Krankenhausreform "Die Nähe des Krankenhauses ist wichtiger als die Spezialisierung"

28. August 2023, 12:33 Uhr

Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Krankenhausrefrom beschäftigt auch hierzulande die Menschen. Mehr Zentralisierung und mehr Spezialisierung könnte vor allem für kleinere Kliniken das Aus bedeuten. In Reichenbach im Vogtland ist das Krankenhaus bereits jetzt zu. Der Netzschkauer Gerhard Dietel bedauert das. Als Schlaganfallpatient war er 2022 froh, dass dieses Krankenhaus in der Nähe war. Große anonyme Kliniken sieht er kritisch. Die Krankenhausreform ist auch Thema bei "Fakt ist!" am Montag im MDR FERNSEHEN.

Im Juli 2022 erleidet Gerhard Dietel aus Netzschkau im Vogtland einen Schlaganfall. Allerdings weiß er das zunächst gar nicht. "Ich hatte ganz untypische Anzeichen. Der Handteller und die Fußsohle haben zwar gebrannt und waren eingeschlafen, aber an einen Schlaganfall habe ich nicht gedacht", berichtet der 64-Jährige, der viele Jahrzehnte als Krankenpfleger tätig war.

Innerhalb kürzester Zeit seien auch die Gelenke sowie die Knie betroffen gewesen. "Ich habe meiner Frau gesagt: Irgendwas geht in mir vor." Kurz vor der Fahrt ins Krankenhaus habe er noch seine Haare kämmen wollen, aber es nicht mehr geschafft. "Ich bin linksseitig gar nicht mehr an den Kopf rangekommen", erinnert sich Dietel.

Im Notfall innerhalb von zehn Minuten ins Krankenhaus

In dieser für ihn dramatischen Situationen ist er vor allem über zwei Dinge dankbar: Seine Frau und das damals noch geöffnete Krankenhaus in Reichenbach. "Wenn meine Frau nicht zu Hause gewesen wäre, würde ich nicht mehr leben." Innerhalb von zehn Minuten hätte sie ihn von ihrem Zuhause im Netzschkauer Ortsteil Brockau ins Paracelsus-Klinikum nach Reichenbach gebracht.

Kleinere Krankenhäuser wichtig für die Erstbetreuung

Obwohl er später ins 45 Minuten entfernte Paracelsus-Klinikum nach Zwickau verlegt und erst dort der Schlaganfall diagnostiziert wurde, ist er froh, dass es die Erstbetreuung in Reichenbach gab. Er nimmt dabei nicht nur die Perspektive als Patient ein, sondern auch als jemand, der 30 Jahre in dem Haus als Anästhesiepfleger gearbeitet hat. "Ich sehe keinen Nachteil darin, dass ich zunächst in Reichenbach war und dann nach Zwickau gebracht werden musste." So sei in Reichenbach eine Blutentnahme und ein CT gemacht und der Befund nach Zwickau übersandt worden. Erst danach sei die Entscheidung gefallen, dass er nach Zwickau in die Neurologie müsse.

Meiner Meinung nach ist die Nähe erst einmal wichtiger als die Spezialisierung. Ich hätte noch ganze drei Stunden zu leben gehabt, weil es bei mir das Zentralhirn betraf. Von daher spielte die Nähe des Reichenbacher Krankenhauses eine zentrale Rolle.

Gerhard Dietel Rentner

Krankenwagen mit langen Anfahrtswegen

In der aktuellen Diskussion um die geplante Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plädiert er dafür, dass auch die kleinen Krankenhäuser im vertrauten Umfeld erhalten bleiben. Die Schließung des Hauses in Reichenbach hält er für einen großen Fehler. "Meiner Meinung nach ist die Nähe erst einmal wichtiger als die Spezialisierung. Ich hätte noch ganze drei Stunden zu leben gehabt, weil es bei mir das Zentralhirn betraf. Von daher spielte die Nähe des Reichenbacher Krankenhauses eine zentrale Rolle."

Gleichzeitig bekomme er mit, dass in den heutigen Zeiten, wo die kleinen Krankenhäuser zunehmend geschlossen werden, die Krankenwagen sehr lange bräuchten, bis sie da sind, weil sie beispielsweise aus benachbarten Landkreisen angefahren kämen.

Schlange stehen vor der Notaufnahme

"Freunde und Bekannte hier im ländlichen Raum berichten mir das in letzter Zeit regelmäßig. Außerdem ist oft auch kein Notarzt mit vor Ort." Nach der Ankunft gingen die Schwierigkeiten weiter. So würden sich vor den größeren Krankenhäusern mitunter Schlangen an Rettungswagen bilden oder sie müssten von Haus zu Haus fahren, um einen "Abnehmer" für ihre Patienten zu finden. "Auf diese Weise kann viel Zeit verloren gehen, bis ein Patient mit einer bestimmten Symptomatik einer Behandlung zugeführt wird", gibt Dietel zu bedenken.

Bei uns in Reichenbach hatten die Hausärzte immer einen Facharzt im Krankenhaus, den sie in kürzester Zeit an die Leitung bekamen. Da wurde vieles auf dem kleinen Dienstweg erledigt. Das wird mit nur noch wenigen großen Krankenhäusern schwieriger.

Gerhard Dietel Rentner

Kurzer Draht zwischen Hausarzt und Krankenhaus fehlt

Neben dem Faktor Zeit hat der 64-Jährige, der inzwischen im Ruhestand ist, noch ein weiteres Problem ausgemacht, das die geplante Krankenhausreform weiter verschlimmern könnte. "Bei uns in Reichenbach hatten die Hausärzte immer einen Facharzt im Krankenhaus, den sie in kürzester Zeit an die Leitung bekamen. Da wurde vieles auf dem kurzen Dienstweg erledigt. Das wird mit nur noch wenigen großen Krankenhäusern schwieriger. Da kennen sich die Leute oft gar nicht mehr untereinander." Die Ärzte in der Region bräuchten somit mehr Zeit, um Kommunikationswege mit verschiedenen Krankenhäusern aufrechtzuerhalten, zum Beispiel wenn es um Einweisungen geht. "Da sind große Probleme entstanden und die werden auch nicht weniger", sagt Dietel.

Ärztehaus als Ersatz für Reichenbacher Krankenhaus

Für die Zukunft hat der 64-Jährige vor allem einen Wunsch: "Das Krankenhaus in Reichenbach ist kaputt. Diese Möglichkeit ist leider vom Tisch. Ich bin aber dafür, dass dort schnellstmöglich ein Ärztehaus eingerichtet wird. Das wäre schon eine Errungenschaft für Reichenbach", sagt der Renter. Es gebe die vorhandene Bausubstanz, in der sich noch moderne Technik befinde. "Das wäre auch eine Chance, um das Fachpersonal zurückzuholen. 30 bis 40 Prozent der früheren Krankenhausmitarbeitenden sind sicherlich in der Lage, wieder in Reichenbach Fuß zu fassen", denkt Dietel. Er hoffe, dass die Politik das Vorhaben unterstützt, damit die Grundversorgung in Reichenbach wieder gewährleistet sei.

MDR (sth)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 28. August 2023 | 22:10 Uhr

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