dieser Nachbarschaft hat die Armutsquote zwischen 2013 und 2022 um ganze 22 Prozentpunkte zugenommen. Mehr als 2.000 Menschen unter 65 Jahren wohnen hier. Rund die Hälfte von ihnen bezieht Bürgergeld, aber nicht einmal einer von 20 kommt auf ein Bruttoeinkommen von 4.800 Euro im Monat.
Wohlhabende Menschen wohnen in Magdeburg eher nicht im Stadtzentrum. Die Daten zeigen, dass östlich der Elbe mehr verdient wird – vor allem in den Stadtteilen Cracau und Prester, wo teilweise mehr als 30 Prozent der Anwohner ein Monatseinkommen von mehr als 4.800 Euro beziehen. Das verwundert nicht, sind doch gerade diese Stadtteile für ihre vielen alten und neuen Einfamilienhäuser bekannt.
Vor allem Kinder und Jugendliche leiden unter hoher Segregation
Helbig zufolge leiden vor allem Kinder und Jugendliche unter einer hohen Armutssegregation – zum Beispiel, weil es an positiven Vorbildern fehlt. "Wenn es in meiner Umgebung normal ist, dass man raucht oder sich ungesund ernährt, dann mache ich das auch eher", sagt Helbig. Auch Bildungschancen seien tendenziell geringer, etwa wenn in den Klassen viele Schülerinnen und Schüler sitzen, die kaum Deutsch sprechen. "Dann müssen Lehrer erstmal die Grundlagen beibringen, statt den Inhalten, die eigentlich auf dem Lehrplan stehen." Schulen in benachteiligten Vierteln falle es zudem häufig schwer, ausreichend Lehrkräfte zu finden.
Um die Entstehung von Brennpunkten zu vermeiden, versuchen viele Städte, die soziale Durchmischung ihrer Nachbarschaften anzukurbeln. Die Stadt München verpflichtet Investoren bei gewissen Immobilienprojekten, einen Teil der entstehenden Wohnfläche mit gedeckelten Preisen auf den Markt zu bringen. Wer Luxus-Penthäuser bauen will, muss in den darunterliegenden Stockwerken also zum Beispiel Wohnungen mit sozialverträglichen Mieten einplanen.
In München sind solche Maßnahmen schon deshalb erforderlich, damit die horrenden Wohnpreise ärmere Menschen nicht aus der Stadt vertreiben. Die Investoren stehen trotzdem Schlange. In ostdeutschen Städten wäre es bei ähnlichen Auflagen womöglich anders.
Brennpunkte vermeiden, Viertel aufwerten
Ein weiterer Weg: die benachteiligten Viertel aufwerten. Die Stadt Halle will laut eigenen Angaben attraktivere Wohnbedingungen in der südlichen Neustadt schaffen, zum Beispiel durch neu gestaltete Spielplätze und Grünflächen sowie modernere Betreuungseinrichtungen. Für eine bessere soziale Durchmischung sollen auf Freiflächen neue Einfamilienhäuser entstehen. Außerdem soll an der Kastanienallee für viele Millionen Euro ein neuer Bildungscampus errichtet werden.
Wir haben jahrzehntelang hingenommen, dass unsere Städte sich so entwickelt haben. Jetzt sind wir vor allem mit den Folgen beschäftigt.
Die Frage ist, wie viel Wirkung solche Maßnahmen entfalten können. Denn klar ist: Segregation ist ein natürliches Phänomen. Menschen mit ähnlichem kulturellem Hintergrund, ähnlichem Beruf, ähnlichem Alter oder ähnlicher finanzieller Lage haben sich schon immer in bestimmten Stadtteilen angesiedelt. Problematisch sei Segregation dann, wenn sie unfreiwillig geschehe und so groß sei, dass sie zu einer zusätzlichen Benachteiligung der Betroffenen führe, sagt Helbig. "Wir haben jahrzehntelang hingenommen, dass unsere Städte sich so entwickelt haben. Jetzt sind wir vor allem mit den Folgen beschäftigt."
