Zahlungsprobleme Wenn die Gas- oder Stromrechnung nicht mehr bezahlt werden kann
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22. September 2022, 20:16 Uhr
Alles wird immer teurer, auch die Preise für Gas oder Strom steigen und steigen. Die wichtigsten Infos darüber, was Menschen tun können, wenn sie in Zahlungsschwierigkeiten geraten.
Inhalt des Artikels:
- Was tun, wenn die gestiegenen Energiepreise nicht mehr zu bezahlen sind?
- Was unternehmen die Stadtwerke, wenn Kunden nicht mehr zahlen können?
- Wie werden Bürger bei den steigenden Energiekosten unterstützt?
- Gibt es staatliche Hilfe, wenn Rechnungen für Gas oder Strom nicht mehr bezahlt werden können?
- Gibt es staatliche Unterstützung, wenn der Betroffene ein Haus oder etwas Geld angespart hat?
- Müssen Hartz-IV-Empfänger mit Mehrkosten rechnen?
- Welche Fristen sind vor einer Abschaltung einzuhalten?
- Was tun, wenn eine Abschlag oder eine Rechnung falsch ist oder eine Leistung nicht erbracht wurde?
- Wann darf der Strom oder das Gas nicht abgeschaltet werden?
- Kostet eine Abschaltung Geld?
- Können Verträge mit Festpreisgarantien in der Laufzeit gekündigt werden?
- Kann der Gasvertrag auch während der Vertragslaufzeit gekündigt werden?
- Wer berät bei Problemen mit den Rechnungen für Energie?
- Ist die Zahl der Beratungen aufgrund von Zahlungsproblemen durch steigende Energiepreise bereits gestiegen?
Die Energiepreise steigen seit Monaten. Ab Oktober erhöhen viele Energieversorger ihre Gaspreise noch einmal deutlich. Welche Möglichkeiten haben Menschen mit niedrigem Einkommen und wann darf trotz Zahlungsrückständen der Gas- oder Stromanschluss nicht unterbrochen werden?
Was tun, wenn die gestiegenen Energiepreise nicht mehr zu bezahlen sind?
"Das Wichtigste ist, dass der Betroffene schnell aktiv wird und nicht versucht, das Problem zu ignorieren. Sonst wird es immer schlimmer", betont Schuldnerberaterin Gudrun Dietz vom Leipziger Caritasverband. Frühzeitig sollte der Kontakt zum Energieversorger aufgenommen werden. Möglich sind Ratenzahlung, höhere Abschläge bei Rückständen oder für kurze Zeit eventuell auch Stundungen. Natürlich sollte weiter darauf geachtet werden, möglichst wenig Strom oder Gas zu verbrauchen.
Das Wichtigste ist, dass der Betroffene schnell aktiv wird und nicht versucht, das Problem zu ignorieren.
Wenn absehbar ist, dass die Kosten für Strom und Gas deutlich steigen, könnten schon vor der Preiserhöhung die monatliche Abschlagszahlungen heraufgesetzt werden. Ein Wechsel eines Anbieters muss jedoch gut überlegt werden, weil viele Anbieter aktuell Neuverträge nur zu noch schlechteren Bedingungen anbieten.
Was unternehmen die Stadtwerke, wenn Kunden nicht mehr zahlen können?
"Für eine kurze Zeit sind Stundungen möglich", sagt etwa Sandra Fröhlich, Geschäftsführerin der Energieversorgung Inselsberg aus Waltershausen (Evi) im Kreis Gotha. Zum Beispiel wenn der Kunde für einige Zeit krank oder in Kurzarbeit ist. Oft könnten auch Ratenzahlungen vereinbart werden. Doch Marcus Zschornack vom Caritasverband Leipzig schränkt ein: Durch die Doppelbelastung wegen der laufenden Energiekosten und den zusätzlichen Ratenzahlungen kann es auch zu einer "massiven Belastung" für die Haushalte kommen.
Abschläge über eine Zeit zu strecken, sieht Geschäftsführerin Fröhlich als eine weitere Möglichkeit. Wegen der ebenfalls steigenden Belastung durch die weiter laufenden monatlichen Kosten sei das aber schwierig. Bei Kunden, die Probleme haben, die Rechnung zu bezahlen, arbeitet der Energieversorger Evi daher bereits seit Längerem mit Schuldnerberatung oder Verbraucherzentrale zusammen.
Fröhlich verweist aber auch auf die Möglichkeit, Vorkasse-Zähler für Strom und Gas einzubauen. Wie bei einem Prepaid-Handy können Kunden mit einer Guthaben-Karte einen Geldbetrag im Voraus einzahlen und diese sehen dort, wie viel Geld für Strom oder Gas noch zur Verfügung steht.
Wie werden Bürger bei den steigenden Energiekosten unterstützt?
Im September wird eine sogenannte Energiepreispauschale von 300 Euro für alle Arbeitnehmer, Selbstständige oder Elterngeld-Bezieher ausgezahlt. Ein Antrag ist nicht nötig. Zu beachten ist, dass die 300 Euro Bruttobetrag sind, der noch zu versteuern ist.
Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten. Das hat die Bundesregierung im dritten Entlastungspaket so entschieden. Diese ist allerdings einkommenssteuerpflichtig.
Außerdem ist ein Heizkostenzuschuss für Empfänger von Bafög und Wohngeld sowie Azubis, die eine Ausbildungshilfe beziehen, geplant. In Sachsen soll dieser im September 2022 ausgezahlt werden. Wann der Zuschuss in Thüringen und in Sachsen-Anhalt ausgezahlt wird, steht noch nicht fest. Die Höhe liegt zwischen 230 und 270 Euro. Zusätzliches Geld gibt es, wenn mehrere Personen im Haushalt leben. Ein Antrag ist ebenfalls nicht nötig.
Gibt es staatliche Hilfe, wenn Rechnungen für Gas oder Strom nicht mehr bezahlt werden können?
Ja. Es gibt staatliche Hilfen für Menschen, die bisher kein Hartz IV oder eine Aufstocker-Hilfe erhalten. Sie können einen Antrag auf Übernahme der Energieschulden beim Sozialamt oder beim Jobcenter stellen, wenn das eigene Gehalt nicht mehr für die steigenden Energie-Rechnungen ausreicht.
Beim Sozialamt sei der Antrag auf Übernahme von Energieschulden nicht so umfangreich und detailliert wie ein Hartz IV-Antrag, erklärt Carmen Liebmann vom Leipziger Sozialamt. Es werden aber nur Einmalzahlungen übernommen, also etwa eine zu hohe Nachzahlung oder aufgelaufene Schulden, die nicht mehr zu leisten ist. Das heißt: Zu hohe monatliche Abschlagszahlungen werden nicht übernommen. Beim Sozialamt können im Unterschied zum Jobcenter Studenten und Rentner einen Antrag stellen.
Auch hier gilt: Rechtzeitig kümmern. Wenn der Gas- oder Stromanschluss einmal gesperrt ist, kann kein Antrag mehr gestellt werden, denn rückwirkend ist keine Übernahme möglich. Ein Antrag wegen Energieschulden werde beim Leipziger Sozialamt in wenigen Tagen bearbeitet, heißt es beim Caritasverband. Zu beachten ist jedoch, dass der Betroffene keinen Kindergeldzuschlag, kein Wohngeld oder Bafög erhält.
Beim Jobcenter müssten Betroffene für eine Unterstützung bei den Energiekosten einen Hartz IV-Antrag stellen, erklärt Diane Wogawa vom Jobcenter Gera. Das ist jedoch nicht für Rentner oder Studenten möglich, weil Personen, die einen Hartz IV-Antrag stellen, grundsätzlich arbeiten gehen können.
Während es für Studenten den Heizkostenzuschuss gibt, können Rentner eine sogenannte Grundsicherung im Alter beantragen. Hier könnten einmalige Nachzahlungen, aber auch regelmäßige Stromrechnungen übernommen werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder eine Sperrung droht, informiert Marcus Zschornack vom Caritasverband.
Betroffene, die ihre Rechnungen für Strom oder Gas nicht mehr zahlen können, sollten zuvor jedoch klären, ob eine staatliche Unterstützung als Darlehen oder als Zuschuss möglich ist.
Gibt es staatliche Unterstützung, wenn der Betroffene ein Haus oder etwas Geld angespart hat?
Mit Einschränkungen: Für eine Unterstützung bei den Energiekosten gelte wie bei Hartz IV, dass das sogenannte Schonvermögen nicht überschritten werden darf, sagt Jobcenter-Sprecherin Wogawa. Geschützt sind, abhängig vom Alter, maximal 10.500 Euro an Erspartem sowie bis zu 50.250 Euro für die Altersvorsorge. Es wird jeweils im Einzelfall geprüft, wie mit dem eigenen Auto oder einem eigenen Haus umgegangen wird.
Müssen Hartz-IV-Empfänger mit Mehrkosten rechnen?
Nein. Bei Hartz IV-Empfängern werden die steigenden Energiepreise von den Jobcentern übernommen. Ähnliches gilt für sogenannte Aufstocker, deren Gehalt allein nicht zum Leben reicht. Diese bekämen anteilig die gleichen Leistungen wie Hartz IV-Empfänger, verweist Diane Wogawa vom Jobcenter Gera: "Dort werden also auch anteilig die steigenden Energiepreise übernommen". Beide sollten aber auf jeden Fall vor einer Änderung des Abschlags für Heizkosten zuerst mit dem Jobcenter sprechen.
Welche Fristen sind vor einer Abschaltung einzuhalten?
Der Energieversorger muss den Kunden zwei Mal darauf hinweisen, dass eine Abschaltung droht. Das erste Mal muss der Betroffene vier Wochen zuvor informiert werden. Mit der ersten Benachrichtigung muss der Energieversorger auch erklären, was getan werden kann, um eine Abschaltung zu verhindern. "Acht Werktage vor der Abschaltung muss dann der genaue Termin vom Versorger mitgeteilt werden", verweist Energierechts-Expertin Claudia Kreft von der Thüringer Verbraucherzentrale.
