Pop-up-Bikelane Kottbusser Damm
Kurzfristig eingerichteter neuer Fahrradweg am Kottbusser Damm in Berlin-Kreuzberg (Archivbild)(: Eine neue Studie zeigt, dass Ladenbesitzer von einem Umbau der Verkehrsinfrastruktur hin zu mehr ÖPNV, sowie Fuß- und Radverkehr profitieren. Bildrechte: IMAGO / Hoch Zwei Stock/Angerer

Mobilität in Großstädten Shoppen in der City: Parkplätze kaum relevant für Ladenumsätze

21. Juli 2021, 17:55 Uhr

Ladenbesitzer überschätzen die Bedeutung von Parkplätzen in der Nähe ihrer Geschäfte. Eine neue Umfrage zeigt: Tatsächlich kommen 91 Prozent der Umsätze von Laufkunden. Weniger Stellplätze, mehr Radwege könnte demnach sogar für höhere Einnahmen bei den Läden sorgen.

Planen Stadtverwaltung eine Baustelle in einer Straße mit vielen Läden, so erhebt sich meist umgehend der Klagegesang vieler Ladenbesitzer: Wenn die Kunden wegen der Baustelle nicht mehr mit dem Auto kommen könnten, dann breche ihr Umsatz ein, so eine häufige Befürchtung der Gewerbetreibenden. Wird die Straße im Zug der Baumaßnahme auch noch so umgestaltet, dass hinterher weniger oder gar keine Stellplätze für Kraftfahrzeuge vorhanden sind, dann wird gar die Pleite des Geschäfts befürchtet.

Zumindest in Großstädten ist diese Sorge von Händlern aber weitgehend unbegründet und beruht auf einem Missverständnis, das zeigt eine neue Umfrage von Potsdamer Sozialforschern unter rund 2.000 Kundinnen und Kunden sowie 145 Einzelhändlerinnen und –händlern an den Berliner Einkaufsstraßen Kottbusser Damm und Hermannstraße. Die Ladenbetreiber überschätzten demnach den Anteil ihrer Kunden, der mit dem Auto kommt, massiv.

Über 90 Prozent der Umsätze von Laufkundschaft

Wie die Auswertung zeigt, kamen rund 93 Prozent aller Kunden zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem ÖPNV zu den Läden. Zusammen waren sie für 91 Prozent aller Umsätze verantwortlich. Die übrigen sieben Prozent der autofahrenden Kundinnen und Kunden tätigten lediglich 9 Prozent der Umsätze.

Cafés und Geschäfte am Kottbusser Damm in Berlin-Kreuzberg
Cafés und Geschäfte am Kottbusser Damm in Berlin-Kreuzberg Bildrechte: IASS/Dirk von Schneidemesser

"Dieser Befund kommt keineswegs überraschend. Er deckt sich mit Studien, die 2019 über die Innenstädte von Offenbach, Gera, Erfurt, Weimar und Leipzig erschienen sind", sagt Dirk von Schneidemesser, der die Befragung des Instituts für fortgeschrittene Nachhaltigkeitsstudien (IASS) geleitet hat. "Auch die Forschung über Mobilität und lokale Wirtschaft aus anderen europäischen Ländern, aus Nordamerika und Australien spiegeln die gleichen Erkenntnisse wider."

Umbau der Infrastruktur zugunsten von Fuß- und Radverkehr gut für Geschäfte

Die Fehleinschätzung könne laut den Forschern damit zusammenhängen, dass die Händlerinnen und Händler selbst mehrheitlich mit dem Auto (29 Prozent) zu ihren Geschäften kommen, als mit anderen Verkehrsmitteln (10 bis 19 Prozent). Außerdem schätzten sie die Entfernung, die Kundinnen und Kunden zu ihren Läden zurücklegen, viel zu hoch ein. 51 Prozent der Kundschaft wohnte weniger als einen Kilometer vom Geschäft entfernt. Die Händler schätzen diesen Anteil von Laufkundschaft mit 13 Prozent deutlich niedriger ein.

Von Schneidmesser sieht die Ergebnisse als weiteren Beleg für die Vermutung, dass eine Reduktion des Pkw-Verkehrs in großstädtischen Einkaufsstraßen und eine Verbesserung der Infrastruktur für ÖPNV, Fahrrad- oder Fußverkehr letztlich auch eine Verbesserung der Einkünfte von Händlern bringt.

(ens)

6 Kommentare

Querdenker am 22.07.2021

Es wäre schön, wenn noch aufzeigt wird, wer die Macher der „Studie“ sind.

siehe „iass potsdam Dirk von Schneidemesser“

Zitat: „Dirk is part of the Berlin based initiative Changing Cities e.V. which is responsible for the co-creation of Germany's first bicycle law, passed in 2018.“

Übersetzung: „Dirk ist Teil der Berliner Initiative Changing Cities e.V. die für die Mitgestaltung des ersten deutschen Fahrradgesetzes verantwortlich ist, das 2018 verabschiedet wurde.“

Changing Cities e.V. strebt einen Volksentscheid zum Fahrrad in Berlin an.

Die Studie sollte einer objektiven Prüfung unterzogen werden. Auch sollte es demgegenüber eine Befragung geben, warum Autofahrer ggf. nicht mehr in die Innenstädte zum Einkaufen fahren. Mit Parkplatzmangel und Parkgebühren mit als Antwortmöglichkeit.

Querdenker am 22.07.2021

Die Autofahrer wurden doch schon verdrängt mit Parkgebühren und Vernichtung von Parkplätzen. Viele überlegen es sich genau, ob sie in die Innenstadt zum Einkauf fahren oder lieber im Internet bestellen. Das Sterben der Läden in Innenstädten hat seine Gründe.

Die Parksituation vor Ort ist für mich ein wichtiges Hauptkriterium. Das wird für viele andere Bürger nicht anders sein. Der Schaden ist also eigentlich schon entstanden.

Die Verantwortlichen in Dresden haben bestimmt nur die tolle „Studie“ nicht gelesen?

siehe „tag24 Gegen das Ladensterben in Dresdens Innenstadt: 1500 neue Parkplätze sollen die City retten“ (10.2020)

Parkplatzgebühren sind im Prinzip eine „Eintrittskarte“ für Innenstädte. Und wer will schon Geld bezahlen und Aufwand (Zeit, Stress etc.) betreiben, wenn er das kostenlos und bequem vom Sofa aus haben kann?

Eine Studie bzw. Vergleich mit und ohne Anti-Autofahrer-Politik wäre sinnvoll.

mattotaupa am 22.07.2021

"... wie viele Parkplätze seit 1990 vernichtet wurden durch planerische Entscheidungen?" nun, die ganzen parkhäuser stehen schon mal auf der haben-seite, schwer das mit den bordsteinparkplätzen wieder einzuholen. vermutlich liegt ihrem gefühl mangelnder parkplätze die seit 1990 gestiegene verkehrsdichte und anzahl der vorhandenen pkw zugrunde. "Ich persönlich kenne aber auch gegenteilige Fälle" beispiele, belege? "Lieferzonen durch Dauerparker blockiert" falschparker sind keine dauerparker und ob man sich stammkunde nennen sollte, wenn man lieferzonen blockiert?