Neu ab 1. Juli 2024 Was bedeuten Honorar-Untergrenzen für die Freie Kultur-Szene?
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01. Juli 2024, 11:00 Uhr
Faire Bezahlung und Wertschätzung von kreativer Arbeit – das vermissen viele freie Kultur- und Kunstschaffende. Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Claudia Roth, wirft sich in die Bresche. Ab 1. Juli gelten für Kultur-Projekte, die mindestens zur Hälfte vom Bund gefördert werden, Untergrenzen für die Künstler-Honorare. Die Leiterin des freien Theaters LOFFT in Leipzig, Anne-Cathrin Lessel, freut sich über die gute Nachricht. Nur was bedeutet sie konkret?
- Ab 1. Juli gelten für Kultur-Projekte oder Institutionen, die zu mindestens 50 Prozent vom Bund gefördert werden, sogenannte Honorar-Untergrenzen.
- Die Leiterin des freien Theaters LOFFT in Leipzig, Anne-Cathrin Lessel, hofft, dass Länder und Kommunen nachziehen.
- Beispiel Sachsen: Die angemessene Vergütung von Kunst- und Kulturschaffenden formuliert der Koalitionsvertrag als Aufgabe, die Empfehlungen der Kulturverbände werden laut Ministerium noch immer aufgearbeitet.
Kultur- und Kunstschaffende, die vom Bund geförderte Projekte realisieren, sollen ab 1. Juli Mindesthonorare erhalten. Nach Angaben des Deutschen Kulturrats gelten sogenannte Honorar-Untergrenzen, wenn die Fördermittel für Projekte oder Institutionen mindestens zur Hälfte von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien kommen.
Erstmals gebe es nun "eine Art verbindliche Regularie", freut sich die Leiterin des freien Theaters LOFFT in Leipzig, Anne-Cathrin Lessel, im Gespräch mit MDR KULTUR. Bereits vor zehn Jahren habe der Bundesverband Freier Darstellender Künstler (BFDK) eine erste Empfehlung erarbeitet, sagt Lessel als BFDK-Vorständin über den langen Weg. Sie verweist auf die oft prekäre Lage von freien Kultur- und Kunstschaffenden, die in der Pandemie besonders zu Tage getreten sei. Sie hoffe, dass Länder und Kommunen nun nachzögen.
In Zeiten klammer Kassen: Prioritäten statt "Projektitis"
Zugleich räumt Lessel ein, angesichts klammer Kassen sähen die nächsten Jahre auch für Kultur alles andere als rosig aus. Auf kommunaler und Landesebene herrsche "realer Pragmatismus". Dennoch sei es gerade für freie Kunst- und Kulturschaffende wichtig, eine Regelung zu haben, um selbstbewusst in Honorar-Verhandlungen zu gehen und die eigene künstlerische Leistung nicht unter Wert zu verkaufen.
Das könne für sie als Leiterin eines Theaters allerdings bedeuten, "sich bestimmte Dinge vielleicht nicht mehr leisten zu können – oder eben erst in zwei Jahren". Denn wenn ein Projekt teurer würde, sei für andere weniger im Topf. Das bedeute, die Prioritäten neu zu setzen. "Wir reden ja vielerorts von der 'Projektitis'. Weil die Budgets immer so klein waren, haben Künstler vier, fünf Projekte im Jahr machen müssen. Wenn die Budgets aber steigen, sind es vielleicht nur noch zwei." Auch das gehöre in die Betrachtung der Gleichung.
Es sei sowohl wichtig, weiter für die Erhöhung von Kultur-Budgets zu kämpfen als auch bei den Honorar-Untergrenzen zu einer Lösung zu kommen, betonte Lessel. Sonst verschiebe sich das Problem nur weiter. Wo Solo-Selbständige schon ihren Alltag kaum bestreiten könnten, bleibe natürlich auch nichts übrig für Rücklagen oder die Altersvorsorge.
Beispiel Sachsen: Ringen um Basis-Honorare
Die Honorar-Untergrenzen gelten laut Kulturrat nur für professionelle Künstlerinnen, Künstler und Kreative, "die ihrer Tätigkeit erwerbsmäßig nachgehen". Sie sollen eine Mindestvergütung gewährleisten, ohne jedoch konkrete Beträge vorzugeben. Orientierung böten die Honorar-Empfehlungen von Fach-, Berufs- oder Interessenverbände bzw. Gewerkschaften auf Bundesebene. Lessel zufolge wird bundesweit längst auch auf Landes-Ebene über eine faire Bezahlung für freie Kultur- und Kunstschaffende diskutiert.
Als Mitglied im Vorstand des Landesverbands der Freien Theater in Sachsen und vieler Fach-Jurys engagierte sich Lessel dafür auch im Kulturdialog "Zukunft Hoch K". Mit dem Format lud das sächsische Kulturministerium Akteurinnen und Akteure der Szene zwischen April 2022 bis April 2024 zum Austausch. Die angemessene Vergütung von Kunst- und Kulturschaffenden sei ein zentrales Thema, "das uns auch durch den sächsischen Koalitionsvertrag aufgegeben ist", heißt es dazu auf der Webseite.
Zum Stand der Dinge informiert Kulturministerin Barbara Klepsch dort in einer Mitteilung unter der Überschrift: "Die Basis-Honorare kommen" vom November 2023, die Landeskulturverbände seien Ende 2022 um Empfehlungen gebeten worden, wie angemessene Honorare und Vergütungen aussehen könnten. Diese Empfehlungen lägen seit Ende August 2023 vor und würden gerade "mit externer Unterstützung" aufbereitet.
Parallel finde ein Dialogprozess statt, da nicht nur über das Land oder die selbstständige Kulturstiftung des Freistaates Sachsen Fördermittel ausgereicht würden, sondern auch durch Kommunen und vor allem durch die Kulturräume in Sachsen. Das Anliegen könne so nur "im Rahmen einer kooperativen Kulturpolitik" behandelt werden, besonders "in fiskalisch schwierigen Zeiten".
Theater LOFFT in Leipzig
Am freien Theater LOFFT in Leipzig wird die Mixed Abled Company, die Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen vereint, noch bis Ende des Jahres durch Bund, Land und Kommune gefördert. Durch dieses Matching-Verfahren habe man drei Jahre kontinuierlich arbeiten können, erklärt Anne-Catrin Lessel abschließend im Gespräch mit MDR KULTUR. Ein Mix, der vieles möglich mache.
Das LOFFT wurde 2023 mit dem Theaterpreis des Bundes 2023 ausgezeichnet, für gelebte Weltoffenheit und Inklusion. Gegründet wurde das Leipziger Off-Theater vor rund 25 Jahren als Aufführungsort für freie Theaterprojekte, mittlerweile ist es auf dem Gelände der Baumwollspinnerei beheimatet.
Quellen: MDR KULTUR (Ben Garit Hernandez), Deutscher Kulturrat, Sächsisches Staatsministerium für Kultur und Tourismus, Politik & Kultur, Redaktionelle Bearbeitung: Katrin Schlenstedt
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 28. Juni 2024 | 13:15 Uhr