Ein Straßenzug im Leipziger Stadtteil Connewitz, 2020
In Leipzig gibt es viele attraktive Stadtteile. Dementsprechend hoch sind die Mieten. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / Peter Endig

Mieterhöhungen Großvermieter erringt offenbar Erfolg gegen Leipziger Mietspiegel

09. Februar 2024, 15:09 Uhr

Nach Angaben der Stadt Leipzig wohnen mehr als 80 Prozent der Einwohner zur Miete. Doch bezahlbarer Wohnraum fehlt. Wenn es dann noch zu einer Mieterhöhung kommt, ist das für viele ein Schockmoment. Der Leipziger Mietspiegel soll Mietern Orientierung bieten. Doch aktuell steht er in der Kritik. Ein Immobilienkonzern versucht, ihn zu kippen, um Mieterhöhungen über Vergleichswohnungen durchzusetzen - offenbar mit einem ersten Erfolg.

Im Streit um den Mietspiegel am Amtsgericht Leipzig hat die Klägerseite - die private Wohnungsgesellschaft BCRE - offenbar einen ersten Erfolg errungen. Wie die "Leipziger Volkszeitung" am Freitag berichtet, ist in einem richterlichen Hinweis eine Mieterhöhung vom April 2023 nun prinzipiell für rechtmäßig erklärt worden. Den Parteien werde ein Vergleich vorgeschlagen, hieß es. Ein Fondsverwalter aus London hatte Anfang 2023 für die BCRE 2.700 Leipziger Wohnungen gekauft. Seitdem haben Mieterinnen und Mieter Schreiben über Mieterhöhungen erhalten, berichtet der Mieterverein Leipzig.

Mieterverein: Welle an Mieterhöhungen

Die Erfahrungen des Mietervereins in Leipzig zeigen, dass private Vermieter bei Mieterhöhungen mehr Miete verlangen als kommunale Wohnungseigentümer. "Wir erleben in den letzten zwei Jahren eine erhebliche Welle an Mieterhöhungen im gesamten Stadtgebiet von Leipzig", sagte Vereinsvorsitzende Anke Matejka im Gespräch mit MDR SACHSEN. Vermieter würden die Erhöhung dabei vor allem mit Verweis auf drei Vergleichswohnungen begründen. Weichen diese Begründungen vom Mietspiegel ab, sind sie nur in Städten ohne qualifizierten Mietspiegel zulässig.

Die Leipziger Innenstadt mit dem Cityhochhaus, dem Gewandhaus , Paulinum, dem Augustusplatz, der Oper und dem Krockhaus
84 Prozent der Menschen in Leipzig wohnen zur Miete. Im Juni 2023 hatte der Stadtrat einen neuen Mietspiegel beschlossen. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / STAR-MEDIA

Was unterscheidet einen qualifizierten von einem einfachen Mietspiegel? Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist. "Qualifiziert" ist ein Mietspiegel dann, wenn er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der nach Landesrecht zuständigen Behörde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist. Der qualifizierte Mietspiegel ist im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung anzupassen und nach vier Jahren neu zu erstellen.

Im aktuell diskutierten Fall wird auf den Mietspiegel 2020 Bezug genommen. Dieser sei, wie die LVZ weiter schreibt, nur bis Anfang August 2022 qualifiziert gewesen. Die nächste Datenerhebung habe erst im Oktober 2022 stattgefunden. Somit habe es zwischen dieser Zeit und Juni 2023 keinen qualifizierten Mietspiegel für die Stadt Leipzig gegeben. Der Leipziger Mietspiegel 2022 sei dann vom Stadtrat in Kraft gesetzt worden.

Anwalt: Auch Mietspiegel 2022 hat nur Indizwirkung

"Dem Mietspiegel in seiner jetzigen Form ist allenfalls eine Indizwirkung zuzusprechen, jedoch nicht die Eignung zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete", sagt Hans Jürgen Krapf von der Kanzlei Krapf Rechtsanwälte MDR SACHSEN Anfang der Woche. Der Leipziger Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht vertritt den Kläger, den Immobilienkonzern BCRE. Zu den am Amtsgericht Leipzig laufenden Verfahren wollte er sich nicht äußern.

Er erläuterte jedoch die Kritik: So sei von einer Zeitspanne von zehn Jahren ausgegangen worden statt diejenigen Mieten zu Grunde zu legen, die sich in den letzten sechs Jahren verändert haben. Weiterhin habe die Befragung auf freiwilliger Basis ohne Auskunftspflicht stattgefunden. Auch würde das Rechenwerk von dem abweichen, was bezüglich des Mietspiegels vom Stadtrat 2023 beschlossen worden war.

Dem Mietspiegel in seiner jetzigen Form ist allenfalls eine Indizwirkung zuzusprechen, jedoch nicht die Eignung zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Hans Jürgen Krapf Anwalt der Klägerseite

Mietspiegel sei ergebnisorientiert erstellt

Der vorgelegte Mietspiegel könne die ihm nach dem Gesetz zugewiesene Aufgabe gerade nicht erfüllen, so Krapf weiter. Weiterhin kritisiert er, dass das Sozialamt der Stadt Leipzig als Herausgeber des Mietspiegels genannt werde und nicht das Amt für Wahlen und Statistik. Er sei somit ergebnisorientiert erstellt worden, heißt der Vorwurf. Schaut man ins Impressum des aktuellen Mietspiegels zeigt sich, dass sowohl Mitarbeitende des Sozialamts als auch des Amts für Statistik und Wahlen an der Erstellung beteiligt waren.

Eine Frau mit vollen Einkaufstüten vor dem Eingang zu einem Haus
Deutschlandweit fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Schöning

Mietverein mit Appell für bezahlbaren Wohnraum

Anke Matejka vom Mietverein Leipzig verdeutlicht dagegen die grundsätzliche Notwendigkeit, dass sich Vermieter an den gültigen Mietspiegel halten. "Es gibt schon lange keinen ausreichend bezahlbaren Wohnraum in Leipzig mehr", sagte sie. Aktuelle Kaltmieten von teilweise 12,50 bis 13 Euro pro Quadratmeter könnten die meisten Leipziger Mieter nicht bezahlen. Vor allem würden auch Familienwohnungen gebraucht. Mieterinnen und Mietern, die jüngst mit einer Mieterhöhung konfrontiert wurden, rät sie, die mit den Kriterien des Mietspiegels zu prüfen. Wie es mit diesem nach der Bearbeitung der zahlreichen anderen Klagen weitergeht, bleibt abzuwarten.

Welche Daten liegen dem aktuellen Leipziger Mietspiegel zugrunde? * Die Adressen von 25.967 Haushalten wurden über ein Zufallsverfahren ermittelt.
* Nutzerinnen und Nutzer von 5.658 Mietwohnungen beantworteten einen Fragebogen. Diese kamen in die Auswertung.
* Die Befragung fand im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2022 statt.

MDR (sme/bbr)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 09. Februar 2024 | 07:30 Uhr

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