Drohnenaufnahme, Kirche St. Stephan und Burg, Altstadt, Kaiser- und Hansestadt Tangermünde
Eine Reise wert: Tangermünde zählt jährlich etwa 85.000 Übernachtungen. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Ein Euro pro Besucher Tangermünde erhebt Gästebeitrag ab Juli

01. März 2024, 11:23 Uhr

Nach jahrelangen Diskussionen hat sich der Stadtrat von Tangermünde zu einem Gästebeitrag durchgerungen. Ab 1. Juli sollen Touristen einen Euro pro Tag ihres Aufenthaltes bezahlen. Das könnte 100.000 Euro jährlich in die Stadtkasse spülen. Nicht alle halten das für eine gute Idee. Gerade, weil auch Tagesgäste zahlen sollen.

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Regine Schönberg führt als Gästeführerin in Tangermünde sehr gerne auswärtige Besucher durch die Hanse- und Kaiserstadt an der Elbe. "Ich bin dicht dran an den Leuten", sagt sie. Seit den 1990er Jahren zeigt sie professionell die Schönheit der kleinen Mittelalterstadt, die auch gerne mal als Filmkulisse verwendet wird.

Seit 2002 führt Regine Schöneberg ein Tourismusbüro in der Innenstadt, direkt gegenüber vom spätgotischen Rathaus. "Beim Gästebeitrag sind noch sehr viele Fragen offen", sagte die Tourismusexpertin MDR SACHSEN-ANHALT. Aus ihrer Sicht sei ein solcher Beitrag bei Übernachtungsgästen "legitim und durchsetzbar". Für problematisch hält sie, dass gleichzeitig auch bei Tagesgästen ein Euro als Pauschalbetrag erhoben werden soll. Wie das in der Praxis gehen soll, ist ihr bislang schleierhaft.

Menschenleere Straßen in Tangermünde bei blauem Himmel und Sonnenschein.
Die Hansestadt Tangermünde könnte etwa 100.000 Euro mit der Abgabe einnehmen. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Abgabe war seit Jahren in der Diskussion

Schon seit Jahren wird in Tangermünde immer wieder über eine Extraabgabe für Touristen diskutiert. Zumeist waren es die Touristiker selbst, die sich sperrten – auch aus Imagegründen. Den Beherbergungsunternehmen wird es dabei überlassen, den Beitrag für die Stadt von den Gästen einzukassieren. "Das ist ein Aufwand, von dem wir nicht unmittelbar etwas haben", sagt Hotelier und Gastronom Tiemo Schönwald ("Exempel Schlafstuben"). Als Mitglied der Freien Stadträte hat er am Mittwoch aber dennoch für die Einführung des Gästebeitrags in Tangermünde gestimmt.

Ein Mann mit Schlips und Jacket lächelt in die Kamera (Gastronom Tiemo Schönwald).
Gastronom und Stadtrat Tiemo Schönwald hat für die Abgabe gestimmt. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

"Es ist sinnvoll, wenn wir mit dem Geld mehr Leute in die Stadt holen oder auch Leuchtturmprojekte schaffen", sagt er. Es müsse jetzt aber jemanden geben, der die Sache in die Hand nimmt und dem Ganzen ein Ziel gibt. Die zweckgebundene Verwendung des Geldes ist in der nun beschlossenen Satzung zumindest schon verankert. "Es ist aber die Frage, wieviel Geld nach Abzug des Verwaltungsaufwandes übrig bleibt, sagt Gästeführerin Regine Schönberg.

Es ist sinnvoll, wenn wir mit dem Geld mehr Leute in die Stadt holen oder auch Leuchtturmprojekte schaffen.

Tiemo Schönwald Hotelier und Gastronom

"Ich hoffe, dass die Stadt eine Kosten-Nutzen-Rechnung gemacht hat", sagt Carla Reckling-Kurz. Sie ist Geschäftsführerin des Altmärkischen Regional- und Tourismusverbandes (ART), der die gesamte Region touristisch vermarktet und seinen Sitz in Tangermünde hat. "Es ist jetzt eine Entscheidung der Stadt", sagt Reckling-Kurz. Sie selbst habe zu einem abgestimmten Vorgehen mit anderen Städten in der Altmark geraten, gerade was zum Beispiel der Einsatz einer entsprechenden App angehe. Grundsätzlich sei es aber zu begrüßen, wenn Städte zusätzliche Einnahmen für touristische Maßnahmen zur Verfügung hätten. Dies sei eine freiwillige Aufgabe, und dafür hätten die Städte immer weniger Geld.

Auch Tagesgäste müssen zahlen

Ein Alleinstellungsmerkmal hat Tangermünde nun mit dem Gästebeitrag geschaffen, indem die Stadt nicht nur Übernachtungsgäste einen Euro pro Tag zahlen lässt, sondern auch Tagesgäste. "Da ist überhaupt nicht klar, wie das laufen soll", sagt Touristikerin Regine Schönberg. Sie selbst organisiert Stadtführungen für jährlich rund 8.000 Gäste. "Soll ich denen jeweils einen personalisierten Gästepass ausstellen?", fragt sie. Das sei ein großer Mehraufwand, den sie nicht vergütet bekäme. Außerdem gebe es noch eine große Dunkelziffer an Bus- und Schiffsreisenden, die ihre Stadtführer gleich mitbringen. "Wie sollen die erfasst werden?", fragt Schönberg.

