Stadtratsdebatte im November Kultur-Kürzung in Dresden greifen Image der Stadt an
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05. September 2024, 16:21 Uhr
Dresden gilt als Kultur-Metropole – doch das Image ist bedroht. Wegen gestiegener Kosten muss im Doppelhaushalt 2025/26 gespart werden. Unter anderem soll die Kultur in der Stadt ungefähr 5 Millionen Euro weniger erhalten. Einige Tausendstel im Städtischen Haushalt, doch in den Einrichtungen greifen Sorgen um massive Programm-Einschnitte und Bedeutungsverlust um sich. Die Betroffenen zeigen sich schockiert.
- Kulturinstitutionen in Dresden fürchten um Bedeutungsverlust angesichts drastischer Kürzungen von ungefähr 5 Millionen Euro pro Jahr im neuen Doppelhaushalt 2025/26
- Stark betroffen wären Institutionen wie das Hygiene-Museum, das Europäische Zentrum der Künste in Hellerau, die Staatsoperette und die Freie Szene.
- Kulturbürgermeisterin Klepsch kritisierte die Pläne als unverhältnismäßig. Ab November wird im Stadtrat darüber beraten.
Große Dresdner Kulturinstitutionen sorgen sich angesichts von Kürzungsplänen um ihre Programme – und damit auch um das Image Dresdens als Kulturstadt. Den Plänen der Stadt zufolge müssen städtische Einrichtungen wie das Deutsche Hygiene-Museum, das Europäische Zentrum der Künste Hellerau oder die Staatsoperette in den Jahren 2025 und 2026 je 4,76 Millionen Euro sparen. Die Freie Szene muss demnach mit 785.000 Euro weniger auskommen.
"Die Millionen, die im Kulturbereich gespart werden, sind ein Tropfen im gesamtstädtischen Haushalt", meint Kathrin Kondaurow, Intendantin der Staatsoperette, im Magazin artour. Denn der Haushalt der Stadt Dresden umfasst rund 2 Milliarden Euro. Für die Kultureinrichtungen jedoch bedeuten die rund 5 Millionen sehr viel. Das meint auch Iris Edenheiser, Direktorin des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden: "Dresden muss sich fragen, in welcher Liga möchte es mit seinen Kulturinstitutionen spielen: Soll das Bundesliga sein oder doch Regionalliga?"
Hygiene-Museum fürchtet Millionen-Kürzungen
Fehlende Eigenmittel bedeuten auch den Ausfall von Fördergeldern. So müsste das Deutsche Hygiene-Museum nicht nur mit einem Verlust von 665.000 Euro rechnen. Da das Haus als Stiftung paritätisch von Stadt und Freistaat gefördert wird, verdoppelt sich die Einsparsumme: "1,33 Millionen weniger, die atmen wir tatsächlich nicht mehr so weg", kommentierte Museumsdirektorin Iris Edenheiser bei MDR KULTUR. Sie verwies darauf, dass das Ausstellungsprogramm bereits jetzt komplett aus Drittmitteln finanziert werde. Es sei ein Teufelskreis, so die Direktorin im Magazin artour: Weniger Geldmittel bedeuten weniger Sonderausstellungen, damit weniger Publikum und Aufmerksamkeit und schließlich weniger Finanzierung.
"Für unser Haus muss man dazu wissen, dass wir sowohl die Kosten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch die Kosten für das ganze Gebäude auf unserem Budget haben – das ist nochmal ein großer Unterschied zu den öffentlichen Institutionen", führte Edenheiser weiter aus. Sie fürchtet um das internationale Renommee, das über die letzten 30 Jahre auch durch viel beachtete Sonderausstellungen aufgebaut worden sei. "Dresden lebt ja auch von diesem Image in der Welt", erklärt Direktorin Edenheiser bei artour. "Kulturinstitutionen spielen eine große Rolle für das Bild, das Dresden in die Welt projiziert als weltoffener, wissenschaftsstarker Ort."
1,33 Millionen weniger, die atmen wir tatsächlich nicht mehr so weg.
Hellerau: Nur noch vier statt zehn Monate Spielbetrieb?
Dass drastische Kürzungen anstehen, war im Frühsommer bekannt geworden. Die Intendantin des Europäischen Zentrums der Künste in Hellerau, Carena Schlewitt, sieht das Profil des Zentrums gefährdet, das sich um Kulturvermittlung über die Grenzen hinaus engagiere. Die geplante Einsparsumme belaufe sich auf 600.000 Euro. Da bereits von der Beauftragten für Kultur und Medien Bundesmittel gestrichen worden seien, würden insgesamt 1,2 Millionen Euro fehlen. Sie sieht das Profil des Zentrums gefährdet, das sich um Kulturvermittlung über die Grenzen hinaus engagiere.
