Wenn die Industrie schwächelt Werkstätten für angepasste Arbeit in Hildburghausen in Not

05. Januar 2024, 21:13 Uhr

In den Werkstätten der Wefa arbeiten Menschen mit Behinderungen für Auftraggeber aus der Industrie. Doch weil Auftraggeber mit eigenen Problemen zu kämpfen haben und deshalb Aufträge streichen, wird es bei der Wefa eng. Nun will man neue Geschäftsfelder erschließen.

Silvio Stärker arbeitet in Hildburghausen in der Werkstatt für angepasste Arbeit (Wefa). Stolz zeigt er auf eine Schraube, die er zuvor vorsichtig aus einer Maschine geholt hat. "Diese Schraube wird später in einem BMW verbaut", sagt der 42-Jährige. Und schon steckt er die nächste BMW-Schraube vorsichtig in den Automaten. Mit dessen Hilfe wird auf die Schraube eine Gummidichtung angebracht.

Wefa-Mitarbeiter Silvio Stärker an der Maschine
"Diese Schraube wird später in einen BMW verbaut": Silvio Stärker an der Maschine. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Silvio hat starke Probleme beim Laufen und auch beim Greifen mit der Hand. Bei der Arbeit ist er mit Feuereifer dabei und manchmal scherzt er ein bisschen mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Er fühlt sich sichtlich wohl an seinem Arbeitsplatz. Doch für seinen Arbeitstag heute ist nur noch eine halbe Kiste der Schrauben-Rohlinge übrig.

Gruppenleiter Daniel Dietmann kommt und bringt das seinem Mitarbeiter so schonend wie nur möglich bei. Der Autozulieferer aus Sonneberg steckt in extremen Schwierigkeiten. Die Firma hat deshalb die Aufträge für die Werkstatt um über die Hälfte zusammengestrichen. Weil nichts mehr zum Arbeiten da ist, verbringt Silvo den Rest des Tages beim Englischunterricht. "Ich nehme wie es kommt, das macht mir auch Spaß."

Löhne gekürzt

Weil die Industrie gerade fast überall schwächelt, hat die Wefa alle Beschäftigten und deren Angehörige bereits über eventuelle Lohnkürzungen per Brief im vergangenen Jahr informiert. Betroffen davon sind in Südthüringen rund 350 Beschäftigte.

Wefa-Beschäftigte
Für sie sollen neue Tätigkeitsfelder gefunden werden: Beschäftigte der Wefa Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Die Wefa hat insgesamt vier Werkstätten. Zwei in Sonneberg sowie je eine in Hildburghausen und Eisfeld. Zwei bis 25 Euro bekommen die Beschäftigen im Januar weniger. "Das klingt erst mal nach nicht so viel. Bei Löhnen von 150 bis 700 Euro ist das aber ziemlich viel Geld", sagt Werkstattleiter David Schubart. Die Bezahlung richtet sich nach der Art der Tätigkeit und dem individuellen Leistungsvermögen.

Alle Wefa-Beschäftigen bekommen ein Grundgehalt von 126 Euro. Der Rest ist der sogenannte Steigerungsbetrag. Wenn die Umsätze in den Werkstätten sinken, muss hier gekürzt werden. "Wir haben wirklich scharf gerechnet", sagt Schubert. "Die Lohnkürzung wäre noch größer ausgefallen, wenn wir nicht an unsere Rücklagen gegangen wären."

Neue Geschäftsfelder gesucht

"Unendlich kann das so natürlich nicht weitergehen", ergänzt Steffen Breitung. Er ist bei der Wefa für alle vier Werkstätten verantwortlich. "Uns fällt jetzt auf die Füße, dass wir vor allem mit der Industrie Geschäftsbeziehungen haben." Wenn es den Betrieben schlecht gehe, fielen die Aufträge weg.

Breitung will deshalb künftig mehr Service und Dienstleistungen anbieten. "In den Krankenhäuern oder Pflegeheimen werden dringend Mitarbeiter gebraucht. Vielleicht können wir hier künftig bei den einfacheren Tätigkeiten in die Bresche springen", so Breitung. Erste Gespräche mit dem Klinikkonzern Regiomed seien vielversprechend gewesen. Wegen der gerade laufenden Insolvenz des Krankenhausverbundes sei momentan jedoch nichts möglich. "Sicher aber ist, wir müssen uns andere Geschäftsfelder suchen", so Breitung.

In den Krankenhäuern oder Pflegeheimen werden dringend Mitarbeiter gebraucht. Vielleicht können wir hier künftig bei den einfacheren Tätigkeiten in die Bresche springen.

Steffen Breitung

Mähroboter sorgt für neue Aufträge

Ein wenig Entspannung könnten vielleicht das Frühjahr und der Sommer bieten. Laut Schubart will die Werkstatt dann Mäharbeiten und Grünflächenpflege anbieten. Einen großen Mähroboter hat die Werkstatt dafür schon bestellt. "Wir konnten auch schon einige Aufträge an Land ziehen und wenn sich der Umsatz wieder erholt, dann heben wir die Löhne auch wieder an", so seine Hoffnung.

Werkstattleiter David Schubart
Werkstattleiter David Schubart Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Silvio Stärker könnte dann bald die Grünflächen in der Umgebung pflegen. Er hofft trotzdem, dass sich die Industriebetriebe schnell wieder erholen. So ein Teil für einen BMW machen zu dürfen, das sei halt einfach cool.

MDR (be/dr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 05. Januar 2024 | 19:00 Uhr

4 Kommentare

DanielSBK vor 19 Wochen

Ja klar, weil man auch mal eben im vorbeigehen 3 oder 4 oder 5 Maschinen zu 700.000€+X anschaffen kann ... für jeden OEM dann eine. Sie haben ja eine Ahnung von der Fertigung...

kleinerfrontkaempfer vor 19 Wochen

Die Werkstätten haben (aus meiner Erfahrung) das Manko sich auf einen Produzenten festzulegen. Mit dem wird der Großteil der Produktion abgewickelt. das ist unkompliziert und läuft gut auf eingefahrenen Bahnen. Bei schwächelnder Konjunktur und Krisen, gerade im Automobilsektor, erfolgt dann der Auftragsschock und Änderungen sind nicht über Nacht, wenn überhaupt, möglich.
Sich Alternativen zu suchen und zu pflegen sollte der Betriebsführung daher Pflicht sein.

Ralf G vor 19 Wochen

Leider hat die desaströse grüne Wirtschaftspolitik auch, oder sogar besonders, Auswirkungen auf die Schwächsten der Gesellschaft, auf die Behinderten.
Es sollte nicht sein, dass es hier zu Lohnkürzungen kommt, denn für die Behinderten ist auch der Lohn ein Ausdruck der Wertschätzung.
Aber einfacher ist es wohl, neue Begriffe für Behinderte zu erfinden.

Führt man sich vor Augen, wofür diese Regierung zweistellige Milliardensummen ausgibt, dann kann das schon wütend machen.

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