Ein Justiz-Beamter nimmt dem Angeklagten die Handschellen ab.
Zehn Jahre Haft: In Meiningen wurde ein Mann verurteilt, weil der seine eigene Mutter erdrosselt hat. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Gerichtsurteil Mann erdrosselt eigene Mutter: Zehn Jahre Haft wegen Totschlags

11. März 2024, 21:33 Uhr

Das Landgericht Meiningen hat einen Mann wegen Totschlags zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, weil er seine Mutter mit einem Kabelbinder erdrosselt hat. Der Angeklagte gestand die Tat am Ende in einer Stellungnahme. Reue zeigte er keine.

Ein 43-Jähriger muss für zehn Jahre ins Gefängnis, weil er seine Mutter getötet hat. Das Landgericht Meiningen sah es als erwiesen an, dass der Mann im vergangenen Sommer die damals 69-Jährige mit einem Kabelbinder in deren Wohnung erdrosselt hat.

Die Strafe teilt sich in neun Jahre für den Totschlag und ein Jahr für einen früheren Vorfall, bei dem der Angeklagte seiner Mutter mit einer Metallschnalle auf den Kopf geschlagen hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte den Mann ursprünglich wegen Mordes angeklagt und bis zum Ende des Prozesses auf lebenslang plädiert. Der Verteidiger blieb in seiner Forderung deutlich unter den zehn Jahren Haft.

Richter sehen Totschlag statt Mord

Der Richter sprach in seinem Urteil von einem Grenzfall - von einer "Tötung nah am Mord". Er stufte die Tat am Ende aber als Totschlag ein. Zwar habe der Verurteilte die Tatwaffe, den Kabelbinder, selbst mitgebracht und damit nicht spontan, sondern mit Vorsatz gehandelt. Aber es sei kein Mordmerkmal erfüllt. Die von der Staatsanwaltschaft angeführte Heimtücke sah das Gericht als nicht gegeben an.

Arglos ist der, der keinen Angriff wähnt.

Zitat des Richters

Obwohl die Mutter beim Angriff offenbar schlief, sei sie laut Gericht nicht arg- und wehrlos gewesen. Argumentiert wurde das so, dass es vorher unzählige Streits gab und auch schon körperliche Angriffe. Demnach sei sich das Opfer der Gefahr bewusst gewesen. "Arglos ist der, der keinen Angriff wähnt", so der Richter wörtlich.

Aus Angst vor ihrem Sohn hatte die Mutter noch am Tag ihres Todes das Schloss ihrer Wohnung wechseln lassen. Der 43-Jährige trat die Tür später ein. Auch hatte das Opfer mehrmals - zuletzt zwei Stunden vor dem Angriff - bei der Polizei angerufen und gesagt, sie sei besorgt. Für den Sohn bestand zu dem Zeitpunkt bereits ein Kontaktverbot.

Gestörtes Verhältnis zu Elternhaus und psychische Probleme

Das Gericht bewertete die Tat auch im Kontext einer jahrzehntelangen toxischen Mutter-Sohn-Beziehung. Daraus ergaben sich für den Richter auch die schuldmindernden Umstände. Dem Angeklagten wurde zudem eine Persönlichkeitsstörung attestiert.

Laut Psychiater hat er paranoide, narzisstische und psychopathische Persönlichkeitszüge - ausgebildet schon in der frühen Kindheit durch eine "fehlgeleitete" Erziehung. Im Elternhaus habe es zwar keine direkte Gewalt, aber auch keine Wärme gegeben. Der Sohn kenne keine gesunde Beziehung. Die Mutter sei manipulativ, kontrollierend und provozierend gewesen.

Das Gericht erhebt sich.
Am Montag wurde das Urteil verlesen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Der Vater, der auch als Zeuge aussagte, wurde als "desinteressiert" beschrieben. Der Gutachter sprach mit Blick auf die Kindheit des Angeklagten von "Mikro-Traumen". Als Folge dieser Erfahrungen wisse der Verurteilte nicht, wie man mit Aggressionen umgehe und sei "vermindert steuerungsfähig". Dennoch sei davon auszugehen, dass der Mann während der Tötung "durchgängig wusste, was er tat".

Darüber hinaus wurde dem 43-Jährigen eine Alkoholsucht attestiert. Auch vor der Tat hatte der Mann nach eigenen Angaben getrunken. Die Polizei ermittelte einen Atemalkoholwert von etwa 1,8 Promille zum Tatzeitpunkt. Ein Wert, der für den Angeklagten allerdings laut Richter nicht hoch genug war, um in besonderer Weise berücksichtigt zu werden. Dass der 43-Jährige nach wie vor von seiner Mutter im Präsens spricht, ist laut Gutachter Ausdruck der übermächtigen Rolle, die sie - auch jetzt noch - in seinem Bewusstsein einnehme.

Außenansicht des Gerichtsgebäudes
Verhandelt wurde am Landgericht Meiningen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Angeklagter räumt Tat ein - zeigt keine Reue

Die fehlende Impulskontrolle des Mannes konnten Besucher der Verhandlung erleben. Während des Urteilsspruchs unterbrach er den Richter mehrmals, beschimpfte das Gericht als "unfähig". Nach zwei Verwarnungen musste er den Saal verlassen.

Am letzten Verhandlungstag äußerte sich der 43-Jährige in Form einer Stellungnahme. Vorgelesen wurde sie von seinem Verteidiger. Darin räumte er die Tat ein, sprach allerdings von einer spontanen Handlung infolge eines erneuten Streits. Anlass seines Besuchs war offenbar, dass er Gegenstände von sich einfordern wollte. Dabei ging es wohl auch um Bargeld, das die Mutter - so die Darstellung der Verteidigung - nicht herausgeben wollte.

Anwalt und Angeklagter im Gerichtssaal
Die Verteidigung hatte für den Angeklagte ein milderes Urteil gefordert. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Der Kabelbinder sei ihm in der Wohnung der Mutter zufällig in die Hände gefallen. Das Gericht hielt diese Darstellung für nicht glaubhaft. Nachbarn hätten weder einen Streit noch Hilferufe gehört. Auch hatte die Mutter laut Rechtsmedizin keine Abwehrverletzungen.

Der Mann zeigte bis zum Ende keine Reue. Direkt nach der Tat beschimpfte er, wie im Prozess zu erfahren war, seine Mutter als "blöde Gurke", die es nicht anders verdient habe. Mit der Tötung habe er, wie er sagte, "dem Affentheater ein Ende gesetzt". Der Verteidiger kündigte - trotz des im Vergleich zur Forderung der Staatsanwaltschaft milden Urteils - Revision an.

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MDR (med/cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 11. März 2024 | 19:07 Uhr

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