Diskussion in Erfurt Wie geht es der Kulturszene in Thüringen nach der Landtagswahl?
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17. September 2024, 16:35 Uhr
Die Landtagswahl in Thüringen liegt rund zwei Wochen zurück. Eine neue Regierung ist noch nicht gebildet, doch fest steht, dass die AfD stärkste Kraft geworden ist. Wie reagiert Thüringens Kulturszene auf dieses Ergebnis und welche Befürchtungen und Hoffnungen gibt es? Darüber haben sich verschiedene Kulturschaffende bei einer Podiumsdiskussion in Erfurt ausgetauscht. Im Fokus standen dabei die Freie Szene und die Kultur im ländlichen Raum.
- Thüringens Kulturszene ist angesichts der Ergebnisse der Landtagswahl besorgt.
- Besonders auf dem Land habe es die Kultur schwer, wird befürchtet.
- Immer häufiger muss auch bei kleinen Kulturveranstaltungen Security eingesetzt werden.
Rund zwei Wochen nach der Landtagswahl in Thüringen steht noch keine Regierungskoalition fest. Ob überhaupt eine mehrheitsfähige Regierung zustande kommt oder es wieder eine Minderheitsregierung geben wird, ist ungewiss. Thüringens Kulturszene blickt mit Sorge auf die Wahlergebnisse und die kommenden Monate und Jahre. Befürchtet wird, dass die neue Regierung die Unterstützung für Kultur kürzen könnte und der Rechtsruck in der Gesellschaft die Kulturarbeit erschwert.
Dass die AfD mit 32,8 Prozent bei den Wahlen am 1. September in Thüringen stärkste Kraft geworden ist, war für viele Kulturschaffende keine Überraschung. Die Schauspielerin und Kulturaktivistin Anica Happich sagte am Montagabend in Erfurt: "Jeder, der in diesem Land in der Kulturarbeit tätig ist, konnte sich ein Bild machen, dass genau das eintritt." Gemeinsam mit Malte Wasem, künstlerischer Direktor des Theaters Erfurt, und dem Medienpädagogen Kay Albrecht war sie zu einer Podiumsdiskussion zur Situation in der Kulturszene nach der Thüringen-Wahl geladen.
Kultur im ländlichen Raum im Fokus
Die Kunstfreiheit sehen die drei Diskutierenden durch das Wahlergebnis der AfD mit Verweis auf das Grundgesetz nicht konkret gefährdet. Zudem würden Fördermittel für die Freie Szene nach wie vor über professionelle Jurys vergeben und nicht von der Politik. Doch die Befürchtung, dass Kulturschaffende zunehmend in andere Bundesländer oder die Metropolen abwandern, gibt es durchaus. Malte Wasem vom Theater Erfurt erzählte, dass sich in den Tagen nach der Wahl einige Mitarbeitende in der Belegschaft gefragt hätten: "Was passiert jetzt in den nächsten Wochen und Monaten und wie kann ich hier noch arbeiten, wenn ich beispielsweise keine rein deutsche Herkunft habe?"
Die Situation für Kultur-Akteurinnen und -Akteure ist besonders im ländlichen Raum angespannt. Laut Anica Happich verliert die Kulturszene hier gerade viele Menschen. "Das Thema des gesellschaftlichen Zusammenhalts orientiert sich aus meiner Perspektive an der Frage Stadt und Land", sagte die freie Künstlerin, die in diesem Jahr erstmals die Plattenstufen-Festspiele organisiert hat. Im ländlichen Raum sehe es "düster aus". "Die Kolleginnen und Kollegen brauchen jetzt unsere Unterstützung", betonte sie und schlägt dazu gemeinsame Projekte mit Stadt-, Staats- und Nationaltheatern vor. "Uns geht das Publikum verloren und ich glaube auch ein gemeinsames Einüben von einem demokratischen Diskurs. Und deswegen plädiere ich ganz ernsthaft dafür: Raus, raus, raus!"
Die Kolleginnen und Kollegen im ländlichen Raum brauchen jetzt unsere Unterstützung.
Zusätzliche Kosten für Sicherheit
Wer Kulturveranstaltungen im öffentlichen Raum plant, muss inzwischen einen neuen Kostenpunkt einkalkulieren: Security. Um die Sicherheit von Veranstaltern, Künstlerinnen und Künstlern sowie des Publikums zu garantieren, wird mittlerweile häufig Security benötigt. Medienpädagoge Kay Albrecht, dessen Verein das Kocolores-Festival in Erfurt organisiert, sagte: "Das erste Mal seit zwölf Jahren hatten wir in diesem Jahr ein Security-Team auf dem Gelände. Das war auch neu für uns, dass wir jetzt dafür Geld aufbringen müssen." Hintergrund war der Auftritt einer israelischen Band und der gleichzeitig stattfindende CSD. Auch Anica Happich kann ähnliches berichten: Viele Akteurinnen aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt investierten zunehmend in Sicherheit.
Quelle: MDR KULTUR (Mareike Wiemann), redaktionelle Bearbeitung: lig
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 17. September 2024 | 08:40 Uhr