Finanzexperte erklärt Was tun mit der Kapitallebensversicherung?

24. Januar 2023, 13:34 Uhr

Wenn die Zinsen steigen, haben auch Versicherte die Hoffnung, dass ihre Kapitallebensversicherung wieder mehr bringt. Der Garantiezins für neue Verträge liegt jedoch aktuell bei mageren 0,25 Prozent. Mehr als 80 Millionen Policen haben die Deutschen bereits, zumeist als Altersvorsorge. Doch Verbraucherschützer kritisieren oft, dass diese zu teuer und intransparent seien. Welche Möglichkeiten gibt es also, aus alten und neuen Lebensversicherungen Kapital zu schlagen?

Hermann-Josef Tenhagen von Finanztip
Hermann-Josef Tenhagen von Finanztip Bildrechte: Finanztip

Alte Verträge nicht kündigen, neue nicht abschließen. Dieser Leitsatz ist erstmal ein guter Ausgangspunkt für die Betrachtung einer Lebensversicherung aus Kundensicht. Jedenfalls wenn es eine ist, mit der man nicht nur seine Angehörigen absichern, sondern auch sparen will – also klassische und fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen, Riester- Rentenversicherungen und Rürup-Versicherungen. Das trifft jedoch nicht für die Risiko-Lebensversicherung zur Absicherung der Familie oder des Geschäftspartners zu – einmal preiswert abgeschlossen, ist sie immer sinnvoll.

Es gibt eigentlich nur wenige Situationen, in denen es sinnvoll ist, eine vor Jahren abgeschlossene Lebensversicherung zu Sparzwecken wieder zu kündigen. Zum Beispiel: Der Vertrag ist erst einige Jahre alt, viel zu teuer oder Sie möchten kein weiteres Geld verbrennen. In allen anderen Fällen gibt es Alternativen, die besser und vor allem lukrativer sind als die Kündigung.

Warum sich die Kündigung nicht lohnt

Der Hauptgrund: Kündigen Sie Ihr Vertragsverhältnis mit der Versicherung auf, zahlen Sie eigentlich immer drauf. Die Abschlusskosten, also die Provisionen, die Sie gleich zu Beginn des Vertrages zahlen müssen, sind verloren. Sie verzichten auf künftige Erfolge bei der Geldanlage, also auf die Überschüsse, die eine Rendite jenseits der Garantie bringen. Zusätzlich verzichten Sie auch auf den Bonus zum Laufzeitende, und bei Verträgen aus den 1990ern und den frühen Nullerjahren fällt auch eine gute Sparverzinsung weg.

Hinzu kommt, Riester- und Rürup-Verträge und auch Betriebsrenten lassen sich nicht einfach so kündigen. Bei Riester-Verträgen können Sie ohne große Verluste immerhin den Anbieter wechseln, bei Rürup-Verträgen geht meist nicht einmal das. Wenn Sie den Vertrag aber dennoch unbedingt loswerden wollen oder müssen, gibt es  günstigere Wege als die Kündigung.

Alternativen zur Kündigung

Verkaufen

Wenn Sie das Geld aus dem Lebensversicherungsvertrag dringend brauchen, um einen Kredit zu tilgen oder für eine Notsituation, dann sollten Sie ihre klassische oder fondsgebundenen Lebensversicherung versuchen zu verkaufen. Spezielle Policen-Ankäufer bieten ein paar Prozentpunkte mehr für Ihren Vertrag als die Versicherung – allerdings nur für ältere Verträge mit gutem Garantiezins. 1,5 bis 4 Prozent mehr sind drin. Das macht schnell ein paar Tausend Euro aus.

Die Ankäufer zahlen Ihnen damit einen Preis für den Vertrag, der höher ist als der Rückkaufswert, den Sie von ihrem Versicherer bekommen würden. Die Aufkäufer führen Ihren Vertrag bis zum Ende weiter, samt aller Zinsen und dem Schlussbonus. Schon daran können Sie sehen, dass es vielfach sinnvoller wäre, den Vertrag selbst weiterzuführen.

