Katja Wolf - Lars Sänger Kommentar
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Meinung Analyse zu Katja Wolf und BSW in Thüringen: Die Kaderplanung läuft

27. Januar 2024, 15:53 Uhr

Katja Wolf ist bislang das einzige bekannte Gesicht, das das Bündnis Sahra Wagenknecht in Thüringen präsentiert hat. Wolf, die einst für die Linke im Landtag saß und bis jetzt Oberbürgermeisterin von Eisenach ist, hat ihr Parteibuch zurückgegeben und ist zum BSW gewechselt. Dass Wolf die neue Partei als Spitzenkandidatin in den Landtagswahlkampf führt, ist wahrscheinlich, aber noch ungewiss. Wen zaubert Wagenknecht noch aus dem Hut? Eine Analyse von Lars Sänger.

Was Sahra Wagenknecht macht, erinnert an das Geschäft von Fußball-Managern. Beide planen den schnellen Aufstieg und grasen dafür die Konkurrenz nach potenziellen Neuzugängen ab. Auf der Suche nach Unzufriedenen und Talenten, die zum eigenen Profil passen.

Wechselabsichten hegt, wer sich im alten Verein (bzw. Partei) unterschätzt oder übergangen fühlt. Das weiß auch Sahra Wagenknecht. Die 54-Jährige ruft, im Stile einer Top-Managerin, viele Auserkorene persönlich an. Das schmeichelt.

Wagenknecht umwirbt und hat ein lukratives Angebot dabei. Sie verspricht den Sprung auf die große Bühne und Sichtbarkeit. Aus der Kreisliga in die Landesliga. Oder in Politiker-Spielklassen ausgedrückt: Aus dem Kreistag in den Landtag.

Vom Neuling zum Aufstiegsaspiranten

Das Muster, nach dem die ehemalige Frontfrau der Linken ihren ersten eigenen Kader plant, ist leicht zu durchschauen. Interessant ist für sie vor allem, wer langjährige Erfahrung in Parlamenten und Gremien gesammelt hat und weiß, wie Parteiarbeit funktioniert.

Wagenknecht sucht außerdem nach solchen, die kommunal verwurzelt und bekannt sind. Idealerweise im ländlichen Raum, denn dort verspricht sich das BSW vor allem zu punkten. Und Bekanntheit vor Ort garantiert eben Wählerstimmen. Das ist ein Kalkül, das angesichts der nahenden Landtagswahl alternativlos ist.

Die Zeit, politische Neulinge aufzubauen, hat das BSW nicht. Es gilt, in Rekordtempo funktionierende Strukturen zu schaffen. Gelingt das nicht, droht schon der Wahlkampf zum Desaster zu werden. Die Zukunft des Bündnisses stände auf tönernen Füßen.

Andernfalls gilt: Ein funktionierender Partei-Apparat mit Personal, das Knowhow besitzt und vom politischen Mitbewerber eingeschätzt werden kann, wären gewichtige Argumente, wenn es nach der Wahl darum geht, als Koalitionspartner infrage zu kommen.

Noch ist der Kader zu klein

Sahra Wagenknecht hat in Katja Wolf ihre Spielmacherin bereits gefunden. Die 47-Jährige ist politisch hochgradig erfahren und mit allen Wassern gewaschen. Wolf saß 13 Jahre für die Linke im Landtag. Ähnlich lange ist sie Oberbürgermeisterin von Eisenach.

Wolf ist das perfekte Pendant zur politischen Konkurrenz, die überwiegend männlich und aus den alten Bundesländern zugezogen ist. Allerdings ist die gebürtige Erfurterin momentan noch Alleinunterhalterin.

Das BSW hat bislang weder weitere namhafte Akteure vom Formate Wolfs verpflichtet, noch ein inhaltliches Programm für Thüringen präsentiert. Das ist ein Nachteil, den das Bündnis dringend ausbessern muss, will es ernsthaft angreifen.

Auf dem Wunschzettel Wagenknechts stehen, nach allem was man hört, unter anderen noch ein namhafter, kommunalpolitisch erfahrender und extrem gut vernetzter Kulturmanager aus Weimar und eine streitbare Landrätin ohne Parteibuch. Sie würden dem BSW-Anforderungsprofil absolut entsprechen.

Wer das Geschäft kennt, macht seltener Fehler

Die offenbar angepeilte personelle Qualität der Thüringer Gründungsmannschaft des BSW, sofern sich das Muster der ersten Tage fortsetzt, ist übrigens ein wesentlicher Unterschied zur AfD in deren Anfangsphase. Die frühe AfD war ein wilder Haufen zum Teil völlig Unerfahrener.

