Klima Dresdens Bäume verschwinden stetig aus dem Stadtbild

02. September 2022, 05:30 Uhr

Bäume sind für den Hitzeschutz unentbehrlich, doch der Dresdner Stadtraum verliert immer mehr von ihnen. Um über 700 Bäume hat sich der Bestand seit 2017 allein im öffentlichen Raum reduziert. Jetzt will Dresden den Anteil an begrünten Flächen mit einer Begrünungssatzung erhöhen.

Dresden hat seit 2017 allein im öffentlichen Raum 700 Bäume verloren

Bäume spenden Schatten, absorbieren Kohlendioxid, trotzen Frost und kompensieren Hitze. Bäume gelten im Klimaschutz als Alleskönner, als Allrounder, die besonders im Hitzeschutz und bei der Klimaanpassung von Städten unentbehrlich sind. Allerdings verliert Dresden kontinuierlich Bäume. Allein im öffentlichen Raum hat sich der Bestand seit 2017 um mehr als 700 Bäume reduziert. Das geht aus einer Anfrage von MDR SACHSEN an die Stadt Dresden hervor. Demnach sind genau 3.921 Bäume gefällt worden. Insgesamt 3.166 Bäumchen wurden neu gepflanzt. Hierbei handelt es sich nur um die Zahlen im öffentlichen Raum. Durch Bauarbeiten auf einst zahlreichen Brachen auf privatem Gelände dürfte die Gesamtzahl der verlorenen Bäume jedoch um einiges höher liegen.

Baumfällungen und Neupflanzungen in Dresden seit 2017 im öffentlichen Raum
Jahr Baumfällungen Neupflanzungen Differenz
2017 664 552 112
2018 702 631 99
2019 893 571 322
2020 827 628 199
2021 835 784 51

Bäume wie Juwelen behandeln

"Es ist extrem wichtig, Baumfällungen genau unter die Lupe zu nehmen", erklärt die Dresdner Meteorologin Astrid Zieman vom Projekt "HeatResilientCity" in einem Interview mit MDR WISSEN. "Bis ein großer Baum seine Wirksamkeit entfaltet, dauert es oft Jahrzehnte. Eine Ersatzplanung außerhalb der Hotspots hilft ja nur wenig. Wir sollten unsere Bäume wie Juwelen behandeln. Und auch an Wiesen denken." Laut Ziemann sei es nicht mehr zu verantworten, ausgewachsene Bäume zu fällen, sie wisse jedoch, dass "es hier Interessensgegensätze gibt". Ziemann forscht mit anderen Wissenschaftlern im Projekt "HeatResilientCity", das in diesem Jahr den Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhielt. In dem Modellprojekt werden Analysen und Maßnahmen zum Hitzeschutz im Dresdner Stadtteil Gorbitz sowie in der Erfurter Oststadt durchgeführt.

Bäume sind nicht einfach ersetzbar

"Ein Baum kann nicht ersetzt werden, er vereint ganz viele Funktionen. Es sollte ganz dringend abgewogen werden, ob es nötig ist, einen Baum zu fällen. Die Bäume, die wir haben, sind gut angepasst und eingewurzelt - wir sollten sie erhalten", sagt Ziemann. Bäume spendeten Schatten, filterten Feinstaub und gasförmige Stoffe. Zudem würden sie zum Lärmschutz sowie mit der Verdunstung zur Kühlung beitragen.

Verdichtung oft ein Grund für den Baumverlust

Den Wissenschaftlern des "HeatResilientCity"-Projektes zufolge sei oft eine Verdichtung der Wohnbebauung ein Grund für den Baumverlust in Städten. Zudem hätten junge, neu gepflanzte Bäume gegenüber Großbäumen eine deutlich verringerte Kühlleistung, schreiben die Wissenschaftler in einer Publikation. Schon allein deshalb sei der "Erhalt von Großbäumen im Bestand" wichtig. Viele Stadtbäume hätten zudem wegen Hitzeschäden gefällt werden müssen. Oft seien die Baumscheiben und die Pflanzgruben für Bäume im Stadtraum zu klein. Neben der ohnehin grassierenden Trockenheit verschärfe sich somit der Wassermangel für die Bäume. Hinzu komme ein Belüftungsdefizit an den Wurzeln.

