Zwei Frauen und ein Mann schauen in die Kamera.
Irina Scherbakowa (l.) und Olga Karatch zusammen mit Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine, nachdem sich die beiden in das goldene Buch der Stadt eingetragen haben. Bildrechte: MDR/Samira Wischerhoff

Porträt Wer die Preisträgerinnen des Weimarer Menschenrechtspreis 2022 sind

10. Dezember 2022, 12:29 Uhr

Die Aktivistinnen Irina Scherbakowa aus Russland und Olga Karatch aus Belarus werden in Weimar am Samstag mit dem Menschenrechtspreis geehrt. Beide mussten wegen ihres Engagements aus der Heimat fliehen.

Olga Karatch ist aus Litauen nach Weimar gereist, wo sie inzwischen lebt. In ihrer Heimat Belarus ist sie nicht mehr sicher, wurde dort schon mehrfach verhaftet, sogar gefoltert. Mit der von ihr gegründeten Organisation "Nasch Dom" (Unser Haus) setzt sie sich für Menschen- und Kinderrechte ein. Jetzt steht sie auf einer Terroristenliste des Lukaschenko-Regimes, muss bei einer Rückkehr mit einer Haftstrafe von über 25 Jahren oder mit dem Tod rechnen.

Auch Irina Scherbakowa war als Mitgründerin der Menschenrechtsorganisation Memorial seit Beginn des Krieges in Russland bedroht. Seit März lebt sie in Weimar, engagiert sich in der Gedenkstätte Buchenwald, kämpft von dort aus weiter für Menschenrechte. Den Menschenrechtspreis kann sie persönlich nicht entgegennehmen, weil sie zeitgleich in Oslo den Friedensnobelpreis für Memorial entgegennimmt.

Irina Scherbakowa und Olga Karatch haben sich in dieser Woche erstmals kennengelernt, als sie sich in das goldene Buch der Stadt Weimar eingetragen haben.

Engagement für junge Menschen in Belarus

Olga Karatch erzählt, dass sich ihre Organisation vor allem für Kinder und Jugendliche einsetzt, die wegen kleiner Verbrechen in Belarus lange Haftstrafen in Gefängnissen verbüßen müssen. Zudem engagiert sich Olga Karatch in der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit. Auf der Terroristenliste steht sie deshalb, weil ihr vorgeworfen wird, im Auftrag von Angela Merkel die Sprengung eines militärischen Anlage in Belarus zu planen.

Eine Frau (Olga Karatch) steht mit einem Megafon auf einem Platz
Seit Jahren kämpft Karatch als Oppositionelle - hier 2021 bei einer Demonstration in vor der russischen Botschaft in ihrer Wahlheimat Vilnius (Litauen). Bildrechte: IMAGO / Scanpix

Wie schnell und unbegründet solche Vorwürfe erhoben und wie willkürlich Menschen in Belarus ins Gefängnis gesteckt werden, wird aus ihren Erzählungen deutlich. Dass sie nun den Menschenrechtspreis in Weimar erhält, sei ihr in diesem Jahr besonders wichtig. Damit deutlich werde, dass auch in Belarus für Menschenrechte und gegen den Krieg in der Ukraine gekämpft wird.

Memorial-Mitbegründerin fühlt sich Weimar verbunden

Irina Scherbakowa lebt nun schon seit über einem halben Jahr in Weimar. Als Germanistin fühle sie sich der Stadt verbunden, schrieb sie in das goldene Buch. Eigentlich wollte sie ihr ganzes Leben in Russland bleiben, sagt sie. Wie Olga Karatch konnte aber auch sie ihre Arbeit für Menschenrechte in Russland nicht fortsetzen. Fast täglich ist sie mit Freunden und Familie dort in Kontakt, telefoniert mit ihnen. "Es wird buchstäblich mit jedem Tag schwieriger", beschreibt sie die Lage in Russland. Menschenrechte werden immer weiter unterdrückt.

Scherbakowa sagt, dass viele Menschen gegen den Krieg sind, aber nicht rebellieren. "Das ist sehr schwierig - das kann man sich alles im Westen nicht vorstellen. Allein schon, wenn man den Krieg "Krieg" nennt, wird man verhaftet." Immerhin: Als Netzwerk könne Memorial weltweit weiterarbeiten.

Über den Menschenrechtspreis sei sie dankbar, so Scherbakowa, ebenso über den Friedensnobelpreis: "Es wäre heuchlerisch, zu sagen, dass man sich nicht freut", so Scherbakowa. Doch der Hintergrund sei tragisch. Sie denke dabei auch an die vielen ukrainischen Menschen, die unter dem Krieg leiden und den Memorial nicht aufhalten konnte.

Wir haben sehr früh gewarnt, dass dieses Regime so aggressiv wird.

Irina Scherbakowa Friedenspreisträgerin in Weimar 2022

"Wir haben sehr früh gewarnt, dass dieses Regime so aggressiv wird. Dass es meistens, wenn man historisch denkt, mit einem Krieg hoffentlich enden wird. Das ist nun die Hoffnung, dass auch dieser Krieg das Ende bedeuten wird, aber momentan wissen wir es nicht."

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 10. Dezember 2022 | 11:30 Uhr

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