Was tun, wenn eine Abschlag oder eine Rechnung falsch ist oder eine Leistung nicht erbracht wurde?
Kreft empfiehlt bei einer möglicherweise fehlerhaften Rechnung, das Anliegen schriftlich als offizielle Verbraucherbeschwerde beim Energieversorger einzureichen. Eine Kopie davon mit Datum gut aufheben. Denn der Energieversorger muss darauf innerhalb von vier Wochen antworten. Wenn diese Beschwerde erfolglos sein sollte, kann ein für den Verbraucher, nicht aber für den Energieversorger kostenloses Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle für Energie eingeleitet werden. Ein Musterentwurf für eine Verbraucherbeschwerde finden Sie im Link.
Wann darf der Strom oder das Gas nicht abgeschaltet werden?
Eine Abschaltung darf erst erfolgen, wenn der Zahlungsrückstand mindestens 100 Euro beträgt und mindestens zwei Abschlagszahlungen nicht gezahlt wurden. Nicht abgeschaltet werden darf außerdem, wenn beim Betroffenen eine besondere Härte vorliegt, wenn laut Gesetz eine "Gefahr für Leib und Leben" besteht. Darunter könnte möglicherweise eine Schwangerschaft fallen, wenn Kleinkinder in der Wohnung leben oder der Betroffene eine Krankheit hat, zu deren Behandlung zu Hause etwa ein Stromanschluss oder eine Heizung nötig ist. Eine besondere Härte könnte gegebenenfalls auch vorliegen, wenn nach einem Abschalten des Stroms oder der Heizung die berufliche Existenz gefährdet ist. Die Verbraucherzentrale oder eine Schuldnerberatung hilft bei der Einschätzung, wann ein solcher Fall vorliegen könnte.
Kostet eine Abschaltung Geld?
Ja. Es gibt Kosten für die Abschaltung und auch für ein späteres Anschließen ans Gas- oder Stromnetz. Die Höhe sei aber etwa abhängig von der Tageszeit und wie weit die Mitarbeiter der Stadtwerke fahren müssen, erklärt Stadtwerke-Chefin Fröhlich. Claudia Kreft von der Verbraucherzentrale rechnet mit Kosten in einer Spannbreite von 50 bis 300 Euro für das Sperren und auch wieder für das Anschließen an das Netz.
Können Verträge mit Festpreisgarantien in der Laufzeit gekündigt werden?
Versprochene Preisgarantien müssen eingehalten werden. Das Landgericht Düsseldorf hatte Ende August noch einmal bestätigt, dass diese Verträge nicht durch einen Energieversorger aufgrund höherer Beschaffungskosten gekündigt werden können. Konkret wurde ein Fall des Unternehmens Extraenergie verhandelt. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Einen Musterbrief der Verbraucherzentrale für einen Widerspruch gegen die Preiserhöhung trotz einer Preisgarantie bei Extraenergie finden Sie hier.
Kann der Gasvertrag auch während der Vertragslaufzeit gekündigt werden?
Das könnte dann passieren, wenn die Bundesregierung eine Gasmangellage ausrufen sollte. Dann müssten die Energieversorger nur eine Woche vor der Preiserhöhung diese ankündigen. Allerdings füllen sich die Gasspeicher schneller als geplant und sind bereits auf einem sehr hohen Niveau, so dass im Herbst 2022 nicht davon auszugehen ist.
Wer berät bei Problemen mit den Rechnungen für Energie?
Beraten können neben den Verbraucherzentralen auch die örtlichen Schuldnerberatungen der Sozialberatungen, etwa der Caritas, der Arbeiterwohlfahrt oder auch der Volkssolidarität.
Ist die Zahl der Beratungen aufgrund von Zahlungsproblemen durch steigende Energiepreise bereits gestiegen?
Das ist unterschiedlich. Claudia Kreft berichtet, dass sich inzwischen rund ein Drittel aller Beratungen der Thüringer Verbraucherzentrale aktuell mit den steigenden Energiepreise beschäftigten, weil viele Thüringer Anbieter schon seit Jahresanfang die Preise teils drastisch erhöht haben. Damit habe sich der Anteil an allen Beratungen innerhalb eines Jahres mehr als verfünffacht.
Die Caritas in Leipzig spricht dagegen noch von einem leichten Anstieg. "Aktuell haben wir ein bis zwei Anfragen in der Woche wegen Androhungen von Sperrungen", sagt Marcus Zschornack vom Caritasverband. Aber er geht von einem deutlichen Anstieg beim Beratungsbedarf aus, vor allem wenn die Preisbindung vieler Verträge in der nächsten Zeit ausläuft. Auch beim Leipziger Sozialamt rechnet man damit, dass immer mehr Haushalt ihre Energierechnungen künftig nicht mehr zahlen können und die Energie-Schulden je Haushalt zunehmen werden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 31. Juli 2022 | 13:00 Uhr