Teasergrafik Altpapier vom 10. Februar 2021: Porträt Autor René Martens
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Das Altpapier am 10. Februar 2021 Deutschland nimmt sich den Streeck

10. Februar 2021, 12:42 Uhr

Ob es nun um die Pandemie geht oder um Homo- oder Transphobie: Das Problem sind nicht die Bildungsfernen, viel gefährlicher sind die klugen Köpfe. Außerdem auf der Agenda: Angesichts mancher nicht korrekter Berichte zur Wirksamkeit von Impfstoffen sollten sich Journalisten darüber Gedanken machen, wie sich "das Tempo und die Mechanismen der Breaking News neu ausrichten" lassen. Ein Altpapier von René Martens.

Der beliebteste Fahnenträger der krassen Minderheit

Ohne Journalisten oder Redaktionen direkt anzusprechen, hat die Viorologin Melanie Brinkmann am Wochenende in einem Spiegel-Interview (€) die derzeit gravierendste Schwäche hiesiger Medien angesprochen:

"Es wird so getan, als wären die 'Beruhiger' 50 Prozent der Wissenschaftsgemeinde, und Brinkmann und Konsorten sind die anderen 50 Prozent. Das ist hanebüchen. Unser Papier, in dem wir eine paneuropäische Strategie zur Eindämmung des Virus fordern, haben mehr als 1000 Wissenschaftler unterschrieben. Es ist die vorherrschende Auffassung, dass man konsequent eingreifen muss. Die andere Position wird von einer krassen Minderheit vertreten. Manch einer in der Politik nimmt das aber so auf, als wäre das eine so gut wie das andere."

Mit dem bei deutschen Journalisten beliebtesten Fahnenträger dieser "krassen Minderheit" beschäftigen sich nun ausführlich Christian Schwägerl und Joachim Budde bei Übermedien:

"Hendrik Streeck hat (…) seinen verharmlosenden Kurs trotz neuer Erkenntnisse durchgezogen. Er hat sich ausgerechnet von denen einspannen lassen, die jeweils zu früh Restriktionen aufheben oder zu spät auf gefährliche Entwicklungen reagieren wollten. Bewusst oder unbewusst hat er zudem ein Bedürfnis vieler Medien nach Polarisierung bedient, deren Frage nicht war: Wer weiß es besser als Drosten? Sondern: Wer bringt die härteste Gegenposition ein?"

"Zwölf Beispiele für bemerkenswerte Irrtümer und überraschende Kehrtwenden" werden in dem Text untersucht. Die Autoren stellen unter anderem fest, dass Streeck

"eine wichtige Erkenntnis aus 12 Monaten Corona-Forschung konsequent aus(blendet): Die Tatsache, dass ein erheblicher Teil der Infizierten – auch und gerade solche mit milden Verläufen in der Anfangsphase – mit massiven Spätfolgen zu kämpfen hat."

Und dass er

"sich (…) häufig selbst widerspricht, und zwar aus politischen Motiven statt auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse – wenn jemand das so oft tut wie Streeck, muss man als Redaktion in Frage stellen, ob man diesem Forscher ein Millionenpublikum bieten sollte."

Zur Sprache kommt zwangsläufig auch eine von zwei Spiegel-Redakteuren in einem Gespräch mit Christian Drosten (€) formulierte These:

"Einen größeren Schaden als Corona-Leugner haben im vergangenen Jahr wohl Experten angerichtet, die immer wieder gegen wissenschaftliche begründete Maßnahmen argumentiert haben, zum Beispiel Jonas Schmidt-Chanasit und Hendrik Streeck."

Um Streecks Popularität in den Redaktionen zu illustrieren, erwähnen die Autoren eine unter dem Gemischtwarenladen-Label"ZDFzeit" ("Wie kam Hitler an die Macht?", "Nelson Müllers Milch-Report") angebotene und aus dem Imperium des derzeit medienaffinen Finanzinvestors KKR gelieferte Doku "Corona – Pandemie ohne Ende? Fakten mit Hendrik Streeck."

