Straߟenbahnen stehen im Depot Angerstraߟe der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) in Leipzig.
Ohne Personal stehen Busse und Bahnen still. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

ÖPNV in Sachsen Kein Geld, kein Personal, keine Mobilitätswende

24. Januar 2024, 05:00 Uhr

Die Ampel-Regierung hat sich im Koalitionsvertrag auf den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs geeinigt. Doch in Sachsen geht es darum, das Niveau zu halten. Der Busfahrerberuf steht stellvertretend für ein Problem, das die Branche auf vielen Ebenen betrifft: Es fehlen Geld und Personal.

Im November 2021 will die Ampelregierung neue Impulse setzen, auch bei der Mobilität. Im Koalitionsvertrag legen die Regierungsparteien fest, dass die Nutzung des ÖPNV gefördert werden soll. Die Anzahl der Fahrgäste soll "deutlich gesteigert" und die Kapazitäten des ÖPNV verbessert werden. Auf diese Weise will man die Mobilitätswende vorantreiben. 

Leere Haltestelle der Leipziger Verkehrsbetriebe
Weniger Busse und Bahnen, leere Bahnsteige - ist das die Zukunft? Schon jetzt fehlen deutschlandweit Fahrer und Fahrerinnen im Nahverkehr. Und die Prognosen sind nicht gerade rosig: Bis 2030 gehen bundesweit etwa die Hälfte aller aktuellen Fahrer in Rente. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/Hendrik Schmidt

Für diese Wende braucht es auch den Busverkehr. Laut Statistischem Bundesamt war der Bus 2023 das mit Abstand am häufigsten genutzte Nahverkehrsmittel – noch vor der Straßenbahn und dem Regionalzug. Doch schon heute gibt es zu wenige Busfahrer im Nahverkehr.

"Der Mangel an Fahrpersonal, also auch bei Busfahrerinnen und Busfahrern, ist definitiv schon spürbar", erklärt der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) auf Anfrage. Ein Kontrast zu den Versprechen im Koalitionsvertrag und zu den klimapolitischen Zielen, die sich die Bundesregierung gesteckt hat.

Ausbau des Angebots nicht in Sicht

Für die Organisation und den Ausbau des ÖPNV sind in letzter Instanz die Kommunen verantwortlich. Damit die Ziele der Ampel zur Mobilitätswende umsetzbar sind, sollen Länder und Kommunen deshalb Geld vom Bund bekommen. Für Sachsen bedeutet das konkret rund eine Milliarde Euro für den Zeitraum 2022 bis 2031, erklärt das sächsische Verkehrsministerium auf Anfrage von MDR SACHSEN. In den vergangenen zwei Jahren seien diese sogenannten Regionalisierungsmittel vollständig an die kommunalen ÖPNV-Zweckverbände weitergegeben worden.

Das sächsische Verkehrsministerium verweist aber darauf, dass das Ziel aktuell darin liege, den Bestandsverkehr zu sichern: "Darüber hinausgehende zusätzliche Angebotserweiterungen sind mit diesen Mitteln nicht finanzierbar."

Um den im Koalitionsvertrag anvisierten Ausbau des ÖPNV-Angebots zu ermöglichen, gebe es derzeit weitere Gespräche zwischen Bund und Ländern. "In den Verhandlungen hat der Bund bisher keine zusätzlichen Mittel in Aussicht gestellt", so das Zwischenfazit einer Sprecherin des Ministeriums. 

Politik muss handeln

Neben dem Problem des fehlenden Personals besteht also das Problem der Finanzierung. Sabine Minet, Personalleiterin der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB), sieht in der langfristigen Finanzierung des ÖPNV eine Herausforderung, die kein Verkehrsunternehmen der Bundesrepublik allein lösen könne. "Das sind politische Entscheidungen, die da getroffen werden müssen. Und von denen hängen wir letztendlich mit unserer Branche ab."

Verdi: Angebot kann nur mit Mühe gehalten werden

Paul Schmidt vom Verdi-Landesbezirk für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nennt die Finanzsituation in den Verkehrsunternehmen "richtig prekär". Laut Schmidt sei man in Leipzig zwar zuversichtlich für 2024, weil man Zuschüsse von der Stadt Leipzig und den Kommunen erhalten habe. Doch dabei handele es sich lediglich um kurzfristige Lösungen: Die gesamte Branche sei chronisch unterfinanziert. ÖPNV-Unternehmen könnten nicht kostendeckend arbeiten. Die erhöhten Strom- und Dieselpreise der letzten Jahre hätten diese Situation noch schlimmer gemacht. 

Auch die Verkehrsgesellschaft Meißen teilte auf Anfrage mit, dass man nur mit Mühe das Fahrplanangebot aufrechterhalten könne. Der Personalmangel führe außerdem dazu, dass immer wieder Angebote eingeschränkt werden müssten und Fahrten ausfallen, schreibt der VDV. 

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Sachsen: Ehemaliges Schlusslicht bei der Bezahlung

Was die Suche nach neuem Personal oft erschwert, sind geringe Löhne. Die Bezahlung bei den sächsischen Verkehrsunternehmen war lange sehr schlecht - 2022 bekamen sächsische Busfahrer laut Entgeltatlas der Arbeitsagentur 2.908 Euro im Mittel. Nur in Brandenburg verdiente man noch weniger. 

Das hat sich mit den Tarifverhandlungen für den Nahverkehr Sachsen im April 2023 geändert: Alle großen sächsischen Verkehrsunternehmen haben eingewilligt, ihre Löhne schrittweise um insgesamt mehrere hundert Euro anzuheben. Damit liege Sachsen bei der Bezahlung mittlerweile vor Sachsen-Anhalt und Thüringen, so Verdi-Sprecher Paul Schmidt. 

LVB-Pressesprecher Marc Backhaus hofft, dass sich mit dieser Erhöhung auch mehr Menschen für den Job als Busfahrer interessieren: "Die Höhe der Löhne hat selbstverständlich Auswirkungen auf die Attraktivität der Beschäftigung, auch deshalb stehen wir zu einer Tarifbindung."

Eine S-Bahn fährt in den Haltepunkt Gröbers zwischen Halle/Saale und Leipzig. 3 min
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Zehn bis 15 Busfahrer gehen täglich in Rente

Wie in vielen Branchen verschärft schließlich auch der demografische Wandel den Personalmangel. Aktuell gibt es in Deutschland 90.000 bis 100.000 Busfahrer im Nah- und Fernverkehr, schätzt die Gewerkschaft Verdi. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen warnt: Bis 2030 gehen pro Jahr circa 4.000 bis 6.000 von ihnen in Rente. Denn die Hälfte aller aktuellen Fahrer ist bereits über 50 Jahre alt.  

In Leipzig setzen die LVB trotzdem auf einen Wachstumskurs: Man wolle "in den kommenden Jahren" 320 weitere Bus- und Bahnfahrer einstellen. Dabei helfen soll neben Plakat-Aktionen und Online-Kampagnen unter anderem die Rekrutierung von Fachkräften aus Ländern wie Vietnam. So wolle man dem Auftrag nachkommen, den Leipziger Bürgern zuverlässige und sichere Mobilität anbieten zu können. Ob dies langfristig gelingen wird, entscheidet sich nicht allein in Leipzig, sondern auch durch das Handeln der Bundespolitik.

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