Kulturbürgermeisterin Klepsch konkretisierte, für Hellerau als Haus ohne eigenes Ensemble, das von internationalen Gastspielen und Koproduktionen lebe, bedeute die Kürzung "nur noch vier statt zehn Monate Spielbetrieb". Das erklärt auch Martin Heering aus der Verwaltung des Festspielhauses dem MDR: "Es ist nicht so, dass wir dann weniger opulent arbeiten, sondern wir arbeiten ab einem Punkt schlicht nicht mehr."
Staatsoperette, tjg, Bibliotheken und Freie Szene betrofffen
Für die Staatsoperette – Deutschlands einziges selbstständiges Operettentheater – sind 400.000 Euro weniger als 2023 geplant, für das auch überregional bekannte tjg. Theater Junge Generation 300.000 Euro, für die Bibliotheken ein Minus von 400.000 Euro.
Klepsch sagte MDR KULTUR, seitens des Kulturamtes sei man jetzt bemüht, "Vereine, Initiativen und Einrichtungen, die Mitarbeiter beschäftigen und ein ganzjähriges Angebot unterbreiten, so zu fördern, das sie nicht existenziell bedroht sind". Das bedeute aber außerdem, dass viele kleine Projekte nicht gefördert werden könnten.
Zu den ohnehin meist unterfinanzierten freien Trägern zählen über 70 Vereine und Institutionen. Einigen wurde bereits mitgeteilt, dass ihre institutionelle Förderung gestrichen werden könnte. Das international renommierte Filmfest Dresden gehört zwar nicht dazu, Festivalleiterin Anne Gaschütz rechnet auf Nachfrage von MDR KULTUR dennoch mit 15 bis 20 Prozent weniger Mitteln. Es ärgere sie, dass Kultur immer als etwas betrachtet werde, das ausschließlich Kosten verursache. Dabei profitiere die Wirtschaft der Stadt, "weil Leute nach Dresden kommen, die ein Hotelzimmer buchen, die Gastronomie vor Ort nutzen, wir die Gewerke bezahlen – das heißt: Das, was wir bekommen, geht mehrfach zurück."
Die Wirtschaft der Stadt profitiert auch von der Kultur.
Stadtrat berät Sparpläne ab November, Kulturbürgermeisterin: "Nicht sinnvoll"
Ab November werden die Kürzungspläne im Stadtrat debattiert. Daher müssen aus Sicht der Betroffenen jetzt Gespräche mit den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern geführt werden, der öffentliche Druck erhöht und die Konsequenzen deutlich gemacht werden. Beteiligen wird sich daran auch das Netzwerk Kultur Dresden, eine Interessengemeinschaft der Freien Szene. Sprecher Torsten Rommel vom Künstlerbund warnte bei MDR KULTUR davor, mit Kunst- und Kulturräumen auch Orte der Begegnung zu zerstören. "Wir beklagen, dass die Menschen nicht mehr diskursfähig sind und wir eine große Schwierigkeit haben, die Menschen zusammenzubringen, um sich über unterschiedliche Meinungen auszutauschen." Genau das finde in Kunst- und Kulturräumen statt. Die aber drohten nun wegzubrechen, so Rommel.
Angesichts eines Gesamthaushaltes der Stadt Dresden von 2,4 Milliarden Euro bezweifelt auch Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch die Verhältnismäßigkeit: "Bei aller Dramatik möchte ich hinterfragen, wie sinnvoll es ist, jetzt den Kultur-Bereich so zu beschneiden und damit krank zu sparen." Dort blieben strukturelle Schäden, ohne dass dem gesamten öffentlichen Haushalt wirklich geholfen sei. Kultur sei wie Bildung Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und wichtig für alle Generationen wie für eine befriedete Stadtgesellschaft. Darüber hinaus brauche, wer die internationale Halbleiterindustrie nach Dresden hole, auch ein Kultur- und Kunst-Angebot, "das da mithalten kann".
Kultur ist Teil der öffentlichen Daseinsvororge für alle Generationen wie für eine befriedete Stadtgesellschaft.
Die Kulturbetriebe wüssten längst, dass sie trotz Inflation und gestiegener Kosten für Honorare und Dienstleistungen einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts erbringen müssten. Das täten sie mit Einsparungen und Vermietungen. 2024 gelte bereits eine Sperre der Sachkosten von 20 Prozent. Eintrittspreise seien in diesem Jahr in allen Einrichtungen erhöht worden. Das sei aber mit Rücksicht auf Besucher und Nutzer nur begrenzt vertretbar und sinnvoll.
Ein Beschluss über die Sparpläne für die Kultur wird im März 2025 erwartet. Klepsch zufolge braucht es eine Fortschreibung des Zuschussbudgets von 2024, um wenigstens die kulturelle Infrastruktur zu erhalten. Orchester, Bühnen- und Museumsbetriebe seien an langfristige Verträge über mehrere Jahre im Voraus gebunden und zugleich Auftraggeber für die regionale Wirtschaft wie Handwerk und Dienstleister, betonte Klepsch.
Quellen: MDR KULTUR (Grit Krause), artour, dpa, Redaktionelle Bearbeitung: ks, tsa
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | artour | 12. September 2024 | 22:00 Uhr