
Hoyerswerda Quark mit Leinöl: Seit 100 Jahren aus der Lausitz
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14. April 2024, 11:09 Uhr
Was macht den Oberlausitzer stark? Leinöl und Quark! Da ist sich zumindest Fritz Schkommodau sicher. Er ist der Enkel des Gründers der Lausitzer Ölmühle in Hoyerswerda. Die feiert ein ganz besonderes Jubiläum - und ist in den vergangenen 100 Jahren schon durch einige Höhen und Tiefen gegangen.
Es ist ein bisschen, als hätte man gerade ein erhitztes Körnerkissen aus der Mikrowelle genommen. Der Geruch aus der Produktionshalle liegt über dem ganzen Hof der Ölmühle. Hier - mitten in der Altstadt von Hoyerswerda - wird Leinöl gepresst, und zwar ausschließlich. "Wir sind die größte Leinölmühle Deutschlands", sagt die Geschäftsführerin Regine Jorga mit Stolz, während hinter ihr die wuchtigen, blauen Pressen dröhnen.
Wir sind die größte Leinölmühle Deutschlands.
Die spezielle Verarbeitung der Leinsaat hier in der Ölmühle, mache den Geschmack des Lausitzer Leinöls aus, verrät die 71-Jährige. Sie setzt dabei auf die guten alten Pressen aus den 1980er-Jahren. "Meine Maschinen kann ich sofort reparieren. Wir haben alle Ersatzteile da." Wären sie von einem anderen Hersteller, gebe es bei einer Havarie mindestens eine Woche Stillstand, ist sie überzeugt.
Leinölexpress beliefert die Läden
Stillstand kann die Lausitzer Ölmühle gar nicht gebrauchen. Gerade wird wegen der hohen Nachfrage im Drei-Schicht-System gearbeitet, um wöchentlich aus 50 Tonnen Leinsaat etwa 18.000 Liter Öl zu pressen. Die Produkte werden in ganz Deutschland verschickt und täglich beliefere ein Firmenfahrzeug - der "Leinölexpress" - Abnehmer im Umkreis von 100 Kilometern.
Die Lausitzer schwören auf ihr Leinöl.
"Die Lausitzer schwören auf ihr Leinöl", sagt Fritz Schkommodau. Man esse es nicht nur mit Kartoffen und Quark, sondern es eigne sich für viele Rezepte der kalten Küche. Er selbst stippe zum Beispiel sehr gern frisches Brot in Leinöl, wahlweise mit Salz oder Zucker überstreut.
Vor hundert Jahren blühte es auf Lausitzer Feldern blau
Der 81 Jahre alte Hoyerswerdaer ist der Enkel des Gründers der Ölmühle. 1924 - genau vor hundert Jahren - hatte sein Großvater Paul Schkommodau die Ölmühle errichtet. Später hatte sie sein Vater übernommen und er selbst hatte von der Wende bis 2009 das Geschäft geführt.
Zu seines Großvaters Zeiten blühte es auf vielen Feldern in der Lausitz noch blau. Das war der Lein, auch Flachs genannt, dessen Samen in umliegenden Ölmühlen traditionell zu Öl und Viehfutter verarbeitet wurde. Die Hoyerswerdaer Mühle hat sich durch alle Unwägbarkeiten bis heute gehalten. Einen Weltkrieg, die Verstaatlichung in der DDR, die Reprivatisierung über die Treuhand und eine Insolvenz hat der Betrieb durchgemacht.
Die Geschichte der Hoyerswerdaer Ölmühle
- 1924 Gründung der Bismarckmühle in Hoyerswerda durch Paul Schkommodau
- 1945 Namensänderung in Lausitzer Ölmühle
- 1950 Gesellschaftsgründung Lausitzer Ölmühle KG mit Friedrich Schkommodau
- 1972 Enteignung und Verstaatlichung in VEB Lausitzer Ölmühle mit Werksdirektor Otto Rehn
- 1990 Reprivatisierung der Lausitzer Ölmühle durch Fritz Schkommodau
- 2010 Neufirmierung der Lausitzer Ölmühle Hoyerswerda durch Regine Jorga und Hubert Solibieda
Mitarbeiter holten Ölmühle aus der Insolvenz
Es war verrückt, wie sich die Ölmühlen-Chefin Regine Jorga erinnert: Als die Firma im Jahr 2009 zahlungsunfähig war, arbeitete sie selbst dort bereits viele Jahre. "Meine Angst vor der Arbeitslosigkeit war größer als die vor der Betriebsübernahme." Also ging die damalige Buchhalterin gemeinsam mit den technischen Leiter Hubert Solibieda aufs Ganze und stellte im Jahr 2010 die Ölmühle neu auf.
Meine Angst vor der Arbeitslosigkeit war größer als die vor der Betriebsübernahme.
Die Entscheidung hat Regine Jorga nicht bereut. Trotz ihrer 71 Jahre denkt sie noch nicht an Rente. "Die Arbeit macht Spaß, und ich habe keine Lust zu Hause zu sein." Ihre 13 Mitarbeiter seien ein super Team, betont sie.
Leinsaat kommt aus Kasachstan
Weil in der Lausitz heutzutage kaum jemand Lein anbaut, kommt die Saat zum größten Teil aus Kasachstan. "Wir haben noch einen Leinanbauer bei Chemnitz." Er schaffe die Saat zum Pressen her und nehme die Reste als Futter für seine Schweine mit. Dadurch habe er eine regional geschlossene Kreislaufwirtschaft, beschreibt Regine Jorga.
Das aus dem Trester hergestellte Futtermittel ist auch bei Hunde- und Pferdebesitzern gefragt. Nicht nur, dass das Fell schön glänze, auch vor Koliken soll das magenberuhigende Futter schützen. So werde auch das Landesgestüt in Moritzburg beliefert, sagt die Ölmühlen-Chefin.
Dunkler Aufstrich fürs Brot
Für den Frühstückstisch der Zweibeiner hat die Ölmühle neben anderen Produkten die Lausitzer Creme im Angebot. Das ist eine dunkelbraune Paste aus Leinöl, die sich ein bisschen mit Erdnusscreme vergleichen lässt, aber eben mit Leinsamengeschmack.
Diese Creme gibt es auch vor Ort im Werksgeschäft. Hierher fährt die Bautznerin Gudrun von der Forst regelmäßig, um frisches Leinöl für sich und ihre Freundinnen und Verwandten zu kaufen. "Meine Tochter nimmt jeden Tag einen Löffel Leinöl. Wir essen es mit Quark und Kartoffeln", sagt die Rentnerin mit einem Lachen. Die Bautznerin schwört auf die magen- und darmschonende Wirkung. "Vor allem, wenn man Medikamente nimmt."
Tipp: Leinöl bleibt im Tiefkühler frisch
Leinöl ist ein sehr empfindliches Produkt und kann geschmacklich schnell umschlagen. "Am besten kauft man einen kleine Flasche und verbraucht sie innerhalb von zwei Wochen", sagt Regine Jorga. Sie hat aber auch einen Tipp, damit der Geschmack frisch bleibt. Die Flasche wird einfach ins Tiefkühlfach gelegt.
MDR (ama)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 12. April 2024 | 14:30 Uhr