Vor Gedenktag Holocaust-Leugner bei rechter Demo in Dresden gefasst

11. Februar 2023, 22:11 Uhr

Vor dem offiziellen Gedenken an die Zerstörung Dresdens im Februar 1945 war die Polizei bereits am Sonnabend mit einem Großaufgebot im Einsatz. An einem sogenannten "Trauermarsch" nahmen 1.000 Personen teil. Eine von ihnen wurde vom Staatsschutz gesucht und abgeführt. Gegen den Neonazi-Aufmarsch gab es zahlreichen Gegenprotest.

Bei einem Neonazi-Aufmarsch in Dresden hat die Polizei einen wegen Volksverhetzung gesuchten Mann aus Bayern vorübergehend festgenommen. Der 68-Jährige befinde sich in Gewahrsam, wie die Polizei am Sonnabendnachmittag mitteilte. Er soll am Freitag in einem sozialen Netzwerk ein Video gepostet haben, in dem er den Holocaust geleugnet hatte. Im Zuge der Ermittlungen des Staatsschutzes habe es Hinweise gegeben, dass er am alljährlichen sogenannten "Trauermarsch" der Rechtsextremen in Dresden teilnehmen wollte. Dort wurde er auch angetroffen und abgeführt.

Holocaust-Leugner stand in Dresden schon mal vor Gericht

Beobachtern zufolge handelt es sich bei dem Festgenommenen um den Holocaust-Leugner Alfred Schäfer. Er stand in seiner Heimat Bayern schon mehrfach vor Gericht. Nach einer Rede im Umfeld der Gedenkveranstaltungen der Zerstörung Dresdens im Februar 2017 musste er sich 2018 auch am Amtsgericht Dresden wegen der Verharmlosung der NS-Verbrechen verantworten. Dabei wurde er laut "Sächsischer Zeitung" zu einer Geldstrafe von 5.000 Euro verurteilt.

Gegendemonstranten postieren sich entlang der Strecke

Rund 1.000 Rechtsextreme hatten sich am Sonnabend zu einem sogenannten "Trauermarsch" versammelt. Kundgebung und Demonstration, zwei Tage vor dem offiziellen Gedenken an die Zerstörung der Stadt im Februar 1945, wurden von zahlreichen Gegenprotesten begleitet. Hunderte Menschen postierten sich entlang der Route des rechten Marschs mit Plakaten und beschallten den "Trauermarsch" mit Musik, als dieser sich vom Vorplatz des Hauptbahnhofs in Bewegung setzte.

Polizei hält wegen Quartzhandschuhen Gefährderansprachen

Vereinzelt bildeten Gegendemonstranten Sitzblockaden, die aber juristisch nicht so gewertet werden, weil sie nach einer gewissen Zeit wieder aufgelöst waren und die Rechtsextremen ihre geplante Route fortsetzen konnten. Mehrfach wurde die Demonstration der Rechtsextremen allerdings von der Polizei gestoppt. Sie hatten bei den Teilnehmern verbotene Quartzhandschuhe gesehen und entsprechende Gefährderansprachen gehalten.

Aus Sicht eines MDR-Reporters beliefen sich die Teilnehmerzahlen in etwa auf dem Niveau von 2019, vor der Corona-Pandemie. Der Protest in Sicht- und Hörweite sei stets gewährleistet gewesen.

Erste Polizeibilanz: Steinwurf auf Polizist, Verstöße gegen Versammlungsgesetz

Knapp 1.900 Polizisten sicherten den Tag in Dresden ab. Die Polizeidirektion Dresden wurde dabei von der sächsischen Bereitschaftspolizei sowie von Beamten aus Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen sowie der Bundespolizei unterstützt.

Insgesamt wurden knapp 20 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Gegen vier Teilnehmer des rechtsextremen Aufzuges wird wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Zwei weitere Teilnehmer müssen sich wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz verantworten.

Gegen einen 18-Jährigen vom Gegenprotest wird wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch ermittelt. Er soll versucht haben, eine Polizeisperrung zu durchbrechen. Ein weiterer 18-Jähriger soll einen Stein auf einen Polizisten geworfen haben, die Ermittlungen laufen. Der Polizist blieb unverletzt. Weitere Anzeigen wurden wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gefertigt.

Erhebliche Verkehrseinschränkungen in Dresden

Während der Demonstrationen gab es erhebliche Verkehrsbehinderungen in Dresden. Die Einschränkungen seien nötig gewesen, damit die Polizei ihre Aufgabe erfüllen konnte, sagte der Dresdner Polizeipräsident Lutz Rodig. Der Einsatztag sei dynamisch und herausfordernd gewesen. Es sei aber gelungen, die Proteste zu gewährleisten und ein Aufeinandertreffen beider Lager zu verhindern.

Gedenkveranstaltungen erreichen am Montag ihren Höhepunkt

Dresden war am 13. Februar 1945 und in den Tagen danach von britischen und amerikanischen Bomben zerstört worden. Nach Recherchen von Historikern verloren bis zu 25.000 Menschen ihr Leben. Rechtsextreme sehen darin ein Kriegsverbrechen der Alliierten und relativieren damit die deutsche Schuld am Ausbruch des Krieges. Zudem werden ihrer Ansicht nach die Zahlen der Opfer heruntergespielt. Erneut hatten sie ein Transparent dabei, auf dem von 350.000 Toten in Dresden die Rede ist.

Am kommenden Montag sind in Dresden zahlreiche Gedenkveranstaltungen geplant. Um 18 Uhr wird sich die Menschenkette wieder symbolisch um die Innenstadt bilden.

MDR (dkö/koh/ali/bdi)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 11. Februar 2023 | 19:00 Uhr

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