Niederdeutscher Dialekt Altmärker Platt: Gladigau wird zum Forschungsobjekt der Uni Magdeburg

29. Januar 2023, 08:29 Uhr

Gladigau in der Altmark ist nicht nur ein "Golddorf" – der Ort hatte beim Bundeswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" vor fünf Jahren die Goldmedaille geholt. Jetzt ist das Dorf auch "Referenzort Niederdeutsch" und wird zum Studienobjekt von Forschenden der Universität Magdeburg. Es geht um den niederdeutschen Dialekt Altmärker Platt.

Die Arbeitsstelle Niederdeutsch der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hat Gladigau zum ersten von insgesamt sechs Referenzorten für die niederdeutsche Sprache in Sachsen-Anhalt ernannt. Darauf sind einige Gladigauer stolz. Eine Auszeichnung ist das aber eigentlich nicht, eher eine Aufgabe. Eine Herausforderung.

Denn für die kommenden drei Jahre ist Gladigau Studienort, seine Einwohner quasi Studien-Subjekte. Die Wissenschaftler um den Projektleiter Christian Sadel wollen herausfinden, wie viele Gladigauer noch den Dialekt "Altmärker Platt" sprechen, zu welchen Anlässen sie das tun und worüber sie dann sprechen.

Daten sollen aktualisiert werden

In den 1990er Jahren sind schon einmal ähnliche Daten erhoben worden. Jetzt sollen sie aktualisiert werden. Nicht nur aus Forscherdrang: Die Ergebnisse haben möglicherweise unmittelbar Einfluss auf die weitere Förderung des Plattdeutschen durch öffentliche Kassen.

Zwar ist die niederdeutsche Sprache ein geschütztes Kulturgut. Die Europäische Charta verpflichtet die Politik, sich für den Erhalt der alten Sprache einzusetzen. In welcher Intensität sie das tun soll, ist allerdings nicht festgeschrieben. Nicht nur die Gladigauer befürchten, dass die Zuschüsse sinken könnten, wenn weniger Platt geschnackt wird. Weniger Fördermittel – das beträfe alle Orte in Sachsen-Anhalt, die die alte Mundart pflegen.

Gladigau ist Dialekt-Hochburg

Dabei ist Gladigau eine Hochburg des Altmärker Platt. Vor allem wegen des Dorftheaters, das gerade in seine 21. Spielzeit gestartet ist und in dem Gladigauer Laien-Schauspieler ausschließlich Komödien "up platt" (auf platt) zum Besten geben. Für eine gelungene Aufführung übersetzt Fachfrau Ursel Müller auch Texte aus dem Hochdeutschen oder aus anderen Mundarten ins Altmärker Platt.

Mit dieser Strategie ist das Dorftheater Gladigau äußerst erfolgreich. Etwa 800 Zuschauer kommen pro Spielzeit in den kleinen Ort in der Altmark. Prominenteste Fans sind Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und seine Frau, die sich kaum eine Aufführung pro Saison entgehen lassen.

Spielplan der 21. Spielzeit des Dorftheaters Gladigau "Männersnööv – jappst du noch oder büst du al doot?" Also: "Männerschnupfen – atmest du noch oder bist du schon tot?", so heißt das diesjährige Stück des Dorftheaters Gladigau. Premiere für den "Männersnööv" ist am 4. März. Bis dahin hat das Team des Dorftheaters mehr als 40 Proben hinter sich gebracht – ehrenamtlich.

299 Aufführungen hat es im Dorftheater seit Spielbeginn 2002 gegeben, es kamen in dieser Zeit mehr als 26.000 Zuschauer in das altmärkische Dorf.
Das diesjährige Stück ist das erste in der Geschichte des Dorftheaters, das in der Gegenwart spielt.

Mundart-Dorftheater zieht Jugend an

Das Publikum, sagt Norbert Lazay, Regisseur des Dorftheaters, Vorsitzender des Altmärkischen Heimatbundes und Pfarrer in Gladigau, hätte sich mit den Jahren verjüngt. Heutzutage säßen 40-, 45-jährige Menschen im Saal. Das sei ein Zeichen, dass das Interesse an der plattdeutschen Sprache noch lebendig sei.

So kommen Sie an die Eintrittskarten für das Dorftheater Gladigau Karten für die 18 Vorstellungen von "Männersnööv" gibt es wie gewohnt nur an einem einzigen Tag und nur vor Ort im Gladigauer Gasthof Roloff zu kaufen. Verkaufstermin ist der 18. Februar ab 8 Uhr. Hartgesottene Fans stellen sich für Tickets auch schon nachts ab 1 Uhr an.

Dagegen musste Ursel Müller vor wenigen Jahren ihre Plattdeutsche Sommerschule aus Altersgründen schließen. Jahrelang hatte sie in den Sommerferien neugierigen Kindern das Altmärker Platt in Sprüchen, Gedichten, Liedern und kleinen Sketchen beigebracht. Auch im Umfeld werden die plattdeutschen Aktivitäten immer weniger. Mehrere Plattschnacker-Gruppen lösten sich auf, weil ihre Mitglieder zu alt wurden. Lediglich die Orte Mieste und Flessau sind Hochburgen plattdeutschen Nachwuchses in Sachsen-Anhalt.

Niederdeutsch wird im ganzen Land erforscht

Wie es genau ums Plattdeutsche in Gladigau steht, werden die Forschenden der Uni Magdeburg nun herausfinden. Projektleiter Christian Sadel sagte MDR SACHSEN-ANHALT, man wolle zu niederdeutschen Stammtischen, in Familien sowie zu besonderen Anlässen vor Ort sein und die Menschen befragen.

Wer die anderen fünf Referenzorte Niederdeutsch in Sachsen-Anhalt werden sollen, hat Sadel bislang nicht verraten. Es würden insgesamt zwei in der Altmark ausgewählt, zwei in der Börde und zwei im Harz.

Mehr zur Forschung über Sprache

MDR (Katharina Häckl, Hannes Leonard, Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 27. Januar 2023 | 06:30 Uhr

1 Kommentar

kleiner.klaus77 am 29.01.2023

Eine Sprache stirbt nicht aus, wenn sie Alltagssprache ist und bleibt, also dass das plattdeutsche nicht nur einmal gelernt wird, sondern im Alltag auch angewendet wird!
Also im Alltag z.B im Radio gehört werden kann, in der Zeitung und den Büchern gelesen werden kann, gesprochen wird etc, nur so bleibt eine Sprache erhalten!

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