Beleihen

Sie müssen nur einen finanziellen Engpass überbrücken, haben später aber wieder mehr finanziellen Spielraum. Dann wäre es schade, wenn Sie eine Lebensversicherung aus den 1990er oder den frühen 2000er Jahren kündigen oder verkaufen. Die Garantiezinsen sind zu gut, die Auszahlung gibt es häufig steuerfrei.

Besser, Sie beleihen Ihren Vertrag. Das bedeutet, eine Bank gewährt Ihnen ein Darlehen in auf einen Teil des Werts Ihrer Lebensversicherung. Das lohnt sich immer dann, wenn Sie ohne viel Mühe an das Darlehen kommen und den Betrag am Ende einer vereinbarten Zeit auf einmal zurückzahlen können. Sie können weiterhin in die Versicherung einzahlen.

Die Zinsen für ein solches Darlehen sind gegebenenfalls höher als bei einem Ratenkredit. Prüfen Sie daher auch diese Alternative

Beitragsfrei stellen

Sie wollen jetzt die Beiträge einsparen. Vielleicht haben Sie gerade einen Engpass und können oder wollen die monatlichen Zahlungen in die Lebensversicherung nicht leisten. Dann pausieren Sie einfach! Dies ist für eine gewisse Zeit in der Regel problemlos möglich. Alternativ können Sie Ihre Beiträge manchmal auch aus Überschüssen begleichen.

Karteikartenreiter mit der Aufschrift "Lebensversicherung"
Lebensversicherung beibehalten und nichts zahlen? Das geht indem Sie Ihre Beitragszahlungen pausieren. Bildrechte: IMAGO / Shotshop

Verträge lassen sich ansonsten auch dauerhaft beitragsfrei stellen: Sie setzen die Zahlungen also ein für alle Mal aus und warten auf die Auszahlung, bis Sie in Rente gehen. Das lohnt sich immer, wenn Sie Ihren Vertrag schon vor 2005 abgeschlossen haben – er hat dann eine gute Sparverzinsung und Sie bekommen die Auszahlung steuerfrei. Bei jüngeren Verträgen prüfen Sie, ob Sie den Vertrag verkaufen können.

Wenn der Vertrag zu teuer ist

Ihr Vertrag scheint Ihnen einfach zu teuer zu sein, dann überprüfen Sie zuerst mithilfe des Finanztip-Rechners, ob Ihr Vertrag wirklich unrentabel ist. Dafür sollten Sie alle wichtigen Daten vom Versicherer abfragen. Stellt sich heraus, dass Ihr Vertrag tatsächlich zu teuer ist, versuchen Sie zunächst, ihn zu verkaufen.

Vor allem dann, wenn Sie Ihren Vertrag erst in den vergangenen zwei, drei Jahren abgeschlossen haben, findet sich dafür meist kein Ankäufer. Stellt sich der Vertrag als unrentabel heraus, müssen Sie in den sauren Apfel beißen und tatsächlich kündigen.

Widerruf eines alten Vertrags prüfen

Manche alten Lebensversicherungsverträge können Sie auch anders loswerden – mit einem Widerspruch. Der Grund: Rund sechs von zehn Widerspruchsbelehrungen sind nach einer Erhebung der Verbraucherzentrale Hamburg fehlerhaft. Und wenn die Belehrung fehlerhaft ist, beginnt die 14- oder 30-tägige Frist, innerhalb derer Sie widersprechen können, gar nicht zu laufen. Sie können demnach auch noch nach Jahren widersprechen.

Ein erfolgreicher Widerspruch oder Rücktritt führt zur Rückabwicklung. Versicherte bekommen dann die eingezahlten Beiträge zurück und erhalten auch noch Zinsen. Aber: So leicht ist das nicht, da die Erfolgsaussichten vor Gericht mittlerweile deutlich gesunken sind. Ein Widerspruch nach vielen Jahren kann rechtmissbräuchlich sein, wenn der Versicherte sich auf einen rein formalen Fehler im Vertrag beruft. Deshalb kommt es auf den Einzelfall an.

Verbraucherzentralen und spezialisierte Anwälte bieten eine Prüfung an, ob ein Widerruf im Einzelfall möglich und sinnvoll ist. 

MDR (jba)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 10. Januar 2023 | 17:00 Uhr

Mehr zum Thema Finanzen

Weitere Ratgeber-Themen