Der Film läuft erst am 16. März. Der Weser-Kurier und Bild der Frau (in der Rubrik "Promi & Party"!) haben aber schon jetzt Texte dazu rausgehauen. Vielleicht liegt’s ja am Terra-X-Sound im ersten Satz der ZDF-Pressemitteilung ("Virologe Hendrik Streeck nimmt die Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf eine Reise in die geheimnisvolle und gefährliche Welt der Viren"). Wie auch immer: Angesichts dessen, wie wenig Aufmerksamkeit Dokumentationen normalerweise vergönnt ist, fällt die sehr frühe Vorberichterstattung  schon ein bisschen auf. Im Übrigen klingt "Fakten mit Hendrik Streeck" wirklich ein bisschen arg nach Titanic oder Postillon.

Nun könnte man natürlich sagen: KKR, das ZDF, die Talkshows und Bild der Frau mögen von Hendrik Streeck ja halten, was sie wollen. Aber: Streeck sitzt im "Expertenrat" des im Übermedien-Text erwähnten Armin Laschet (das Stichwort "Heinsberg" sei an dieser Stelle nur kurz eingeworfen). Und bei einer der eingangs zitierten Passagen aus dem Übermedien-Text - "(…) hat sich ausgerechnet von denen einspannen lassen, die jeweils zu früh Restriktionen aufheben oder zu spät auf gefährliche Entwicklungen reagieren (…)" - liegt es aus tagesaktuellen Gründen nicht fern, an die Dritte-Welle?-Uns-doch-wumpe!-Truppe zu denken, die landläufig unter dem Begriff Kultusministerkonferenz bekannt ist.

Eine Frage der Verantwortung

"Was der AstraZeneca-Reinfall in Südafrika bedeutet", schlagzeilte am Montagabend der Spiegel, es ging um den Impfstoff besagter Firma, der "kaum wirksam" sei "gegen die südafrikanische Variante von Covid-19" (tagesschau.de).

Am Beispiel zahlreicher renommierter US-Medien zeigt Jon Allsop beim Columbia Journalism Review auf, wie fragwürdig derlei Berichterstattung ist. Es seien zentrale Vorbehalte außen vor gelassen worden, und für das von vielen Journalisten gefällte Urteil sei es viel zu früh, so Allsop. Denn:

"The study in question had a small sample size, young average participant age (…) and the vaccine’s makers are already at work on an updated formula, which isn’t expected to be too hard to develop."

Von ähnlichen Fehlern in der hiesigen Berichterstattung über den Astra-Zeneca-Impfstoff war Anfang der vorigen Woche im Altpapier die Rede. Allsop schreibt weiter:

"News organizations aren’t solely to blame for such confusion—studies of the AstraZeneca vaccine raise a number of perplexing questions, there are real data issues, and the company (like many of its rivals) has not always communicated clearly."

Und dennoch:

"Much recent reporting on the vaccine clearly also speaks to a series of broader errors that have bedeviled coverage of the pandemic ever since it began."

In diesem Zusammenhang kommt er darauf zu sprechen, dass viele Berichterstatter nicht in der Lage seien, mit "anhaltenden, lebensverändernden Unsicherheiten" adäquat umzugehen und "das typische Tempo und die Mechanismen der Breaking News neu auszurichten". Und das ist ja, um es pathetisch zuzuspitzen, keine Frage des Handwerks, sondern der Verantwortung.

Falschdarstellungen oder Fehlinterpretationen lassen sich heute einerseits zwar schnell korrigieren, andererseits erreicht die Korrektur, Differenzierung oder Relativierung bestenfalls selten die Wirkmächtigkeit der ersten verbreiteten Version einer Nachricht - aber dieses schon länger bekannte Problem stellt sich noch gravierender dar, wenn es um so komplexe wie existenzielle Themen wie die Impfstoffwirksamkeit gegen bestimmte Virus-Mutationen geht.

Das Problem sind nicht die Bildungsfernen, es sind die klugen Köpfe

Johannes Kram setzt im Nollendorfblog seine Beiträge zu den Reaktionen auf das #ActOut-Manifest von 185 Schauspieler*innen fort (einer seiner Texte war im Altpapier von Montag bereits erwähnt). Er setzt sich nun mit einem Kommentar der von ihm am Wochenende schon kurz (und im eben zitierten Altpapier etwas ausführlicher) erwähnten FAZ-Feuilletonchefin Sandra Kegel auseinander— in einer an diese gerichteten "Gegenrede". Unter anderem greift er folgende Kegel-Passage auf:

"(…) Womöglich sind ja die Türen, die sie ‚aufmachen wollen‘, bereits sperrangelweit offen. Vielleicht aber quietschen sie auch noch gehörig.”

