Energiepreise Heizkosten um das 16-Fache erhöht: Weimarer Stahlbauer streitet mit Stadtwerken
Hauptinhalt
15. März 2024, 13:34 Uhr
Der Stahlbauer Weimar-Werk wehrt sich gegen eine Preissteigerung um das 16-Fache bei der Fernwärme und hat einen Teil des Abschlags einbehalten. Die Stadtwerke Weimar wollen die Außenstände von 50.000 Euro einklagen.
Von den seit 2022 explodierenden Fernwärmepreisen ist auch die Wirtschaft betroffen - so auch der Thüringer Stahl- und Maschinenbaubetrieb Weimar-Werk GmbH. Für die Monate im Winter 2022/2023 wurden dem Unternehmen eine Abschlagszahlung von bis zu 100.000 Euro präsentiert. Ein Schock für Weimar-Werk. Der Preis für die Fernwärme setzt sich zusammen aus Grund- und Arbeitspreis. 2020 hatte der Arbeitspreis pro Kilowattstunde im Winter noch 3,3 Cent betragen. Nun standen 51,9 Cent auf der Rechnung.
"Über den Arbeitspreis wird der tatsächliche Wärmeverbrauch abgerechnet. Der Grundpreis ist ein Fixpreis pro Jahr und beinhaltet die anteiligen Kosten an Kraftwerk und Netzen. Durchschnittlich macht der Grundpreis einen Anteil an den Gesamtkosten von etwa 25 Prozent aus, der Arbeitspreis ungefähr 75 Prozent", erklärt der Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Der Stahlbauer hielt den Arbeitspreis für überteuert und zahlte deshalb nur einen Teilbetrag. "Eine 16-fache Preissteigerung innerhalb von nur zwei Jahren", wie Geschäftsführer Heinrich Berr sagt, hätte für eine finanzielle Schieflage gesorgt: "Dann wären wir tot gewesen. Wir hätten ungefähr ein Drittel vom Umsatz nur für Fernwärme ausgegeben."
Wir hätten ungefähr ein Drittel vom Umsatz nur für Fernwärme ausgegeben.
Stadtwerke klagen wegen 50.000 Euro Außenständen
Die Stadtwerke sperrten schließlich den Fernwärme-Anschluss und verklagten den Stahlbauer auf die Zahlung der Außenstände von 50.000 Euro. Weimar-Werk muss nun beweisen, dass der hohe Arbeitspreis von 52 Cent nicht gerechtfertigt war. Dabei müssen sie komplizierte Formeln entschlüsseln, die Fernwärmeanbieter nutzen, um ihren Preis anzupassen.
Finanzmathematiker kritisiert: Preisformel bildet nicht tatsächlichen Preis ab
In einer aktuellen Studie hat der Finanzmathematiker Werner Siepe die Preisformeln verschiedener Anbieter analysiert.
Dabei ist er auf einen Kniff gestoßen, wie einige die Preise nach oben treiben. Sein Fazit: Die Preisformel führe dazu, dass sie nicht die tatsächlichen Preise der Anbieter widerspiegele. "Dass das so ist, hängt vor allem mit börsennotierten Indizes zusammen", erklärt er. "Man nutzt den Börsenwert für Erdgas, zum Beispiel von der Energiebörse in Leipzig, um in Zeiten hoher Gaspreis-Steigerungen, wie wir sie auch 2022 hatten, den Arbeitspreis für Fernwärme nach oben zu treiben", führt er aus.
Stadtwerke Weimar äußern sich nicht auf Anfrage
Auch in die Preisformel der Stadtwerke Weimar floss so ein Börsenwert in die Preisformel ein. "Die Stadtwerke Weimar haben hier den absolut teuersten Index ausgewählt", sagt Geschäftsführer Berr. "Den setzt man hier ein, um maximal viel von den Leuten berechnen zu können", kritisiert er. Dabei fällt er beim tatsächlich beim Einkauf kaum ins Gewicht.
Auf Anfrage des MDR für das ARD-Magazin "Plusminus" zur Preisgestaltung und zum Sachstand schreiben die Stadwerke Weimar: "Hinsichtlich des laufenden Prozesses bitten wir um Verständnis, dass wir uns während des Verfahrens dazu nicht äußern werden." In Weimar versorgen sich die Stahlbauer seit letztem Winter selbst mit Wärme – mit einer mobilen Ölheizung.
Hinsichtlich des laufenden Prozesses bitten wir um Verständnis, dass wir uns während des Verfahrens dazu nicht äußern werden.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: Das Erste | Plusminus | 13. März 2024 | 21:45 Uhr
Alexander S. vor 38 Wochen
Mein Vertrauen in die Abrechnungspraxis der Stadtwerke ist nicht grenzenlos. So kam es vor, das Mieter angeblich mehr Wärmeenergie (kWh) verbraucht hatten, obwohl weniger geheizt und weniger Warmwasser verbraucht wurde. Eine Ausrede lautete: Batterieausfall eines Messgeräts.
Im Extremfall könnte es sich lohnen, das Wasser im Elektrokocher selbst zu erwärmen.
Lumberjack vor 38 Wochen
"Über irre - nicht mehr zu rechtfertigende - Heizkosten werden Bürger und Mittelstand kalt enteignet." und währenddessen sprudeln die Steuereinnahmen.
Lumberjack vor 38 Wochen
"Man nutzt den Börsenwert für Erdgas, zum Beispiel von der Energiebörse in Leipzig, um in Zeiten hoher Gaspreis-Steigerungen, wie wir sie auch 2022 hatten, den Arbeitspreis für Fernwärme nach oben zu treiben" Wo ist da bitte der "Kniff"? Es ist völlig normal, dass für den Verbrauchszeitraum neu beschafft werden muss bzw. fixiert. Wenn diese Beschaffung/Fixierung analog zur Abrechnung erfolgt, gibt es daran nichts auszusetzen. Zu klären wäre nur, ob das ausschließlich geschieht, wenn der Börsenpreis höher als der Beschaffungspreis liegt - dann wären das eine Art Spekulations-/Handelsgewinne. Aber sind die verboten? Macht jedes Kreditinstitut genau so.