Streit oder Chance EU-Mitglieder verweigern Gemeinschaft beim Gas-Notfallplan der Kommission

24. Juli 2022, 05:00 Uhr

In der EU wächst der Widerstand gegen den Gas-Notfallplan der EU-Kommission. Mehrere Länder wehren sich vor allem gegen den Plan der Kommission, die zunächst freiwillige Reduzierung des Gasverbrauchs bis März 2023 um 15 Prozent notfalls verpflichtend zu machen. Hintergrund sind Befürchtungen, dass Moskau die Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 weiter zurückfahren oder wieder ganz stoppen könnte, was vor allem die besonders vom russischen Gas abhängigen Länder wie Deutschland träfe.

Die EU macht Tempo. Es sei wichtig, jetzt zu handeln und nicht erst, wenn Putin den Gashahn zudrehe, mahnt Ursula von der Leyen. Und die Kommissionspräsidentin fordert, dass alle 27 Mitgliedsstaaten zur Einsparung sowie zur Speicherung beitragen und auch bereit sind das Gas, wenn nötig, mit den Nachbarn zu teilen. Sie sagte, alle 27 Mitgliedsstaaten müssten zur Einsparung und Speicherung beitragen und auch bereit sein, das Gas – wenn nötig – mit den anderen Nachbarn zu teilen.

Widerstand gegen Gas-Notfallplan in Portugal und Spanien

Widerstand kam umgehend von der iberischen Halbinsel. Portugals Energieminister João Galamba sprach von einem nicht akzeptablen Vorschlag, weil dieser die Stromerzeugung durch Gaskraftwerke behindern würde, während das Land gerade mit einer extremen Dürre zu kämpfen hat.

Auch die spanische Regierung werde den Verbrauchern nicht vorschreiben, ihren Gasverbrauch einzuschränken, sagte die dortige Energieministerin Teresa Ribera. Denn Spanien habe auch mit den Gebühren der Unternehmen und privaten Haushalte seit Jahren in ein leistungsstarkes Netz investiert, um vom Gas unabhängiger zu sein.

Spanien unterstützt diesen Vorschlag nicht. Wir wollen uns nichts aufzwingen lassen, zu dem man uns vorher nicht mal konsultiert hat, und das gravierende Auswirkungen für uns hätte.

Spaniens Energieministerin Teresa Ribera

Ribera verteidigte ihre Landsleute. Im Gegensatz zu anderen Ländern hätten die Spanier aus energetischer Sicht nicht über ihre Verhältnisse gelebt. Sie versicherte ihnen, dass egal was passiere, die spanischen Familien keine Gaskürzungen erleiden würden, und genauso würden die spanische Industrie geschützt.

Viele Länder machen Deutschland für Gaskrise verantwortlich

Inzwischen widersetzen sich dem Kommissionsvorschlag auch andere Länder wie Griechenland, Ungarn, Zypern und Polen, wo man vor allem Deutschland dafür verantwortlich macht, dass Europas Wirtschaft am russischen Gas hängt.

Radosław Fogiel, Sprecher der polnischen Regierungspartei PiS etwa sagte im polnischen Fernsehen, da habe man eigentlich wenig Lust, den Deutschen mit Gas auszuhelfen. Er betonte, dass sich Polen überhaupt nicht verweigern wolle, denn ganz Europa befinde sich in einer schwierigen Situation. Aber man könne schon daran erinnern, wer Recht hatte und wer im Unrecht war.

Deutschland trinkt jetzt das Bier, das es sich selbst gezapft hat. Es hat über Jahre seine wirtschaftliche Position mit Hilfe der russischen Rohstoffe gestärkt.

Radosław Fogiel, Sprecher der polnischen Regierungspartei PiS

Fogiel verwies auf das militärische Engagement Russlands in den von Georgien abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien sowie in Tschetschenien. Das Geschehen dort habe die Deutschen nicht gestört. Dass sie jetzt in dieser Situation seien, habe schon eine gewisse Ironie.

CSU-Politiker Ferber verweist auf deutsche Hilfe für Mittel- und Osteuropa

Der CSU-Europa-Parlamentarier Markus Ferber dagegen sagte, Deutschland brauche jetzt die Solidarität der EU. Und natürlich, so der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP, der größten Parlamentsfraktion, habe man die Gefahr unterschätzt, dass die Gasleitungen als politisches Druckmittel Moskaus dienen könnten. Ferber betonte aber auch, dass Deutschland in den letzten Jahren sehr solidarisch in der Gasversorgung gerade in Richtung Mittel- und Osteuropa gewesen sei.

Wenn wir heute sehen, dass Polen seine Gasspeicher schon komplett gefüllt hat, dann muss auch Solidarität in die andere Richtung mal funktionieren.

CSU-Europa-Parlamentarier Markus Ferber

EU-Energiekommissarin warnt EU-Staaten vor Schließung deutscher Betriebe

EU-Energiekommissarin Kadri Simson warnte, dass über den gemeinsamen Binnenmarkt würden alle EU-Staaten die Konsequenzen spüren, wenn Länder wie beispielsweise Deutschland Betriebe schließen müssten und Lieferketten empfindlich gestört würden. Natürlich seien die Voraussetzungen in den Staaten sehr unterschiedlich. Einige wie Belgien seien kaum vom russischen Gas abhängig oder hätten wie Finnland ihren Verbrauch in den vergangenen Jahren schon deutlich reduziert.

Simson betonte aber, Solidarität sei sehr wichtig, wenn es um unsere Energiesicherheit gehe. Sie verwies auf eine außerordentliche Sitzung der EU-Energieminister am Dienstag. Sie wisse, dass da ihre Kollegen darlegen würden, was ihre Länder schon alles getan hätten. Aber die EU-weiten Einsparungen würden aktuell nur fünf Prozent entsprechen und das reiche ganz klar nicht aus.

Abstimmung über EU-Verordnung offen

Ob beim Treffen der Energieminister mindestens 15 Länder, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, für die EU-Verordnung stimmen, ist offen. Allerdings werden Länder, die sich weigern, im Fall eines akuten Notstandes, nicht mit der Solidarität der anderen rechnen können.

Mehr zum drohenden Gasmangel

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 24. Juli 2022 | 06:00 Uhr

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