Mehr zu den Daten
Die Einwohnerzahlen zur Berechnung der Armutsquote bzw. Wohlstandsquote hat das Unternehmen GfK Geomarketing im Auftrag des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) berechnet. Damit die Werte der Rasterzellen vergleichbar sind, haben wir in unserer Analyse nur Rasterzellen mit einer Einwohnerzahl von mindestens 250 berücksichtigt. Helbigs Studie “Hinter den Fassaden. Zur Ungleichverteilung von Armut, Reichtum, Bildung und Ethnie in den deutschen Städten” und die Daten zur Segregation sowie zu den Rasterzellen sind frei verfügbar.
MDR (David Wünschel, Felix Fahnert, Daniel Salpius, Fabian Frenzel)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 04. April 2024 | 21:45 Uhr
Anita L. vor 34 Wochen
Fatalistische Ideologien - "DIE halten mich dumm, DIE halten mich arm" - sind meines Erachtens nach die eigentlichen Dumm- und Armmacher. Denn sie suggerieren dem Menschen, dass er ja eh nichts dagegen tun könne.
Bildung, Arbeit, Lohn sind nichts, was "die" oder sonst irgendjemand einem "vorenthält" oder "zugesteht", selbst ein Kind "reicher" Eltern wird nicht durch den Reichtum klug. Und wer sich durch die - gemessen an der Zahl derer, die nicht "reich und vitamin-B-isiert" sind - doch sehr wenigen (wenn auch von bestimmten Kräften gern immer wieder populistisch vorgeschobenen) Beispiele nicht in ein fatalistisches Loch ziehen lässt, hat auch viel mehr Chancen, die vielen anderen Beispiele und Chancen zu ergreifen.
Anita L. vor 34 Wochen
"Sozialen Blasen bilden sich nicht nur dort."
Das habe ich ja auch gar nicht anders behauptet. In einer ausgeglicheneren Wohnumgebung sind diese "Blasen" aber eben auch das: ausgeglichener. Und es gibt bei allem Respekt nicht nur "arme" und "reiche" Wohnviertel.
Was den "Einfluss" angeht, ist mir auch das zu kurz und fatalistisch gefasst, denn "Einfluss" zeichnet sich eben nicht nur durch "Vitamin B" aus, sondern gerade durch alle äußeren Umstände. Außerdem wird "Vitamin B" meiner Ansicht nach (ebenso wie "Plattenbau") nur zu gern negativ bewertet.
Und das Thema Beteiligung gehört m.E. ebenfalls in die Kategorie "selbst erfüllende Prophezeiung". Wenn einem nur oft genug (z.B. von Eltern, Kumpels) mitgeteilt wird, dass "man ja sowieso nichts ändern könne", dann glaubt man das irgendwann einmal. Wenn die Eltern und die Eltern der Freunde/Schulkameraden sich nicht bilden, nicht zur Wahl gehen, auf Ämter und Behörden schimpfen - woher soll es ein Kind anders kennenlernen?
Anita L. vor 34 Wochen
Ich stimme Ihnen in so gut wie allen Dingen zu. Das Problem liegt meines Erachtens halt an dem "damals". Was "damals" revolutionär war, ist heute Standard, somit fällt der Besonderheitsbonus weg. Die revolutionären Wohnblöcke, in die meine Großeltern einst als tatsächlich "privilegierte" Bürger einzogen, sind heute abgerissen, weil ihre Sanierung viel zu teuer geworden wäre.
Was Ihren dritten Beitrag angeht, so scheint das "anstreben" allein ganz offensichtlich nicht auszureichen. Es bedarf offenbar mehr als der Bereitstellung von Ärzten und Einkaufsmöglichkeiten. Wo viele Menschen auf kleinem Raum wohnen, sind Probleme quasi vorhersagbar. Um noch einmal auf meine Großeltern (und Beispiele aus bekannten Kindersendungen) zurückzukommen: Wichtig für das Zusammenleben war auch die Organisation der Hausgemeinschaft. Das müsste heutzutage quasi freiwillig geleistet werden... Schwierig.