"Topografie der Sehnsucht" Pirna: 13 Künstler denken Caspar David Friedrich neu
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31. August 2024, 04:00 Uhr
Zu seinem 250. Geburtstag hat Caspar David Friedrich Hochkonjunktur – vor allem in Sachsen. Der Romantik-Maler ist eng mit der Sächsischen Schweiz verbunden. Nun hat ihm auch Pirna eine Ausstellung im Stadtmuseum gewidmet. Unter dem Titel "Topografie der Sehnsucht – Auf den Spuren Caspar David Friedrichs" interpretieren Künstler das Schaffen des wohl bekanntesten Romantikermalers neu. Wie der Name der Ausstellung andeutet, spielt die Landschaft der Region dabei eine besondere Rolle.
- Einige Werke sind nicht nur hinsichtlich des Stils modern, sondern wurden auch mit neuen Technologien wie 3-D-Scans entwickelt.
- Die Schau bietet eine große Bandbreite an verschiedenen Künstlern, von denen sich einige durch ungewöhnliche Arbeitsweisen auszeichnen.
- Dabei haben die Kunstschaffenden Friedrichs Werke nicht einfach reproduziert, sondern in ihrem ganz eigenen Stil neu gedeutet.
Dresden war einst das Zentrum der romantischen Malerei. Aber Maler wie Adrian Zingg, Anton Graff oder eben Caspar David Friedrich zog es in die Natur, besonders in die Sächsische Schweiz. Ein Grund für das Stadtmuseum Pirna, sich mit einer Ausstellung am Jubiläumsjahr zu beteiligen. Sie heißt "Topografie der Sehnsucht – Auf den Spuren Caspar David Friedrichs". 13 Künstlerinnen und Künstler sowie eine Lyrikerin zeigen, wie sie heute im Jahr 2024 auf die Romantik und auf die besondere Landschaft blicken.
Moderne Technik für die Kunst
Verdichtete Höhenlinien von Abbrüchen weiten sich zu Plateaus eines Hügels, bilden eine virtuelle Berglandschaft mit Tälern – das zeigen sechs Blätter von Hanne Lange. Sie sind aus einem Gedankenspiel entstanden: Wie lassen sich flüchtige Wünsche sichtbar machen? Sie nahm kleine Wachskörper vom Bleigießen und ließ daraus 3-D-Bilder scannen. Entstanden ist eine Topografie der Sehnsucht.
Für Maren Marzilger, die Kuratorin der Ausstellung, ist Langes Installation die titelgebende Arbeit der Schau. "Beim Gedanken an ihre Arbeit 'Berge, Insel, Wünsche' war das für mich einfach diese Vermessung von Dingen, diese topographische Zeichnung von Sehnsüchten." Sei sei damit die Topografie der Sehnsucht zusammen gekommen.
Für die Ausstellung hat Marzilger vor allem Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die in der Region leben oder in Leipzig und Dresden studiert haben. Zu ihnen gehört auch Ulrich Pandorf. Seine filigranen Silberstiftzeichnungen auf Bütten vermitteln die ungebrochene Faszination der Sächsischen Schweiz. Er verortet seine Skizzen von Sandsteinfelsen genau mit Datum. So wirken sie wie Tagebuchblätter. "Wir könnten uns quasi auch selbst auf die Wanderschaft begeben und schauen, von wo aus er diese Felsen gesehen hat und sie dann gezeichnet hat", hebt Kuratorin Marzilger die besondere Faszination an Pandorfs Werk hervor.
Radierungen am Berg
Auch Konrad Henker hat vor Ort in der Sächsischen Schweiz gezeichnet. Bei ihm sind große Radierungen zu sehen, zum Beispiel vom mehr als 3.000 Meter hoch gelegenen Brandenburger Jöchl in den Alpen. "Er nimmt seine Zinkplatten mit auf den Berg bei Eiseskälte und richtet sich dort dann wirklich für mehrere Wochen ein, lebt dort und fängt dann an, seine Platten zu radieren", erklärt die Austellungsleiterin. Das Besondere: Der künstlerische Prozess laufe dabei fast blind ab, so Marzilger, denn der Künstler sehe das Ergebnis erst nach dem Einfärben und Drucken im Atelier.
