Journalisten des rumänischen Senders Digi24 drehen eine Doku-Serie auf einer Corona-Intensivstation
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Schockierende Szenen Die Wahrheit über Corona: TV-Reporter auf der Intensivstation

18. September 2020, 08:50 Uhr

In Rumänien breitet sich das Coronavirus immer rasanter aus. Dennoch hält ein Großteil der Bevölkerung Covid-19 für eine Erfindung. Die Folge: Sie tragen keinen Mundschutz und ignorieren alle Hygieneregeln. Eine Fernsehjournalistin will ihre Landsleute daher wachrütteln: mit einer Art "Reality-TV" direkt von der Corona-Station - mit herzzerreißenden Szenen, Tränen, Erstickungsanfällen und plötzlichem Tod.

Corona-Leugner sind in Rumänien eine weit verbreitete Spezies - das legen zumindest Umfragen nahe. Die Marketingfirma Novel Research hat zum Beispiel herausgefunden, dass 33 Prozent der Rumänen an der Existenz des Corona-Virus zweifeln, weitere 12 Prozent sind sogar überzeugt, das Virus sei eine Erfindung. Die Folge: Schutzmaßnahmen werden nur nachlässig oder gar nicht befolgt. Hinzu kommt die starke Religiosität vieler Rumänen, gerade auf dem Lande, wo es doppelt so viele Corona-Skeptiker gibt wie in der Stadt. Die Gläubigen nehmen massenweise an Gottesdiensten und Wallfahrten teil, wo sich die Menschen dicht an dicht drängen, nacheinander Ikonen küssen und ohne Einhaltung von Hygieneregeln die Kommunion empfangen. Orthodoxe Gottesdienste haben sich so mitunter zu regelrechten Corona-Partys entwickelt.

Todesfälle nehmen in Rumänien rasant zu

Die Folge: Seit Mitte Juli stieg die Anzahl der täglichen Corona-Todesfälle in Rumänien rasant an - von unter 20 auf etwa 40, mitunter auch auf über 50 pro Tag. Zum Vergleich: In Deutschland sind es gegenwärtig pro Tag nur einstellige Zahlen. Ganze zwölf Kreise oder Städte in Rumänien sind momentan von Deutschland als Risikogebiete eingestuft.

Rumänische Fernsehjournalistin Carla Tanasie
Die Fernsehjournalistin Carla Tanasie versucht, Coronaleugner wachzurütteln. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Der Fernsehjournalistin Carla Tanasie vom privaten Nachrichtensender "Digi24" bereitet das Sorgen. Um ihren Landsleuten die Gefährlichkeit der Corona-Pandemie vor Augen zu führen, berichtet sie deshalb einmal pro Woche von den Corona-Intensivstationen Rumäniens - in der Hoffnung, den einen oder anderen Coronaleugner und Mundschutz-Verweigerer zum Umdenken zu bewegen.

Herzzerreißende Szenen auf der Corona-Station

In ihrer Sendung, die immer montags ausgestrahlt wird, zeigt sie unverblümt die Realität, die in den Krankenhäusern herrscht: Ärzte kämpfen nicht nur um das Überleben der Corona-Patienten, sie müssen auch mit dem maroden und chronisch unterfinanzierten Gesundheitssystem Rumäniens kämpfen. Carla Tanasie begleitet die Krankheitsverläufe mitunter mehrere Tage lang und lernt viele Patienten kennen - und auch ihre Ängste zu sterben und die Familie davor nicht mehr sehen zu können.

Es entstehen herzzerreißende und schockierende Szenen: Ein Patient erstickt zum Beispiel beinahe vor der Kamera, weil er die Beatmungsglocke abgenommen hat, um kurz mit der Familie zu telefonieren. Ein anderer scheint schon auf dem Weg der Besserung zu sein, doch am nächsten Tag trifft Carla nur noch seinen Bettnachbarn an, der vom grausamen Tod des Patienten in der Nacht berichtet.

Ärzte am Limit, Regierung ohne Gehör

Corona-Station in einem rumänischen Krankenhaus
Selbst auf der Intensivstation darf die Ikone nicht fehlen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Und auch den Druck, der auf Ärzten und Schwestern lastet, fängt Carla Tanasie ein. Wegen Personalmangels arbeiten sie oft viel länger als erlaubt - und oft ohne zwischendurch etwas trinken oder mal austreten gehen zu können. Viele Schwestern haben Carla in Interviews berichtet, dass sie mit Windeln zur Arbeit auf die Intensivstation gehen.

Die Journalistin bestätigt, dass die Religiösität der Rumänen eine maßgebliche Rolle bei der Verbreitung des Virus spielt, doch sie betont noch einen anderen Aspekt: Die Menschen hätten wegen der grassierenden Korruption und Intransparenz kein Vertrauen mehr in ihre politische Führung. Statt den staatlich verordneten Anti-Corona-Maßnahmen Glauben zu schenken, ginge die rumänische Bevölkerung daher lieber in die Kirche, um dort für ihre Gesundheit zu beten.

Journalisten des rumänischen Senders Digi24 drehen eine Doku-Serie auf einer Corona-Intensivstation
Das Fernsehteam lernt viele Patienten näher kennen und fängt mitunter drastische Szenen auf der Corona-Station ein. Bildrechte: Kati Molnar

Fernsehen im Dienste der Aufklärung

Für die tägliche Schocktherapie ihrer Zuschauer riskieren Carla Tanasie und ihr Kameramann bei jedem Dreh, sich selbst mit dem gefährlichen Corona-Virus anzustecken. Vom Gesundheitsministerium wird die Aufklärungsarbeit allerdings wohlwollend unterstützt, obwohl die Reporterin auch regelmäßig Kritik am rumänischen Gesundheitssystem übt. Doch viele Rumänen überzeugen selbst die Bilder von der Intensivstation nicht: Auf Facebook ergoss sich ein Shitstorm gegen Carla mit dem Vorwurf, ihre Beiträge seien Fake-News.

Düstere Prognosen für Rumänien

Dabei sagen Prognosen eine düstere Entwicklung für Rumänien voraus, wenn die Entwicklung in diesem Tempo weiter geht: Schon Mitte November könnten um die 1.000 Intensivbetten fehlen. Die täglichen Todeszahlen würden dann auf sogar 300 pro Tag ansteigen.

Orthodoxe Gottesdienste als Gefahr Rumänien gilt als eines der religiösesten Länder in Europa. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie erweist sich das als großes Problem - denn viele Menschen glauben, dass Beten mehr hilft als die Einhaltung von Hygieneregeln. Wie es bei orthodoxen Wallfahrten in Rumänien im Corona-Zeitalter zugeht, erfahren Sie im ersten Teil unserer Reportage (Link unten).

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 19. September 2020 | 06:00 Uhr

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