Blick in eine Ausstellung, auf der linken Seite stehen Statuen, auf der rechten Seite hängen schwarz-weiß Bilder an den Wänden
Die Ausstellung im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden widmet sich erstmals seiner eigenen DDR-Geschichte. Bildrechte: Anja Schneider

Die DDR, meine Arbeit und ich Wie das Hygiene-Museum in Dresden seine DDR-Zeit aufarbeitet

09. März 2024, 04:00 Uhr

Die neue Sonderausstellung im Deutschen Hygiene-Museum Dresden beschäftigt sich erstmals mit der Geschichte des Hauses von der Nachkriegszeit bis Anfang der 1990er Jahre. Im Zentrum von "VEB Museum – Das Deutsche Hygiene-Museum in der DDR" steht dabei das Museum als Produktionsbetrieb für anatomische Modelle und andere medizinische Lehr- und Aufklärungsmittel. Die Ausstellung soll zudem Einblicke und Rückschlüsse auf das Leben in der DDR ermöglichen.

Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden hat sich seit den 90er-Jahren immer wieder mit seiner langjährigen Geschichte auseinander gesetzt. In der aktuellen Sonderausstellung wird nun ein weiteres Kapitel: von der Nachkriegszeit bis Anfang der 90er-Jahre beleuchtet. In dieser Zeit wurde die Institution als "Museum vom Menschen" neu aufgestellt.

Museumräume wie Funktionsräumen eines VEB

Inszeniert ist die Ausstellung als Werksbesichtigung durch einen sozialistischen Produktionsbetrieb. Einzelne Themenbereiche sind zentralen Funktionsräumen eines VEB (Volkseigener Betrieb) nachempfunden: mit Musterraum, Werkstatt, Versandlager oder auch Direktorenzimmer und Frauenruheraum. Über den Begriff "VEB Museum" wolle man deutlich machen, dass der Betrieb und die Werktätigen in der DDR im Vordergrund standen, wie Kuratorin Susanne Wernsing erklärt. Für die Ausstellung seien zudem zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese Zeit im Museum miterlebt haben, befragt worden. In der Schau kommen sie in Videosequenzen immer wieder zu Wort.

Selbst wenn das Museum offiziell nicht als Volkseigener Betrieb galt, so war es doch wie ein hochspezialisierter VEB organisiert. Hergestellt wurden hier anatomische Modelle und andere medizinische Lehr- und Aufklärungsmittel. Dafür stehen beispielweise Exportschlager wie die anatomischen Gläsernen Figuren.

Offiziell unterstand das Deutsche Hygiene-Museum als staatliches Institut für Gesundheitserziehung direkt dem Ministerium für Gesundheitswesen. In dieser Funktion war es mit der Gesundheitsaufklärung der Bevölkerung betraut. Exemplarisch steht dafür die Figur "Kundi", das Maskottchen des Hygiene-Museums, mit dem Generationen von Kindern in der DDR freundlich-bestimmt Hygiene-Regeln beigebracht wurden.

Ausstellung
Das einstige Maskottchen “Kundi“, der freundlich-bestimmte Begleiter beim Händewaschen und Zähneputzen, wurde für die Ausstellung noch einmal reaktiviert. Bildrechte: Grit Krause

Die politische Dimension der Museumsproduktion

Inhaltlich widmet sich die Sonderausstellung der Geschichte des Museums in vier Abteilungen: "Netzwerk", "Macht", "Produktion" und "Klubhaus". Den Auftakt bildet dabei das weitverzweigte Netzwerk des Hauses. Zum einen betrifft das die Wanderausstellungen, die in Dresden konzipiert und weltweit gezeigt, aber eben auch die Produktion von Lehrmitteln, die in zahlreiche Länder exportiert wurden.

Bei ihrer Recherche im Museumsarchiv, in den Sammlungen, aber auch durch die Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitenden sei deutlich geworden, dass Mitte der 1950er Jahre sowohl in kapitalistische, als auch in sozialistische Staaten geliefert worden sei, so die beiden Kuratorinnen Susanne Wernsing und Sandra Mühlenberend. Und dass die DDR, beziehungsweise das Ministerium für Gesundheitswesen, zielstrebig Länder im sogenannten globalen Süden kontaktiert habe.