Kram fragt sich "langsam wirklich, wie Sie auf die Idee kommen konnten, beruflich über Kultur schreiben zu wollen, und noch mehr, wie man Ihnen die Verantwortung über Menschen übertragen konnte, die über Kultur schreiben, wo Ihnen die Verhältnisse der Branche, die Gegenstand ihrer Arbeit sind, doch offensichtlich völlig fremd sind". Seine Erläuterung:

"Wenn die Tür ‚sperrangelweit offen‘ ist: Wie erklären Sie es sich dann, dass Agent*innen und Caster*innen bis heute fast immer zu einem Coming-out abraten, um die Karriere nicht zu gefährden, oder nicht auf bestimmte, oft klischeehafte Rollen festgelegt zu werden? (…) Wie erklären Sie es sich, dass selbst in diesem Best-case für eine Coming-out-Gelegenheit die größten ungeouteten Namen fehlen?"

Krams Fazit, das einen größeren medien- und gesellschaftskritischen Bogen schlägt, lautet:

"Ihr gesamter Text basiert auf der großen homophoben und queerfeindlichen Erzählung unserer Tage: Demnach werden queere Menschen gar nicht mehr richtig diskriminiert. Und wenn sie sich dann trotzdem gegen die angeblich nicht mehr vorhandene oder nicht mehr so schlimme Diskriminierung engagieren, dann machen sie das nur, um Vorteile daraus zu ziehen. Es ist eine gefährliche Logik, wie sie auch im Antisemitismus zu finden ist: Eine angeblich privilegierte Minderheit instrumentalisiert ihre nur vorgeschobene Herabsetzung, um sich über andere zu erheben. Diese Täter-Opfer-Umkehr begründet einen Großteil des Hasses, dem queere Menschen ausgesetzt sind (…) Schon lange hat ein Text in einer großen deutschen Tageszeitung nicht mehr so deutlich gemacht, warum es so schwer ist, die Diskriminierung von LGBTIQ in unserer Gesellschaft zu überwinden. Es sind nicht die Wütenden, die Bildungsfernen. Es sind die netten, die klugen Köpfe."

Und das gilt ja bei fast jedem anderen Thema auch. Womit wir dann auch noch mal kurz zur schon erwähnten Spiegel-These zurückblenden können, dass die Hendrik Streecks dieser Welt mehr Schaden anrichten als Corona-Leugner.

Es ist kompliziert

Ist eigentlich schon alles gesagt zur WDR-Show "Die letzte Instanz" (Altpapier)? Jein. Das zeigt Enissa Amani, die mit einem Instagram-Video überhaupt erst dafür gesorgt hat, dass eine größere Öffentlichkeit auf die Sendung aufmerksam wurde, und nun unter dem Titel "Die beste Instanz" in eigener Regie einen bei YouTube veröffentlichten Gegen-Talk organisiert hat - unter anderem mit Gianni Jovanovic (siehe dieses Welt+-Interview), der Feministin Natasha A. Kelly und dem Schriftsteller Max Czollek. Arno Frank (Spiegel) hat sich diese besondere Talkshow angesehen.

"Warum beharrt die vermeintliche Mehrheitsgesellschaft auf Nutzung der Schimpfworte?", lautete eine der Fragen, um die es ging. Frank führt dazu aus:

"Czollek 'würde nicht von Mehrheitsgesellschaft reden, sondern von Dominanzkultur. Das Interessante an der Dominanzkultur ist die Arroganz, mit der sie die Gegenwart wahrnimmt'. (…) Nun sind es im Fernsehen (und nicht nur beim WDR) tatsächlich Vertreter der Mehrheitsgesellschaft, die mit privilegierter Nonchalance auch heikle Themenfelder abschlendert, die sich gar nicht übersehen kann. Die Vielfalt der Gesellschaft ist selten abgebildet. Und wenn mal eine Betroffene geladen ist, ist sie gewöhnlich in der Unterzahl. Schlimmstenfalls eine Person, wie Kelly sagt, 'die noch nicht ihren politischen Bewusstseinsprozess durchgemacht' hat.

In 'Die beste Instanz' war das anders. Anstatt wechselseitig den Rassismus zu bagatellisieren, beleuchteten die Gäste dessen unterschiedliche Ausprägungen."

