Hilfe bei Problemen Wofür Lehrer keine Zeit haben: Zehn Jahre Schulsozialarbeit im Kyffhäuserkreis
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19. September 2023, 17:40 Uhr
Im Kyffhäuserkreis gibt es seit zehn Jahren Schulsozialarbeiterinnen als Ansprechpartner für Schüler, Lehrer oder Eltern. Anfangs waren es neun, mittlerweile sind es 17, die 20 Schulen unterstützen. Anders als in vielen anderen Landkreisen, werden sie in den Schulferien nicht entlassen.
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Stephanie Grimm hat morgens um halb acht schon gute Laune. Sie ruft den Kindern einen fröhlichen "Guten Morgen" zu, wenn sie in die Grundschule in Bad Frankenhausen stürmen. Freundlich sein ist morgens die Aufgabe der Schulsozialarbeiterin - und kleine Probleme zu lösen, bevor sie zu großen werden.
Wenig später sitzt sie in ihrem kleinen Büro und bereitet eine Schulstunde vor, als ein Kind im Flur weint. Sie geht sofort hin und spricht mit dem Erstklässler, der "gerade ganz doll seine Mama vermisst". Was hilft? Ein bisschen Ablenkung. "Wir haben über's Wochenende gesprochen, weil bei uns in der Stadt Bauernmarkt war und er hat mit Feuer und Flamme erzählt, mit welchem Karussell er gefahren ist." Stephanie Grimm schlägt ihm daher vor: "Das musst du jetzt deinen Klassenkameraden da drinnen erzählen!" Und das funktioniert.
Zuerst gab es Schulsozialarbeiterinnen nur in Regelschulen
An Grundschulen im Kyffhäuserkreis gibt es Schulsozialarbeiterinnen erst seit drei Jahren. An Regelschulen bereits seit zehn Jahren - und das hat der Kyffhäuserkreis im Feriencamp Feuerkuppe Straußberg bei Sondershausen am Dienstag gefeiert. Mit dabei sind viele Schüler, die von ihren Schulsozialarbeiterinnen schwärmen.
Lene Hupel von der Gemeinschaftsschule Artern findet gut, dass sie helfen: "Wenn jemand Probleme in der Schule hat: zum Beispiel Mobbing." Maria Schleichardt freut sich über deren Verschwiegenheit: "Dass wir mit jemanden reden können, der das dann auch für sich behält."
"Sie hat immer ein offenes Ohr", lobt Marie Wangemann von der Regelschule Bad Frankenhausen ihre Sozialarbeiterin und: "Das ist das Beste an unserer Schule."
Keine Entlassungen in den Schulferien
In ganz Thüringen ist nach Angaben des Bildungsministeriums die Zahl der Schulsozialarbeiter von 233 im Jahr 2013 auf 517 im Jahr 2022 gestiegen. Von anfangs 252 Schulen nutzen jetzt 483 Schulen die Unterstützung der Sozialpädagogen. Ziel von Bildungsminister Helmut Holters (Linke) sei es, dass perspektivisch an jeder Schule im Land Schulsozialarbeit angeboten werden kann. Thüringen habe sie vor zehn Jahren mit 2,4 Millionen Euro gefördert und im Jahr 2023 mit 26,1 Millionen Euro.
Wenn wir die Schulsozialarbeiterinnen in den Sommerferien entlassen würden, dann würden wir sie verlieren.
Die Schulsozialarbeiterinnen sind bei Trägern der Jugendhilfe angestellt und arbeiten dort in den Schulferien mit. Das Bildungsministerium legt nach eigenen Angaben bei der Verteilung der Fördermittel Wert darauf, dass es sich um sichere Arbeitsverhältnisse handelt. Demnach werden Sozialarbeiter in den Schulferien nicht entlassen.
Landrätin Antje Hochwind-Schneider (SPD) war das von Anfang an wichtig, denn: "Wenn wir die Schulsozialarbeiterinnen in den Sommerferien entlassen würden, dann würden wir sie verlieren." Bisher haben 20 Schulen im Kyffhäuserkreis eine Sozialarbeiterin.
MDR (beu/cfr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 19. September 2023 | 19:00 Uhr
Anita L. am 21.09.2023
"Hatte nicht mal jede Schule ihre Vertrauenslehrerin oder ihren Vertrauenslehrer?"
Die haben sie immer noch, aber Vertrauenslehrer_innen haben ein anderes Aufgabenfeld als Sozialarbeiter_innen.
"Sollte nicht das Hauptaugenmerk im Bildungswesen auf das Lernen gerichtet sein, besonders darauf, dass genügend Lehrkräfte vorhanden sind?"
Was glauben Sie denn, warum es nicht mehr ohne Sozialarbeit geht?
"Man wundert sich, ..."
Tja, zu Zeiten, als das Ganze ohne "heutzutage erforderlichen" Maßnahmen ermöglicht wurde, hätten diese Kinder gar keine Chance gehabt, überhaupt an einer PISA-Studie teilzunehmen. Da hieß es: "Friss oder stirb". So kann man sich seine Statistiken auch schon "nostalgisieren"...
martin am 21.09.2023
@maria: Der Sinn von Schulsozialarbeitern ist es ja, die Lehrer von bestimmten Aufgaben zu entlasten, damit sie sich stärker ihrem Kernauftrag widmen können. Man sicher trefflich darüber streiten, weshalb die Situation in den Schulen so ist, wie sie ist. Aber das zu ignorieren hilft kurz- und mittelfristig weder den Schülern noch den Lehrern. Und ja, die Schule sollte eigentlich kein Reparaturbetrieb für Versäumnisse an anderen Stellen sein. Aber den Kindern und Jugendlichen ein möglichst brauchbares Lernumfeld zu schaffen, gehört sich meiner Meinung nach nicht nur sowieso schon allein aus ethischen Erwägungen sondern auch aus ökonomischen.
Monazit am 20.09.2023
Naja, glaubt man Fachleuten, so ist das Hauptproblem in Deutschland nicht, dass wir zu wenig Hochgebildete Menschen haben, sondern dass am unteren Ende der Skala viele abfallen. Und genau da setzen Sozialarbeiter an.
Vielleicht haben sich die Zeiten geändert. Zu DDR Zeiten gab es (auch zur politischen Indoktrination) ein ganz anderes Netz für Schüler. Aber auch ohne DDR leben wir in einer Zeit der Individualisierung und damit verbunden aber auch Vereinsamung in vielen Familien. Ohne Soziales Umfeld fallen vielleicht viele Familien ab und sind überfordert, wäre jetzt meine Vermutung. Gesellschaft ist schon immer und wird auch immer im Wandel sein.