Auch Gäste von Veranstaltungen wie dem Burgfest oder den beliebten "Offenen Höfen" im Advent sollen zahlen. Tausende Leute beleben dabei zusammen mit Einheimischen die Altstadtkulisse.

Zimmerschlüssel hängen an einer Hotelrezeption an einem Brett
In Sachsen-Anhalt werden ganz unterschiedliche Abgaben von Touristen erhoben. Bildrechte: picture alliance / dpa | Sven Hoppe

Kurtaxe, Bettensteuer & Co. Wittenberg ist der erste Ort in Sachsen-Anhalt, der eine reine Bettensteuer erhebt. Kurorte wie Bad Kösen, Bad Schmiedeberg und Bad Salzelmen erheben Kurtaxe. Gästebeitrag muss unter anderem in Halberstadt und Naumburg gezahlt werden. In Burg bei Magdeburg heißt die Abgabe Beherbergungssteuer.

Rechtlich handelt es sich um unterschiedliche Dinge, doch grundsätzlich wollen Orte mit vielen Besuchern auch von diesen profitieren und ihr Angebot weiter verbessern.

Die Verantwortlichen in Tangermünde möchten nach dem nun gefassten Beschluss alle diejenigen zu einer Infoveranstaltung einladen, die sich um Beherbergungsgäste kümmern. Immerhin hat die 10.000-Einwohner-Stadt rund 850 Betten. Laut Statistischem Landesamt gibt es jährlich rund 85.000 Übernachtungen in Tangermünde. Allerdings wird nicht nach Urlaubsgästen und solchen Gästen unterschieden, die beruflich in die Stadt kommen. Nur die Urlaubsgäste sind verpflichtet, den Obolus zu entrichten.

Überschlagen könnten etwa 100.000 Euro in die Stadtkasse gespült werden. Wohlweislich hat die Stadt bisher keine Summe im Haushalt eingeplant, da völlig offen ist, was letztlich herauskommt.

Bürgermeister stimmte als einziger dagegen

"Wir lassen das jetzt erst einmal anlaufen. Wir können im kommenden Jahr auch noch justieren", sagte Bürgermeister Steffen Schilm (parteilos) im Stadtrat. Er stimmte allerdings am Ende als einziger gegen die neue Satzung. Er sieht für die Einführung des Gästebeitrags zum 1. Juli noch "rechtlich dünnes Eis".

Wir lassen das jetzt erst einmal anlaufen. Wir können im kommenden Jahr auch noch justieren.

Steffen Schilm Bürgermeister Tangermünde

Laut Beschluss soll der Beitrag im Sommer eingeführt werden, allerdings nur für Gäste, die ab diesem Zeitpunkt buchen. Gäste, die schon jetzt gebucht haben oder dies bis zum 30. Juni tun, sollen verschont bleiben. "Das möchte ich noch mal rechtlich prüfen", sagt Schilm.

Blick auf den Yachthafen von Tangermünde in der Altmark
Blick auf den Yachthafen von Tangermünde: Es gibt neue Ideen für den Tourismus. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Gercke

Potenzial, um die Stadt touristisch noch aufzuwerten, gibt es allemal. Ein Investor plant direkt am Hafen Großes. Es soll dort ein Iglu-Dorf geschaffen werden. Außerdem sollen Hausboote im Hafen anlegen, wenn dieser endlich vom Schlamm befreit ist. Und eine ganz eigene Idee verfolgt der Bürgermeister selbst. Er möchte, dass die große Stadtmauer am Hafen mit Elbtor in den Sommermonaten als Theaterkulissen genutzt wird.

MDR (Von Bernd-Volker Brahms, Luise Kotulla)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. Februar 2024 | 07:30 Uhr

4 Kommentare

dieja vor 8 Wochen

Woran erkenne ich einen Tagestouristen? Muss jemand, der aus Schönhausen oder Jerichow zum Einkaufen kommt auch die Abgabe zahlen? Wird das Ordnungsamt aufgestockt, damit Job allen, die auf der Straße angetroffen werden, der Personalausweis kontrolliert werden kann. Diese Kontrollen kosten dann mehr als die erdachten 100000 €. Es ist allerdings fraglich, ob ein Spaziergänger in Tangermünde jedem Ordnungsamtsmitarbeiter seinen Ausweis zeigen muss. Ein Obolus für Übernachtungsgäste wäre leichter einzusammeln. Hier zeigt sich wieder Geldgier frisst Verstand.

ria vor 8 Wochen

Da müssen dann wohl wieder Stadttore aktiviert werden um auch die Tagesgäste abzukassieren. Es wird immer verrückter in Deutschland.

harzer vor 8 Wochen

Finde ich nicht Okay, denn Urlauber bringen der Stadt Einahmen in Gastätten, Hotels. Museen usw,! Tanken müssen die Besucher auch.

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