Kreis Eichsfeld Kaltohmfeld wehrt sich gegen Windkraft: Wie Windvorranggebiete ausgewählt werden

21. Oktober 2022, 21:15 Uhr

Windkraft ja, aber bitte nicht vor meiner Haustür. Das scheint häufig die Meinung zu sein. Für die Energiewende werden die Windräder gebraucht. Vor allem ländliche Regionen und ihre Dörfer sind dann betroffen.

Kaltohmfeld liegt sehr idyllisch auf dem Plateau des Ohmgebirges im Eichsfeld. Viele Felder und Wälder grenzen an das Dorf. Durch die hohe Lage ist es auch gut zum Wandern geeignet. Von dort aus kann man bis zum Brocken oder Kyffhäuser blicken, erzählt Ortsteilbürgermeister Ramon Krohn. Er erinnert sich auch an den langen Winter in 2021: "Damals waren Autokennzeichen von überall hier: Unstrut-Hainich, Göttingen. Zum Ski fahren!"

2016 belegte das 169-Einwohner-Dorf noch den zweiten Platz im bundesweiten Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft", unter anderem wegen der schönen Landschaft. "Damals hat das gezählt und heute nicht mehr", sagt Ramon Krohn.

Er sorgt sich um die Lebensqualität in Kaltohmfeld und sieht den Windpark deshalb kritisch: "Es ist südwestlich vom Dorf. Wir hätten abends den Schlagschatten. Und was ich mich auch frage: Das FFH-Gebiet und dieses europäische Vogelschutz-Gebiet, was hier oben im Ohmgebirge langgeht - es gibt Stellen an dem Windpark, die nur 350 Meter weit weg sind. Fliegen die Vögel da drumherum?"

Bis zum 11. November haben alle, die sich betroffen fühlen, noch Zeit ihre Bedenken zu Protokoll geben. Die Pläne liegen bei der Stadt Leinefelde-Worbis, der Kaltohmfeld angehört.

Wie wird ein Windvorranggebiet ausgewählt?

Mit einem Dartpfeil einfach auf die Karten werfen und dann einen Windpark bauen? Auch wenn es auf einige Menschen so wirken mag: So läuft es auf keinen Fall ab. Lutz Kuhrmann ist stellvertretender Leiter der regionalen Planungsstelle Nordthüringen. Er erklärt, dass zunächst viele Kriterien zu einem Ausschluss führen.

Der Kilometer-Abstand zum nächsten Ort, Naturschutz, technische Infrastruktur: "Wenn wir das übereinanderlegen, sehen wir, wo Flächen übrigbleiben. Dort kann man dann in die Einzelfall-Prüfung gehen und einen Standort vorschlagen."

Ohne ein solches Vorgehen könnten Energiebetreiber einfach dort bauen, wo sie selbst Flächen finden. Die Energie wird schließlich gebraucht. Falls es bei einer Vorrangfläche zu einem Genehmigungsverfahren kommt, werden dann noch weitere Bedenken, die nicht bei der Planung berücksichtigt wurden, überprüft.

Beispielsweise der Schattenwurf durch das Rotieren der Windräder. In einigen Fällen werden Anlagen dann auch zu bestimmten Tageszeiten ausgeschaltet, um den Schattenwurf zu minimieren.

Keine Reaktion auf 2.500 Unterschriften

Da die Kaltohmfelder sich schon früh über einen möglichen Windpark Sorgen machten, gründeten sie bereits 2018 die Bürgerinitiative "Gegenwind am Ohmgebirge". Mit ihr wurden 2.500 Unterschriften gegen einen Windpark gesammelt. Zwei Mitglieder haben die nach Sondershausen in die Regionale Planungsstelle gebracht. Eine Reaktion dazu hat das Dorf nie bekommen.

Der Eichsfelder Landrat Werner Henning ist Präsident der Regionalen Planungsgemeinschaft Nordthüringen. Auf die Unterschriften angesprochen sagt er, dass er sie zur Kenntnis genommen habe. Er sieht sie als eine emotionale Meinungsäußerung an: "Letztlich sagen die: Wir wollen es nicht. Trotzdem gibt es rechtliche Zwänge. Die liegen im Moment höher. Wir befassen uns nicht mit Emotionalität, sondern mit Rationalität." Die Unterschriften als Einwand gegen einen möglichen Windpark würden aber überprüft.

Sorge um Infraschall

Bettina Recke lebt auch in Kaltohmfeld. Sie war von 2014 bis 2019 Ortsteilbürgermeisterin und sitzt auch heute noch im Ortsteilrat. Sie sorgt sich vor allem darum, dass die Windräder sich auf die Gesundheit auswirken könnten und den Lärm durch Infraschall. Obwohl darüber häufig gesprochen wird, sind diese Geräusche durch Windräder kaum hörbar.

Bettina Recke und Ramon Krohn erklären, dass sie für erneuerbare Energien im Dorf offen sind. Jeder Neubau habe hier Photovoltaik oder Solar-Anlagen auf dem Dach. Einige haben auf Bestandshäusern nachgerüstet. Einen Park mit dieser Energieform könnten sie sich gut vorstellen, damit das Landschaftsbild weniger gestört wird. "Wir sind für Alternativen offen. Hauptsache nicht diese riesigen Anlagen von bis zu 250 Metern", findet Ramon Krohn.

Flächen für Windkraft muss bis 2032 erweitert werden

Bis 2032 muss Thüringen 2,2 Prozent der Flächen für Windkraft ausweisen. Das war Teil des Gesetzes des Bundeswirtschaftsministeriums im Sommer. Hier liegt allerdings auch das Problem: es werden lediglich die Flächen vorgegeben. Andere Energieformen wie Fotovoltaik oder Bio-Gas spielen dabei keine Rolle. Es werden lediglich Windvorranggebiete geplant.

Zum Aufklappen: Wie viele Windräder wurden in diesem Jahr in Thüringen gebaut?

Nach Angaben des Energieministeriums sind 2022 in Thüringen bislang 16 neue Windräder gebaut worden. Weil zugleich zwei Anlagen zurückgebaut wurden, bleibt ein tatsächlicher Zuwachs von 14 Windrädern. Insgesamt stehen aktuell 858 Windräder in Thüringen. Dem Ministerium zufolge wird die Zahl der Windräder weiter steigen. Allein im vergangenen Jahr wurden 51 neue Windräder genehmigt, aber noch nicht alle gebaut.

Der Ausbau der Windenergie ist in Thüringen politisch seit Jahren umstritten. Während Rot-Rot-Grün dem Bau neuer Windräder offen gegenübersteht, gibt es in der Opposition große Bedenken gegen diese Energiepolitik. Auf Druck von CDU und FDP war 2020 durch eine Gesetzesänderung der Bau von Windrädern in Thüringer Wäldern gänzlich verboten worden. Auch zahlreiche Bürgerinitiativen hatten sich in den vergangenen Jahren gegen den Ausbau der Windenergie gestemmt.

Lutz Kuhrmann von der Regionalen Plaungsstelle Nordthüringen sieht die Gemeinden aber aus einem anderen Grund gestärkt: "Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit geschaffen, dass mit einem Abstand von 2,5 Kilometern um die Windkraftanlage eine Ausgleichszahlung an die betroffene Gebietskörperschaft erfolgen kann mit 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde." Wenn die betroffenen Gemeinden - wie Kaltohmfeld - dadurch finanziell profitieren, könnte das die Akzeptanz von Windkraft in Zukunft zumindest ein wenig stärken.

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MDR (jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 21. Oktober 2022 | 18:40 Uhr

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