Imkertagung in Neschwitz Von Königinnen im Lockenwickler und der Wiege der Bienenzucht

26. Februar 2023, 21:28 Uhr

Im Herrschaftlichen Gasthof von Neschwitz bei Bautzen haben sich rund 200 Imker und Imkerinnen am Sonnabend zur Tagung getroffen. Im Mittelpunkt des fachlichen Austauschs stand die Zucht erstklassiger Bienenköniginnen. Erste Verfahren dazu hatte im 18. Jahrhundert ein Mann entwickelt, der aus Kleinbautzen in der Oberlausitz stammt. Sein Wissen ging um die ganze Welt. Nun soll er in seiner Heimat geehrt werden.

So muss es in einem Bienenstock zugehen. Es tönt vollmundig im beredsamen Gedränge, emsig bahnen sich die Teilnehmer der Imkertagung – ja, es sind viele Männer -  ihre Wege zu Gesprächspartnern, dem Kuchenbuffet und dem Tresen im großen Saal des Herrschaftlichen Gasthofes von Neschwitz. Es ist gerade Vortragspause.

Eben ging es um Adam Gottlob Schirach. Der sorbische Pfarrer, der im 18. Jahrhundert in Kleinbautzen lebte, gilt als eine Art Koryphäe in der Imkerei. "Er hat entdeckt, dass man durch geänderte Fütterung aus einem gelegten Ei, das eigentlich vorgesehen ist, eine Arbeiterin zu werden, eine Königin ziehen kann", erklärt der Dresdner Hobbyimker Benno Delenk. Damit war die Ablegerbildung und Bienenzucht geboren. "Einer unserer Vorfahren hat hier Pionierarbeit geleistet", fügt der 84-Jährige hinzu.

Einer unserer Vorfahren hat hier Pionierarbeit geleistet.

Benno Delenk Hobbyimker aus Dresden

Delenk ist selbst Sorbe, gebürtig aus dem unweit von Neschwitz gelegenen Neudörfel. In Dresden hält er seit 40 Jahren Bienen. "Ich habe bis zu 25 Völker gehabt". Jetzt seien es acht und er fühle sich auch als Senior mit seinem Hobby noch sehr wohl.

Von der Schirach-Lüge zum Imker-Revolutionär

Wie es nicht selten mit neuen Dingen ist, begegnete die Wissenschaft Schirachs Entdeckung im Jahre 1762 zunächst mit großer Skepsis. Es wurde sogar von der Schirach-Lüge gesprochen. "Das hat sich in der Imkerfachschaft damals eine Weile gehalten", erzählt Delenk. Aber die Praxis habe bewiesen, dass die Erkenntnisse des Pfarrers richtig waren. "Das hat sich dann schnell über viele Länder verbreitet."

Man konnte Bienenköniginnen haben, ohne auf die Schwärme zu warten.

René Schieback Sächsische Imkerschule

Schirach habe etwas entdeckt, was die Imkerei weltweit völlig veränderte, sagt Tagungsleiter René Schieback von der Sächsischen Imkerschule. Seien die Imker vorher den mit einer jungen Königin ausschwärmenden Bienen hinterhergelaufen, um sie mühsam wieder einzufangen, war nun kontrolliert Selektion und Zucht möglich. "Jetzt konnte man Bienenköniginnen haben, ohne auf die Schwärme zu warten", so Schieback.

Katharina die Große schickte Studenten

Sogar Katharina die Große habe aus Russland zwei junge Studenten nach Kleinbautzen geschickt, damit sie bei Schirach lernen sollten, nennt Schieback ein Beispiel. Schließlich sei die Imkerei damals ein wichtiger wirtschaftlicher Zweig gewesen. Honig wurde als Süßungsmittel und das Bienenwachs für Kerzen gebraucht.

Adam Gottlob Schirach * geboren am 5. September 1724 in Nostitz (Oberlausitz)
* gestorben am 3. April 1773 in Kleinbautzen

Er war ein sorbischer, evangelischer Pfarrer, Theologe, Naturwissenschaftler und Schriftsteller. Vor allem in seinen letzten Lebensjahren widmete sich Schirach der Bienenkunde und verfasste Bücher und Schriften zum Thema.

Ralf Kolbe, Berufsimker und Königinnenzüchter in seinem Imker-Großbetrieb im Harz, wendet heute täglich an, was Schirach damals erkannt hatte. In der Imker-Szene ist der Roßlaer fast schon ein You-Tube-Star. Zehntausende verfolgen seine Videos im Internet zu verschiedenen Themen der Bienenhaltung.

Der Königinnenmacher und das Geheimnis der Lockenwickler

"Die Biene hat mich schon immer fasziniert, vor allem, dass man züchterisch etwas bewegen kann", sagt Kolbe. Um die Anforderungen an seine Bienen ein bisschen zu steuern, wurde er Züchter. Man kann bei ihm Königinnen und schlupfreife Zellen der Buckfastbiene kaufen. Das ist eine Zuchtvariante der Westlichen Honigbiene, die im englischen Kloster Buckfast gelang.

Wenn bei Kolbe die Bienenlarven mit dem nahrhaften Gelée royale zu Königinnen herangefüttert werden, spielen auch Lockenwickler eine wichtige Rolle. "Wir nennen das Lockenwickler, aber das ist ein Käfig. Damit, wenn eine Königin schlüpft, sie nicht gleich die anderen Königinnenzellen auffrisst."

Wir nennen das Lockenwickler, aber das ist ein Käfig. Damit eine Königin nicht die anderen frisst.

Ralf Kolbe Berufsimker und Bienenzüchter aus Roßla

Denn in der Natur legt ein Bienenvolk mehrere Königinneneier an und die erste Königin, die schlüpft, sei dann "der Platzhirsch". Sie fresse die anderen Zellen auf. Kolbe will das als Züchter natürlich vermeiden und grenzt die Larvenwaben voneinander ab. "Zu DDR-Zeiten hat man dafür wirklich Lockenwickler verwendet", sagt er.

Zucht hin zu sanftmütigen Bienen

Die Bienenzucht sei gar nicht so kompliziert, meint der Imker Danny Wanzke, der im Berliner Raum 24 Bienenvölker besitzt. "Man kann auf gewisse Sachen hinzüchten: Schwarmträgheit, guten Honigertrag oder, dass die Bienen nicht so stechfreudig sind."

Der 38-Jährige kann sich noch gut an die Bienen seines Großonkels früher erinnern. "Da bist du zum Gartentor reingekommen und die haben dich gejagt. Aber heute kann ich in Badehose und Badelatschen an meinen Bienen stehen und da passiert gar nichts."

Ich kann in Badehose und Badelatschen an meinen Bienen stehen.

Danny Wanzke Hobbyimker aus Berlin

Schirach-Jahre rund um Bautzen ausgerufen

Für René Schieback ist die Imkertagung in Neschwitz auch der Startschuss, um zwei Jahre zum Gedenken an den Sorben Schirach auszurufen. Denn 2023 jährt sich zum 250. Mal der Todestag und im Jahr 2024 zum 300. Mal sein Geburtstag. Um den Imkerpionier zu ehren, ist in Kleinbautzen, wo die Idee der Bienenzucht ihren Anfang nahm, laut Schieback ein Pfad mit verschiedenen Tafeln über Adam Gottlob Schirach geplant. Hier werden noch Mitstreiter und Förderer gesucht.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 27. Februar 2023 | 14:30 Uhr

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