Wobei es auf eine Weise in die Tiefe ging, wie man es im Fernsehen wohl kaum erleben dürfte:

"So erfährt, wer’s noch nicht wusste, das auch der vermeintlich keimfreie Begriff 'Antiziganismus' falsche Konnotationen reproduziert, weil sich darin noch immer das Z-Wort verbirgt. Es müsse 'Anti-Sinti- oder Anti-Romanismus' heißen, schlägt Jovanovic vor, oder einfach: 'Rassismus gegen Sinti und Roma'. Übrigens steht auch der Begriff 'Z-Wort' selbst bereits unter Beobachtung, weil das Z … es ist kompliziert."

Herkunftsnennungs-Flickenteppich Deutschland

Vier Autorinnen und Autoren haben für den BR "mit einem computergestützten Verfahren Pressemeldungen der Polizei ausgewertet, die auf dem Presseportal der dpa-Tochter news aktuell in den vergangen sieben Jahren (2014 - 2020) veröffentlicht wurden", um festzustellen, dass Deutschland "ein Flickenteppich (ist), was Nationalitäten-Nennungen von ausländischen Tatverdächtigen durch die Polizei angeht".

Das Autorenteam kommt auf die Änderung des Pressekodex im Jahr 2017 zu sprechen, betont aber auch:

"(N)icht immer sind Medien, für die der Pressekodex gilt, an der Verbreitung dieser Meldungen beteiligt. Es gibt zahlreiche (…) Fälle, in denen Polizeimeldungen mit nichtdeutschen Tatverdächtigen direkt in den sozialen Medien geteilt werden und Hasskommentare hervorrufen. Ausländerfeindliche Blogs werden mit Informationen aus Polizeimeldungen bestückt, Orte von Straftaten nichtdeutscher Tatverdächtiger auf Karten dargestellt."

Kleiner, vielleicht allzu unspektakulärer Nebengedanke: Die meisten Pressemitteilungen, ob sie nun von der Polizei kommen, einer öffentlich-rechtlichen Anstalt oder einem Bundesligaverein, gehen heute in der Regel ja nicht mehr nur an die Presse, sondern direkt an theoretisch jedermann - über welche Online-Kanäle auch immer.

Als Experte in dem Beitrag wird der Kriminologe Tobias Singelnstein zitiert, der zu bedenken gibt, "dass die Nationalität eines Tatverdächtigen in der Regel keinen Zusammenhang mit einer Tat aufweise". Eher nicht dieser Auffassung zu sein schien man bisher bei der Polizeiinspektion Lüneburg, deren Praxis sich als "in der Datenanalyse" als "auffällig" erwiesen habe:

"Lüneburg ist nicht als Kriminalitäts-Hotspot bekannt. Dennoch wurden hier Personen aus den Herkunftsländern von Flüchtlingen in über 15 Prozent der Meldungen genannt, Deutsche in nicht einmal zwei Prozent der Meldungen. Dabei gilt in Niedersachsen eine Verordnung, nach der Nationalitäten nur im Ausnahmefall genannt werden sollen."

Der zuständige Lüneburger Pressestellenmann sagt aber, dass man die Praxis nun, nachdem man von den Journalisten darauf aufmerksam gemacht wurde, ändern werde.

Nachrufe auf Martin Gehlen und Christian Bröcking

In den vergangenen Tagen sind zwei Journalisten in einem noch relativ jungen Alter gestorben: der freie Nahostkorrespondent Martin Gehlen im Alter von 64 und der Jazzkritiker Christian Bröcking im Alter von 63 Jahren.

2011 habe ihn der Arabische Frühling "elektrisiert", schreibt der Tagesspiegel über Gehlen, der einst ebendort als Redakteur gearbeitet hatte, im Dezember 2020 habe er aber "eine ernüchternde Bilanz der Arabellion" gezogen (Augsburger Allgemeine) Und in der SZ schreibt Sonja Zerki, Gehlens Tod sei ein "großes Unglück":

"Für seine Leser, die keinen finden werden wie ihn. Für alle Kollegen, die ihn schätzten, die sich auf ihn stützten, für all die Flüchtlinge und armen Teufel, denen er die Ausreise nach Deutschland organisierte oder die nackte Existenz finanzierte."