In weiten Teilen damals kamen Politik-Novizen zusammen. Parlamentarische und parteiliche Abläufe mussten erst erlernt werden. Ein klassisches Problem junger Parteien, das dem BSW – zumindest im ganz großen Maße – erspart bleiben könnte. Dadurch könnte das Bündnis auch vergleichsweise schnell eine ernstzunehmende Koalitions-Option werden.

Was wird aus dem Links-Verteidiger?

Dass das BSW nicht zuletzt der AfD Wähler streitig machen könnte, ist hinlänglich analysiert. Wer droht also noch in Abstiegsnot zu geraten? Klare Antwort: Linke und SPD. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden noch mehr Linken-Politiker verschiedener Ebenen die Partei verlassen und zum BSW wechseln.

Die Linke muss sich dann fragen: Warum laufen uns die Leute weg? Und daran schließt sich die Frage an: Hat die Linke in der Personalie Wolf etwas Wesentliches übersehen? Wäre Wolf vielleicht eine geeignete Ramelow-Nachfolgerin gewesen?

Fest steht, dass es die Linke jahrelang versäumt hat, die Zeit nach Bodo Ramelow vorzubereiten. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass Ramelow und Wolf keine Freunde sind. Was droht, ist der Eindruck, persönliche Befindlichkeiten hätten dabei, dass Wolf bei den Linken im Abseits stand, eine Rolle gespielt.

Wer bespielt die rechte Seite?

Der SPD kann das BSW zumindest personell wenig schaden. Die, die für die Sozialdemokraten Ministerposten bekleiden, werden der Partei sehr wahrscheinlich treu bleiben. Der zweiten SPD-Reihe fehlen die Spielmacher-Qualitäten, um für das BSW interessant zu sein.

Schwerer wiegt da schon, dass das BSW die Genossen inhaltlich überflüssig machen könnte. Das, was bislang programmatisch vom Wagenknecht-Bündnis bekannt ist, erinnert in Ansätzen an das einstige Erfolgsrezept der dänischen Sozialdemokraten im Kampf gegen den aufkeimenden Rechtspopulismus im Land. Rigide in der Asylpolitik, kulturell konservativ auftretend und den Sozialstaat sichernd.

Die Thüringer SPD hat sich dagegen entschieden, den Kurs der dänischen Genossen zu kopieren. Damit hat sie die Chance auf ein größeres Wähler-Klientel verstreichen lassen. Jetzt ist es zu spät, die Spieltaktik zu ändern, denn das BSW hat Anlauf genommen, den Freistoß zu verwandeln.

MDR (seg/dvs)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 27. Januar 2024 | 19:00 Uhr

63 Kommentare

martin vor 15 Wochen

@wessi: Nach meiner Wahrnehmung wird BK Scholz hier in Th nicht als jemand wahrgenommen, der "Führung liefert", sondern als jemand, der sich von den Koalitionspartnern durch den Ring führen lässt. Da die Grünen hier für viele Menschen das Feindbild schlechthin sind, sind die Grünen natürlich an allen Problemen Schuld.

Ludwig58 vor 15 Wochen

Eine sehr gute Analyse von Herrn Sänger. Ich kann das Problem der Linken in Thüringen nur unterstreichen. Es gibt außer Ramelow keinen landesweit bekannten Politiker von Profil. Da haben die Genossen geschlafen bzw. aus Gründen persönlicher Eitelkeit manches übersehen.
Die SPD ist in Thüringen (wie auch in vielen anderen Ländern) in rasanter Abwärtsbewegung. Ein Vorsitzender wie Maier ist kein Zugpferd. Dazu ist er viel zu ruhig und auch nicht verwurzelt in Thüringen. Warum Bausewein sich auf seinem Sofa in Erfurt ausruht und nicht nach oben will (oder darf) ist mir rätselhaft. Er ist jedenfalls viel populärer als Maier.
Bei der Auswahl des Personals ist Wagenknecht sicher sehr anspruchsvoll. Es erinnert aber auch an die Kaderpolitik früherer sozialistischer Prägung. Da sitzt die Chef-Genossin in Berlin und entscheidet quasi im Alleingang, wer darf und wer nicht.
Wie es allerdings der "Porsche-Klaus" geschafft hat, den hohen Ansprüchen der Chefin gerecht zu werden, ist mir ein Rätsel.

Wagner vor 15 Wochen

Letztens war^Civey bezogen auf BSW relevant ,jetzt nicht.Wahrheit wird immer so gedreht wie mans braucht. Aber trotzdem :SPD bei 13-14 % ist ja das eigentliche Desaster. Wer hat uns verraten,Sozialdemokraten. So ist es.Eine Politik für Nichtarbeitende,gegen Arbeitende,gegen Rentner usw..
Und für Krieg —das ist Sozialdemokratie heute.

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