Mandanten geprellt Ex-Anwalt aus Nordthüringen erneut vor Gericht - 16 Fälle der Untreue und des Betrugs

26. März 2024, 18:47 Uhr

Ein 59 Jahre alter Jurist aus Nordthüringen steht seit Dienstag erneut wegen Untreue und Betrugs vor Gericht. Bereits vor sechs Jahren war er auf Bewährung verurteilt worden. Ein weiteres Hafturteil vom Oktober 2021 focht er an. Damals hatte ihn das Amtsgericht Nordhausen zu insgesamt fünf Jahren und zwei Monaten Haft, 111.000 Euro Schadenswiedergutmachung und fünf Jahren Berufsverbot verurteilt.

2018 hätten sich rund 300.000 Euro private und Kanzlei-Schulden aufgetürmt, sagte der damals 53-jährige Angeklagte in seinem ersten Berufungsprozess vor dem Landgericht Mühlhausen. Die Betrügereien begannen 2012 mit einer hohen Steuerforderung vom Finanzamt, für die er Mandantengelder nutzte und ab diesem Zeitpunkt immer wieder finanzielle Löcher beim Finanzamt und bei anderen Mandanten stopfte. Hinzu kam: Seine Kanzlei im Landkreis Nordhausen habe kein Fremdgeldkonto geführt, weswegen er nach eigenen Angaben die Übersicht verloren haben will.

Luxuriöser Lebensstil

Doch neben dem Durcheinander in der Kanzlei dürfte auch ein aufwendiger Lebensstil mit Aufenthalten in Luxushotels auf Sylt und in Hamburg sowie kostspieligen Fernreisen eine erhebliche Rolle gespielt haben. Das sagte der ermittelte Staatsanwalt in der damaligen Beweisaufnahme.

Der angeklagte Jurist, der von 1995 bis 2018 im Kreis Nordhausen tätig war, wurde im Oktober 2021 erneut verurteilt. Das Amtsgericht Nordhausen verurteilte ihn wegen Untreue in zehn Fällen und wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren.

Zudem wurde er wegen Untreue in zwei Fällen, wegen Betrugs sowie Betrugs in Tateinheit mit Verstoß gegen ein Berufsverbot zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Gegen das Urteil von zusammen fünf Jahren und zwei Monaten legte er erneut Berufung ein.

Drei Männer stehen in einem Gerichtssaal.
Der Angeklagte neben seinen Rechtsanwälten. Bildrechte: MDR/Claudia Götze

Mandanten um 111.000 Euro betrogen

Laut Urteil von 2021 betrog er von 2013 bis 2018 in 16 Fällen Mandanten um mehr als 111.000 Euro. Das Geld muss er laut Urteil an seine geprellten Mandanten zurückzahlen. Es handelt sich bei den Beträgen um Schmerzensgeld, Schadenersatz und Erbschaften, die der Jurist in Prozessen erstritten und aufs eigene Konto umgeleitet hatte.

Viele Mandanten des Juristen warten bis heute noch auf ihr Geld. Das erste Nordhäuser Urteil bescheinigte dem Juristen eine erhebliche kriminelle Energie: Er habe die Mandanten mit fadenscheinigen Ausflüchten hingehalten und das mit Schreiben untermauert. Er habe dazu die Vertrauensstellung als Anwalt missbraucht und seinen Berufsstand in Misskredit gebracht.   

Pech mit dem Erbe und der "säumigen" Versicherung

In einem Fall ging es um eine Erbschaft. Ein heute 25 Jahre alte Geschädigter aus Niedersachsen hatte die ihm zustehenden 30.000 Euro gar nicht erst erhalten. Stattdessen muss dieser jeden Monat 100 Euro Erbschaftsteuer ans Finanzamt Hildesheim zahlen.

In einem zweiten Fall wartete eine Mandantin aus dem Südharz fünf Jahre nach einem Verkehrsunfall auf das Geld der Versicherung, ehe sie einen ersten Teil von 74.000 Euro bekam, die dem Anwalt der Mandantin überwiesen worden waren. Offenbar zwei Jahre lang hielt er sie hin und soll am Ende behauptet haben, die Versicherung zahle nicht, weshalb er die Versicherung am Landgericht Mühlhausen verklagt habe.

Doch dieses Verfahren war frei erfunden - wie alle anderen Ausflüchte von Zahlendrehern und falschen Kontonummern. Der von der geprellten Frau später eingeschaltete Anwalt erstatte Anzeige und brachte das Strafverfahren damit überhaupt erst in Gang. 

Akten liegen auf einem Tisch.
Das ist nur die Handakte für diesen Prozess. Bildrechte: MDR/Claudia Götze

Prozess auf Mitte April vertagt

Der erneute Berufungsprozess vor dem Landgericht begann am Dienstag mit der Verlesung des strittigen Urteils. Danach trafen sich Berufungskammer, Verteidiger und Staatsanwalt zu einem Rechtsgespräch. Nach einer Stunde Unterbrechung wurde der Prozess auf den 16. April vertagt. Zu vermuten ist, dass es in dem Rechtsgespräch keine Einigung auf die weitere Verfahrensweise gegeben haben könnte. Die von den Verteidigern angestrebte Bewährungsstrafe dürfte auf wenig Gegenliebe der ermittelnden Staatsanwaltschaft Mühlhausen gestoßen sein.

Weitere Nachrichten aus Nordthüringen im Radiobeitrag zum Anhören:

Mehr zu Gerichtsprozessen in Thüringen

MDR (cgo/jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 26. März 2024 | 19:00 Uhr

Mehr aus der Region Nordhausen - Heiligenstadt - Mühlhausen - Sömmerda

Der Frontblitzer eines Einsatzfahrzeugs blitzt blau während im Rahmen einer Einsatzübung einer Freiwilligen Feuerwehr ein Feuerwehrmann in Atemschutzmaske davor kniet. mit Audio
Bei dem Brand von mehreren Autos in einer Tiefgarage in Mühlhausen kam es zu starker Rauchentwicklung. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth

Mehr aus Thüringen

Drei Menschen rollen in der Innenstadt von Suhl einen großen grünen Teppich aus 1 min
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk
1 min 26.04.2024 | 20:37 Uhr

In der Fußgängerzone in Suhl wurde dazu ein grüner Teppich ausgerollt. Das Stadtmarketing will damit Einwohner und Gäste auffordern, häufiger in die Innenstadt zu kommen.

Fr 26.04.2024 19:21Uhr 00:26 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/sued-thueringen/suhl/video-teppich-innenstadt-gruen-aktion-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video