Die Laufbahn Christian Bröckings, "für den die traditionellen Berufsbezeichnungen (Kritiker, Musikwissenschaftler, Soziologe, Buchautor, Radiomacher) nicht so recht greifen, (…) war im notorisch prekären Feld der Jazzpublizistik beeindruckend", schreibt Andrian Kreye in der SZ. Und Jörg Sundermeier, der einst eine Buch-Trilogie Bröckings in seinem Verlag veröffentlichte, schreibt in der taz:

"Gerade als Radiomacher sah er (…), wie sehr der Gedanke, dass im Jazz Gesellschaft wirkt und dass der Jazz in die Gesellschaft wirken müsse, immer weiter verwässert wurde. Sah, wie die immergleichen Klassiker gespielt wurden – gern nur in Ausschnitten – und dass komplexere Arrangements und aufstörende Stücke gar nicht mehr für eine Sendung infrage kamen."

Die Berliner Zeitung (€) weist darauf hin, dass sich Bröcking in jener Zeitung "zehn Jahre lang einmal in der Woche mit einer Kolumne zu Wort meldete". So lang ist das noch gar nicht her: Erst im September hat ein kulturbanausiger Hausdrachen der Kolumne den Garaus gemacht.

Altpapierkorb (noch weniger Medienfreiheit in Ungarn, Casting-Shows aus kulturwissenschaftlicher Perspektive, crazy Greenwald, fünf Jahre Geschichte der Gegenwart)

+++ Klubrádió, "die letzte, landesweit bekannte, unabhängige Rundfunkanstalt Ungarns", werde nach einer "Niederlage vor einem Budapester Gericht, wo der Sender für die Verlängerung seiner Lizenz gekämpft hatte", nun nur noch wenige Tage analog zu hören sein, meldet die SZ. Die Organisation Reporter ohne Grenzen habe bereits 2019 "festgestellt, dass es in Ungarn einen Grad an Kontrolle der Regierung über die Medien gebe, die in einem EU-Mitgliedsstaat beispiellos sei", ergänzt die taz in dem Zusammenhang.

+++ Die FAZ (€) berichtet über die Wirren beim Investigativ-Portal The Intercept, die ein Thema sind, seitdem dessen aus der Spur geratener Star Glenn Greenwald dort in den Sack gehauen hat. "Er meint, dass jeder, der nicht seiner Meinung ist, korrupt ist, und, wer seine Worte redigiert, ihn zensiert", sagt Betsy Reed, die Intercept-Chefredakteurin. "Wie es momentan häufig bei meinungsstarken mittelalten weißen Männern der Fall ist, beklagte er 'Zensur und ideologische Homogenität', schreibt Michael Moorstedt (SZ) in einem anderen aktuellen Zusammenhang über Greenwald. Es geht um das zumindest für sehr namhafte freie Journalisten reizvolle Geschäftsmodell kostenpflichtiger Newsletter und die in diesem Bereich aktive Plattform Substack (wo Greenwalds Lieferungen zu den Bestsellern gehören).

+++ Zum Auftakt einer pop-zeitschrift.de-Reihe zum Thema Castingshows schreibt Thomas Hecken über "Der Bachelor", diese Sendung biete "zugleich Ausweitung, Perfektionierung und mögliches Dementi von momentan in Privatwirtschaft und staatlichen Organisationen durchgesetzten Dienstleistungs- und Wettbewerbsanforderungen: die (mitunter) angestrebte Verlängerung von Konkurrenz- und Optimierungsstreben ins Privatleben (Ausweitung); die vollendete Willkür der Entscheidung aus der Position der Macht (Perfektionierung); allerdings auch genau wegen dieser gebotenen vollkommenen (romantischen) Willkür die Möglichkeit, am Ende jemanden auszuwählen, der weder nach überprüfbaren Kriterien die 'Beste' ist, noch eine besondere 'Persönlichkeit' besitzt (potenzielles Dementi)."

+++ Das Online-Magazin Geschichte der Gegenwart, das auch im Altpapier regelmäßig erwähnt wird (etwa im November, Dezember und Januar), ist gerade fünf Jahre alt geworden. Es habe sich "an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und anspruchsvoller Öffentlichkeit" bewährt, also in "einer Zone, die im deutschen Sprachraum bisher brach lag", schreibt Sieglinde Geisel (tell-review.de). Aber: "Damit der Dialog der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit vom Ausnahme- zum Normalfall werden kann, müssten (…) finanzielle Strukturen geschaffen werden. Bisher ist GdG (…) ein professionelles Freizeitprojekt, das vom Enthusiasmus seiner Macher:innen lebt."

Neues Altpapier gibt es wieder am Donnerstag.

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