Historische Aufnahme mit Ho Chi Minh
Eine Führung durchs Hygiene-Museum war beliebter Programmpunkt bei internationalen Delegationsbesuchen, was u. a. der Exportförderung dienen sollte. 1957 war der vietnamesische Präsident Hồ Chí Minh zu Gast Bildrechte: Deutsches Hygiene-Museum Dresden

Damit verfolgte man letztlich auch das konkrete außenpolitische Ziel, als souveräner Staat von der Weltgemeinschaft anerkannt zu werden, was schließlich 1973 gelang. Die internationalen Handelsbeziehungen sollten das befördern. So gehörten zu den Partnern nicht nur die sogenannten Bruderstaaten oder Länder in Südostasien, sondern ab den 60er-Jahren auch zahlreiche Staaten auf dem afrikanischen Kontinent, in Südamerika, aber genauso in Nordamerika und Australien.

Der Einfluss der SED: Die Zensur im Museum

Thematisiert wird ebenfalls, wie groß der Einfluss der SED war, welche Rolle die Staatsicherheit spielte, aber auch, inwieweit Freiräume existierten, innerhalb derer das Museum agieren konnte. Sandra Mühlenberend berichtet, dass sich das Deutsche Hygiene-Museum zum Beispiel verpflichtet gefühlt habe, über Themen wie Umweltverschmutzung und die damit verbundenen Risiken für die Menschen aufzuklären. "Das wurde verfolgt bis Ende der 70er-Jahre. Als die Umweltverschmutzung in den 80er-Jahren richtig sichtbar wurde, hat das DHM diese Aufklärung jedoch komplett zurückgefahren, auch verordnet vom Ministerium", so Mühlenberend.

Ausstellung
Übermäßiger Alkohol- und Tabakgenuss waren in der DDR verbreitet. Mit zahlreichen Aufklärungskampagnen versuchte das Hygiene-Museum den Konsum einzudämmen. Leider ohne Erfolg. Bildrechte: Grit Krause

Das führte dazu, dass die betreffenden Ausstellungen, wie etwa zum Thema Wasser, abgebaut werden mussten. Während einer Podiumsdiskussion 1987 musste man sich dann dafür vor dem Publikum rechtfertigen. Die Veranstaltung wurde von der Staatssicherheit beobachtet und ausführlich dokumentiert. Das entsprechende Dokument ist in der Ausstellung zu sehen.

Der Bezug zu aktuellen Debatten ist erwünscht

Außerdem knüpft das Deutsche Hygiene-Museum mit der Ausstellung an derzeitige gesellschaftliche Debatten um Alltags- und Diktaturerfahrung in der DDR an. Mit dem Rückblick in den Mikrokosmos des Dresdner Museums soll "VEB Museum" einen generationsübergreifenden Austausch über das Leben im sozialistischen deutschen Staat und über den Systemwechsel nach 1989 anregen, aber auch zum Dialog zwischen Ost und West.

Plakat zu der AUsstellung "VEB-Museum" im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden
Die Ausstellung richtet sich sowohl an ein Publikum mit ostdeutscher Sozialisation als auch an Menschen, die nicht in der DDR aufgewachsen sind. Bildrechte: Deutsches Hygiene-Museum, Gestaltung: Alexander Glandien

"Wir sind gerade dabei, uns in die Deutungshoheit einzuschreiben, oder sie ein bisschen durcheinanderzuwirbeln", sagt dazu Direktorin Iris Edenheiser. Deswegen sei für sie zentral gewesen, viele Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu führen und diese Perspektiven in den Mittelpunkt zu stellen – in Zusammenhang mit der historischen Forschung.

Wir sind gerade dabei, uns in die Deutungshoheit einzuschreiben, oder sie ein bisschen durcheinanderzuwirbeln.

Iris Edenheiser, Direktorin des Deutschen Hygiene-Museums Dresden

Die Ausstellung "VEB Museum – Das Deutsche Hygiene-Museum in der DDR" soll dazu einladen, über Geschichte und aktuelle Kontroversen miteinander ins Gespräch zu kommen.

Mehr Informationen zur Ausstellung

"VEB Museum - Das Deutsche Hygiene-Museum in der DDR"
9. März bis 17. November 2024

Adresse:
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Lingnerplatz 1
01069 Dresden

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, letzter Einlass um 17:30 Uhr
Montag geschlossen, Ausnahme: wenn Feiertage auf einen Montag fallen

Eintritt:
Erwachsene 12 Euro, Ermäßigungsberechtigte 6 Euro, Kinder bis 16 Jahre frei

Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite.

Redaktionelle Bearbeitung: as

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