Leitungsträger in der Erde konkurrieren um Platz für Bäume

Ein weiteres Problem besonders bei Neupflanzungen sei die Konkurrenz von Leitungen aller Art in der Erde. Trinkwasser, Strom, Fernwärme, Gas, Straßenbeleuchtung, Telekommunikation – alle diese Dinge müssen beim Pflanzen von Bäumen abgestimmt werden.

Dresden will mit Satzung mehr Grün in die Stadt bringen

Um mehr Grün in die Stadt zu bringen, will Dresden jetzt eine Begrünungssatzung aufsetzen. Nach Angaben der Stadt beraten die Stadträte in den Ausschüssen gerae einen entsprechenden Entwurf. "Ziel der Satzung ist es, den Anteil an begrünten Dachflächen, Fassaden und Freiflächen zu erhöhen. Der Stadtraum soll grüner werden", erklärte Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Bündnis90/Die Grünen). Nicht erst seit diesem Sommer sehe man die Auswirkungen der Klimaveränderungen in deutlich. "Die öffentliche Hand und private Akteure müssen dringend Maßnahmen ergreifen, die Dresden widerstandsfähig machen.“

Eva Jähnigen
Bildrechte: imago/Sven Ellger

Ziel dieser Satzung ist es, den Anteil an begrünten Dachflächen, Fassaden und Freiflächen zu erhöhen. Der Stadtraum soll grüner werden.

Eva Jähnigen Umweltbürgermeisterin Dresden

Viele Bausteine nötig

Laut Umweltamtschef Wolfgang Socher solle die neue Begrünungssatzung ein wichtiger Baustein in "der Vielzahl an Projekten und Maßnahmen sein". Der Klimawandel sei längst auch in Dresden angekommen. "Was heute noch als außergewöhnliche Witterung zu bezeichnen ist, wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter häufen und zum Normalzustand werden", sagt Socher.

Was heute noch als außergewöhnliche Witterung zu bezeichnen ist, wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter häufen und zum Normalzustand werden.

Wolfgang Socher Leiter des Umweltamtes Dresden

Ziel: Weniger Asphalt und viel Grün

Mit der Begrünungssatzung will die Stadt die Versiegelung gering zu halten und den Grünanteil erhöhen. "Baumpflanzungen als wirkungsvollste Maßnahme stehen im Vordergrund, ebenso wie der Rückhalt und die Speicherung von Regenwasser vor Ort", hieß es. Doch im eng bebauten Bereich sei es oft schwierig, Baumstandorte zu finden. Alternativ könnten Dächer sowie Fassaden begrünt werden. Laut der aktuellen Stellplatzverordnung ist es zudem untersagt, neue Parkplätze in der Stadt zu versiegeln. Sie müssen mit Rasengittersteinen wasserdurchlässig bleiben. Pro Parkplatz muss ein Baum gepflanzt werden.

Baumschutz auch auf privaten Grundstücken

Doch nicht nur im öffentlichen Raum, auch auf privaten Grundstücken sind Bäume mit der Gehölzschutzsatzung aus dem Jahr 2021 komplett geschützt. Demnach dürfen Bäume auf bebauten Grundstücken ab einem Stammumfang von 30 Zentimetern nicht gefällt werden – egal, ob es sich um Laub- Nadelbäume oder auch Nussbäume handelt. Auch Birken, Pappeln und Weiden stehen unter Schutz. Obstbäume dürfen ab einem Stammumfang von 60 Zentimetern nicht mehr gefällt werden. Geschützt sind auch Großsträucher und mehrstämmige Kleinbäume wie Rhododendron, Eibe oder Haselnuss ab 30 cm Umfang oder einer Höhe von fünf Metern. Laut Satzung spielt es keine Rolle, ob es sich um Wildwuchs oder gepflanztes Gehölz handelt. Unter bestimmten Umständen könnten Ausnahmen gemacht werden. Sie müssen jedoch beim Umweltamt beantragt werden.

MDR (kt)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL - Wetter | 02. September 2022 | 19:00 Uhr

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