Landkreis Greiz Die Hoffnung stirbt zuletzt: Wie weiter mit Deutschlands am längsten geplanter Straße?

27. April 2023, 17:30 Uhr

Seit 1934 wird an einer Ortsumgehung für Großebersdorf, Frießnitz und Burkersdorf im Kreis Greiz geplant. Damit ist sie die wohl am längsten geplante Straße Deutschlands. In den engen Straßen der Orte staut es sich regelmäßig. Bei den Anwohnern klappern die Tassen im Schrank. Doch Ende des Jahres könnte es Baurecht geben.

Es herrscht eine beinahe himmlische Ruhe in Großebersdorf. Die Straßendecke ist abgefräst, an der Kreuzung Richtung Autobahn muss Ortsbürgermeister Arndt Goldhardt Holzklötzchen auspacken, um über die hohe Fräßkante fahren zu können. Statt Autokolonnen und Lkw tummeln sich nur einige knallorange gekleidete Bauarbeiter auf der Straße und laufen durch den Ort, der an beiden Kreuzungen von großen Baufahrzeugen abgeriegelt ist.

"Also die Straße können die Männer gern fertig bauen. Aber die Absperrung bitte stehen lassen, damit nur wir Anwohner rein und raus können", ruft Anwohnerin Ilka Grahl mit einem Schmunzeln über den Gartenzaun. Weil aktuell in Großebersdorf der Straßenbelag erneuert wird, haben einige Anwohner schon Angst: Wenn die Straße neu gemacht wird, dann wird's wohl wieder nichts mit der Ortsumgehung. Oder?!

Straßensanierung heißt nicht Baustopp für Ortsumgehung

"Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun", beruhigt Stephan Saalfeld, Referatsleiter Straßenneubau im Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr (TLBV). Weil der Straßenbelag an einigen Stellen schon Wellen geschlagen hat und "einfach runter war", machte es keinen Sinn mehr, kleine Ausbesserungen durchzuführen. So wird derzeit die gesamte Straßendecke erneuert. "Außerdem müssen wir die Bundesstraße ja auch in einem ordentlichen Zustand an die Gemeinde übergeben", beruhigt Saalfeld die Skeptiker.

Knapp 100 Anwohner und Unterstützer haben sich am späten Mittwochnachmittag im Kulturhaus Niederpöllnitz eingefunden. Die Bürgerinitiative hat Vertreter des Landesamtes zu einer Infoveranstaltung geladen. Referatsleiter Saalfeld und Projektleiter Rolf Kullmann stellen die Änderungen vor, die seit der Anhörung im vergangenen Sommer in die Pläne eingearbeitet wurden.

Straßenabschnitt für Straßenabschnitt arbeitet sich Kullmann durch die Pläne mit roten Strichen, blauen Kreuzchen, grünen Linien. Am künftigen Verlauf der Bundesstraßen 2 und 175 hat sich nicht wirklich etwas geändert in den vergangenen Monaten: Statt mitten durch die Orte werden die Bundesstraßen künftig in geschwungenen Bögen um Großebersdorf, Frießnitz und Burkersdorf mäandern.

Was mit der alten B281 passiert

Die alte Bundesstraße wird an vielen Stellen von etwa sechs auf 3,50 Meter zurückgebaut und zumeist als Wirtschafts-, Rad- und Spazierweg weiter genutzt. Änderungswünsche hatten Anwohner und Gewerbetreibende wie Agrarbetriebe bei einigen Zufahrten und Wirtschaftswegen, auch an der Anschlussstelle für Frießnitz und Burkersdorf wurde nachgebessert.

Gesetzesänderung verzögert Bauplanung

Viel Mühe machte den Planern eine Gesetzesänderung zur Straßenentwässerung. "Hätten wir die neuen Richtlinien früher gekannt, hätten wir die ganze Straße einen Meter höher geplant", sagt Referatsleiter Saalfeld. So wurde nun Abschnitt für Abschnitt die Entwässerung und Ableitung von Regenwasser überarbeitet: "Das war sehr umfangreich, alles musste komplett durchgerechnet werden."