"Konrad Henker sieht sich selbst ambivalent zur Romantik", weiß die Kunsthistorikern. Zwar empfinde Henker eine klare Gefühlsnähe zur Natur, wolle die Schnee- und Berglandschaften jedoch nicht idealisieren – im klaren Gegensatz zu den Romantikern. "Denn seine Druckplatten entstehen direkt vor der Landschaft." Ganz anders als Caspar David Friedrich gearbeitet habe.
Matthias Lehmanns Faltengebirge aus weißem Papier wirken hingegen wie eine Parodie auf den Romantik-Kult. Der gebürtige Chemnitzer setzt sein kubistisch wirkendes Objekt wie einen Fremdkörper in den Raum und droht so auch die Poesie der Ausstellung zu sprengen.
Inspiriert von der Einsamkeit
Der 1959 in Dresden geborene Volker Lenkeit stilisiert auf drei schmalen, geteilten Bildtafeln die gesuchte Einsamkeit des menschenscheuen Malers Caspar David Friedrich und sieht Parallelen zur Klassischen Moderne. "Diese Einsamkeit ist eigentlich das, was bei den Surrealisten auftaucht", sagt Lenkeit. Deswegen habe der untere Teil der Bilder eigentlich immer einen leichten, surrealen Anklang. Dies sei vor allem bei den Landschaften von Max Ernst sieht", so .
Oben stehen die beiden "Mondbetrachter", der "Wanderer" und "Mann mit Dame im Boot" über den Worten "Nacht, Weite, Seele". In Wirklichkeit betrachten sie sich selbst. Schauen in sich. Lenkeit erklärt, dass er durch die Wahl des neutralen, blauen Hintergrundes das "Isolierte" hevorgehoben habe. "Für mich ist das Blau die Farbe der Romantik. Diese Worte, diese Begriffe purzeln nach unten und bekommen einen gewissen surrealen Aspekt."
Keine schlichte Reproduktion
Wirklich ins Auge fällt das Triptychon des Malers Christian Manss. Die drei fast gleichen Querformate einer schroffen Gebirgslandschaft heißen "Land der Opfer, Land der Täter, Land der Väter" und handeln von der Unschuld vom Land. Ein sich weitender roter Farbstrahl verbindet die übereinander gehängten Tafeln, das dunkle Gebirgsjoch immer breiter beleuchtend.
Dabei hat sich der Künstler kaum am Stil Friedrichs orientiert, wie er selbst erklärt: "Das habe ich jetzt nicht wegen Caspar David Friedrich gemacht, sondern diese geometrischen Formen nehmen in den unterschiedlichen Serien von mir immer schon Raum ein." Da gebe es nicht nur diesen Strahl, sondern zum Beispiel auch mal einen Kubus oder ein Rechteck.
Sehr anregend dürften auf den Betrachter auch die neun Collagen von Petra Lorenz wirken: "CDF – Briefe von Felsen und Wasser aus der Sächsischen Schweiz." Sie lesen sich wie Mail-Art-Briefe, auf denen sie alte Postkarten, Stempel, Fahrkarten, Rechnungen, die Handschrift und das Seitenprofil des Malers verarbeitet hat. Petra Lorenz habe sich von Friedrichs Art inspirieren lassen, verschiedenen Motive zu kombinieren: "Er hat hier einen Stein von der Ostsee in die Sächsische Schweiz sozusagen verlagert. Oder er hat verschiedene Bergspitzen oder Berg-Silhouetten zusammengefügt, die so gar nicht in Wirklichkeit existieren." So seien seine Bilder im Grunde auch Collagen.
Mehr Informationen zur Ausstellung
Topografie der Sehnsucht – Auf den Spuren Caspar David Friedrichs
31. August 2024 bis 3. November 2024
Adresse
Stadtmuseum Pirna
Klosterhof 2
Pirna
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag: 10 Uhr bis 17 Uhr
Mehr zur Ausstellung und dem Begleitprogramm erfahren Sie auf der Website des Stadtmuseums Pirna.
Redaktionelle Bearbeitung: tis, bh
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 31. August 2024 | 08:45 Uhr