Trauernde Eltern
Seit fünf Jahren treffen sich trauernde Eltern und Geschwister im Herzenswald zum Gedenken. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Gedenken Leben, die zu früh endeten: Wie Herzensbäume in Gera trauernden Eltern Trost spenden

04. November 2023, 19:31 Uhr

Seit 2018 gibt es im Geraer Ortsteil Windischenbernsdorf einen Herzenswald. Hier können Eltern und Geschwister verstorbener Kinder in ganz besonderer Atmosphäre zwischen den Bäumen Trost finden.

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Am Vormittag liegt eine besondere Stimmung über dem Herzenswald im Geraer Wohngebiet "An der Wildbirne". Die noch jungen Bäume rascheln leise im Wind, als wollte jeder eine Geschichte erzählen. An den Bäumen: Herzen, Bilder und Schilder mit Vornamen. Ein Ort des Gedenkens für trauernde Eltern und Geschwister, die ihre Lieben viel zu früh verloren haben: durch Krankheit oder Unfälle.

Kornelia Fernholtz hat den Herzenswald gemeinsam mit Cornelia und Holger Günther initiiert. 2018 wurden hier die ersten Bäume gepflanzt, seitdem ist der Wald Jahr für Jahr gewachsen. Viele der Eltern suchen einen Baum aus, der für ihr Kind eine besondere Bedeutung hatte.

"Es ist hier anders als auf einem Friedhof", sagt Holger Günther. "Viele Eltern kommen auch hierher, um den Geburtstag ihrer verstorbenen Kinder zu feiern." An diesem Samstag sind besonders viele in den Herzenswald gekommen. Wie jedes Jahr im November wollen sie die neuen Bäume an die Familien übergeben.

Viele Eltern kommen auch hierher, um den Geburtstag ihrer verstorbenen Kinder zu feiern.

Initiator Holger Günther

Eine berührende Zeremonie, bei der Gedichte, Lieder und eine Ansprache an die erinnern, die in den Familien fehlen. Am Ende liest Kornelia Fernholtz die Namen der Kinder vor. 36 Vornamen, 36 Leben, die zu früh endeten. Viele der Anwesenden halten sich an den Händen oder umarmen sich.

Herzensbäume
Mehr als 35 Bäume stehen bereits im Herzenswald. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Für Angehörige ist nichts mehr wie früher

Halt geben ist auch das Ziel der Regionalstelle für verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Ostthüringen, die Cornelia und Holger Günther schon 2007 gründeten. Aus eigenem Erleben, wie die beiden erzählen, denn ihr Sohn Christoph starb mit 21 Jahren bei einem Verkehrsunfall.

Damals erlebten sie viel Anteilnahme. "Allerdings ging nach der Beerdigung für alle das Leben sehr schnell weiter", sagt Cornelia Günther. "Nur für uns war nichts mehr wie vorher."

Herzensbäume
Im Herzenswald in Gera erinnern Bilder, Herzen und Namen an verstorbene Kinder. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Besonders die Weihnachtszeit sei schwer, fügt Kornelia Fernholtz hinzu. Die Gemeinschaft kann Kraft geben. Besonders wenn der Verlust noch ganz frisch ist. Kerstin Geier ist am Samstag zum ersten Mal in den Herzenswald gekommen. Im November 2021 starb ihr Sohn an Krebs, mit 31 Jahren. Damals nahm sie psychologische Hilfe in Anspruch.

Bei einer gemeinsamen Kur mit ihrem Mann hörte sie von der Gruppe in Gera, seitdem nimmt sie an den Treffen teil. Mit anderen Betroffenen sprechen zu können, den Schmerz zu teilen, macht es ihr etwas leichter.

Herzensbäume
Persönliche Botschaften im Geraer Herzenswald für die, die viel zu früh gegangen sind. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Trauern in Gemeinschaft

Fünf Familien werden seit diesem Jahr neu von der Selbsthilfegruppe betreut. Sie übernehmen im Herzenswald Bäume von früheren Mitgliedern, die aus der Region weggezogen sind. "Der Wald soll auch ein Zeichen für das Leben sein", sagt Holger Günther.

Der Wald soll auch ein Zeichen für das Leben sein.

Initiator Holger Günther

Eltern oder Geschwister verstorbener Kinder wüssten am Anfang nicht, wie es weitergehen soll und wo sie Hilfe finden können. "Wann hört der Schmerz auf?", werden die Günthers oft gefragt. "Der Schmerz wird nie aufhören", sagen sie dann, aber man könne lernen, damit zu leben. Die Gemeinschaft der Gruppe und Orte wie der Herzenswald können dabei helfen.

Hospizbewegung unterstützt Sterbende in Gera

Einen Herzensbaum hat die Hospizbewegung Gera in Pflege genommen. Der Verein, der im nächsten Jahr 20 Jahre alt wird, unterstützt Sterbende und Schwerkranke durch eine persönliche Begleitung in einer schwierigen Lebensphase.

Herzensbäume
Die Hospizbewegung Gera erinnert an ihrem Baum an die in diesem Jahr Verstorbenen. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Die 42 ausgebildeten Hospizbegleiter arbeiten ehrenamtlich und betreuen jedes Jahr etwa 40 Menschen. "Vor allem ältere Menschen, die keine Familie haben oder wo das soziale Umfeld nicht so intakt ist, kommen auf uns zu", sagt Koordinator Tony Tinney.

Dann beginnt eine intensive Phase der Betreuung. Manchmal bedeutet das auch, einfach nur zuzuhören. Außerdem bietet der Verein Einzelgespräche für Trauernde an. Auch sie können nun im Herzenswald ihrer Angehörigen gedenken.

MDR (dvs)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 04. November 2023 | 19:00 Uhr

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