Und das in Zeiten des Ingenieurmangels, in denen planende Büros viel Zeit für Planänderungen bräuchten, teilweise mehrere Wochen, weil die Ingenieurbüros mit ihren Aufträgen nicht hinterherkommen, erklärt Saalfeld. Für Außenstehende sei es nicht immer erkennbar, aber es werde fleißig an den Ortsumgehungen geplant und gearbeitet.

Und wenn dieser Beschluss nicht beklagt wird, haben wir Baurecht, um diese Straße zu bauen. So weit waren wir noch nie.

Stephan Saalfeld Referatsleiter

Zwischen all den Fragen nach Renaturierung, Spazierwegen und Fußgängerbrücke oder Anschlussstellen für die Ortschaften wagt sich einer auch an die alles entscheidende Frage: "Wie lange dauert denn das alles noch mit der Straße, es muss ja langsam mal vorwärtsgehen", empört sich Claus Becker und spricht damit wohl allen Anwesenden aus der Seele.

Saalfeld lässt sich nicht auf einen Baustart festlegen, gibt aber einen Lichtblick: Ende dieses Jahres, Anfang nächsten Jahres könnte das Landesverwaltungsamt grünes Licht geben für den Planfeststellungsbeschluss.

Die Ausbauabschnitte für die Ortsumgehung im Video.

Dann werden die Pläne entweder nochmal öffentlich ausgelegt oder die Betroffenen der zuletzt eingearbeiteten Änderungen nochmals angeschrieben. Das entscheidet das Landesverwaltungsamt. "Und wenn dieser Beschluss nicht beklagt wird, haben wir Baurecht, um diese Straße zu bauen. So weit waren wir noch nie", sagt Referatsleiter Saalfeld und spielt damit auf die langwierigen Planungen seit 1934 an, die immer wieder abgebrochen worden waren. Laut Saalfeld sind für das Bauprojekt aktuell 66 Millionen Euro veranschlagt.

Bauarbeiten bis 2030?

Sobald das Baurecht erteilt wurde, können weitere Untersuchungen des Baugrundes stattfinden, beispielsweise für die neun Brücken auf der neuen Strecke. Und dann könnten die einzelnen Bauabschnitte ausgeschrieben werden.

Wird es jemals so weit kommen? "Nee, nee, nein auf keinen Fall", ist sich Anwohner Gisbert Hüfner sicher. Und Bärbel Morgenroth sagt wie so viele Ältere: "Es wäre sehr schön, aber ich glaube nicht, dass ich es noch erleben werde." Manfred Görges hofft auf einen Baustart in den nächsten fünf bis acht Jahren und Kathrin und Ronald Bensch haben zumindest "ein kleines bisschen Hoffnung, dass es vielleicht mal noch was wird".

Es ist vorgesehen, diese Vorhaben im Geltungszeitraum des Bedarfsplans bis 2030 umzusetzen beziehungsweise mit den Arbeiten hierfür zu beginnen.

Das Thüringer Infrastrukturministerium verweist auf den Bedarfsplan für Bundesfernstraßen. Danach sind die B2 und B175 in den vordringlichen Bedarf eingestuft. Das Ministerium schreibt auf Nachfrage von MDR THÜRINGEN: "Es ist vorgesehen, diese Vorhaben im Geltungszeitraum des Bedarfsplans bis 2030 umzusetzen beziehungsweise mit den Arbeiten hierfür zu beginnen." Auf die himmlische Ruhe in Großebersdorf, aber auch in Frießnitz und Burkersdorf müssen die Anwohner also auch nach dem erteilten Baurecht noch einige Zeit warten.

MDR (hey/cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 27. April 2023 | 19:00 Uhr

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