Auf einem Gewässer schwimmt ein durchsichtiger Ball, in dem eine Person steht. 6 min
Durch den Einfluss von Algorithmen in (Sozialen) Medien können sogenannte Filterblasen entstehen, in denen nur bestimmte Themen und Meinungen stattfinden. Bildrechte: picture alliance/dpa

Meinungsbildung im Netz Filterblasen: Leben in der Bubble

17. Januar 2024, 09:20 Uhr

Personalisierte Ergebnisse von Suchmaschinen und gefilterte Informationen in den Feeds der sozialen Netzwerke: Die Filterblase ist ein viel diskutiertes Phänomen in der digitalen Welt. Häufig scheinen mit Echokammern und Filterbubbles die Schuldigen für eine eingeschränkte Meinungsvielfalt gefunden. Was ist dran?

Von Filterblasen und Echokammern

Jeder von uns hat seine eigene Sicht auf das Leben, vertritt seine eigene Meinung zu diversen gesellschaftlichen Themen und interessiert sich in seiner Freizeit vielleicht für ganz bestimmte Sachen, wie etwa Schmink-Tutorials, Kochrezepte, Musik, Angeln, Katzenvideos oder Paragleiten.

Wer ganz nach seinen Interessen das Internet durchstöbert und themenbasierten Social-Media-Kanälen folgt, hat vielleicht schon selbst die Erfahrung gemacht, dass die digitale Welt um einen herum sich irgendwann fast nur noch um die eigenen Lieblingsthemen dreht. Folglich sitzen wir alle selbst hin und wieder in der von Medien und Forschenden oftmals kritisch beäugten Filterblase.

Was ist eine Filterblase?

im Englischen: filter bubble, ist ein Begriff aus der Medienwissenschaft, der vom Internetaktivisten Eli Pariser in dessen Buch "Filter Bubble" 2011 geprägt wurde. Die Filterblase bezeichnet ein Phänomen, bei dem ein Internetnutzer online nur noch Informationen erhält, die seinen bereits bestehenden Vorlieben und Ansichten entsprechen. Diese "Blase" wird auf Basis personalisierter Algorithmen für Internetseiten, Medienplattformen und soziale Netzwerke erzeugt, um dem Nutzer relevante Inhalte nach seinen Interessen zu präsentieren.

Durch unser Surfverhalten hinterlassen wir im Netz wertvolle Informationen, die von Suchmaschinen oder Webseiten gezielt ausgelesen werden, um uns maßgeschneiderte Inhalte präsentieren zu können. Algorithmen bestimmen dabei, was uns gefallen könnte.

"Auf der einen Seite ist das Internet so groß, dass man eine Orientierungshilfe braucht - jetzt beim Einkauf finde ich das in Ordnung. Wenn es allerdings um politische Themen, um ernste Themen geht, dann ist natürlich durch so eine Bubble das Denken relativ eingeschränkt", meint Internetuser Peter Franke, Auszubildender im Bereich Sozialpädagogik.

Bezüglich der nächsten Urlaubsrecherche oder der kommenden Konzerte meiner Lieblingsband können diese Filter hilfreich sein. Bei gesellschaftskritischen oder politischen Themen kann die Informations- und Meinungsvielfalt zu kurz kommen. Schnell befindet man sich in der eigenen Informations- oder Meinungsblase.

Nicht erreichbar für andere Meinungen

Verstärkt kann das Phänomen werden, wenn ich mich als User bewusst in Echokammern, also in Gruppen und Communities aufhalte oder bestimmten Social-Media-Kanälen folge. Allein, weil wir im digitalen Raum vielleicht sogar ausschließlich nur noch von Gleichgesinnten umgeben sind – Menschen und Meinungen begegnen, die allesamt die gleiche Sicht teilen – und alle ein bestimmtes Interesse eint. Hierbei entsteht häufig der viel diskutierte Echokammereffekt, der dafür sorgt, dass das wohltuende, zustimmende Echo Gleichgesinnter zur Bestätigung der eigenen Denkweise widerhallt. In dieser Kammer bleibt oft kein Platz für eine Betrachtung von Themen aus einer vielfältigen, vielleicht gar anderen Sicht. Im Unterschied zu einer von Algorithmen kuratierten Filterblase, entstehen Echokammern also aus den selbst gewählten Gruppen und Inhalten der User selbst. Sie selektieren bereits bewusst Inhalte, die ihren Themen und Meinungen entsprechen und folgen Gruppen, denen sie sich zugehörig fühlen.

In so einer Echokammer sind meist nur Ausgewählte willkommen und Informationen und Meinungen verbreiten sich dort schnell auch mal ungeprüft. Kommunikationswissenschaftler Daniel Stegmann erläutert: "Da geht es viel um: Welche Meinungen, welche Vorstellungen passt in das eigene Weltbild?"

Dabei ist der Echokammereffekt an sich nichts Neues. Ihn gab es auch schon zu "analogen" Zeiten – und damit außerhalb der digitalen Welt, versucht Kommunikationswissenschaftler Daniel Stegmann einzuordnen und meint: "Ich glaube, so was ähnliches wie echokammerartige Strukturen, so in sich sehr homogene, isolierte Gruppen in der Gesellschaft, gab es früher schon. Es ist durch die sozialen Medien deutlich leichter geworden, das zu machen. Also diese Gruppen können auch größer werden. Es ist leichter, sich zu vernetzen." Und, so beschreibt Daniel Stegmann, sei es hiermit heute deutlich einfacher, Gleichgesinnte zu finden: "Ein Like, ein Follow, ein Retweet reicht im Prinzip schon, um sich zu vernetzen."

Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland in Gefahr?

Grundsätzlich sind Filterblasen und Echokammern nicht problematisch und einige sprechen gar von einer "Mär von Filterbubbles und Echokammern". Dennoch haben "Debatten über eine gesellschaftliche Spaltung durch die Entkopplung sozialer Netzwerke [...] im Alltag und in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem über die Rede von 'Echokammern' und 'Filterbubbles' in den sozialen Medien an Auftrieb gewonnen" lautet es in der Einleitung des ersten Berichts des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ).

Olaf Groh-Samberg, einer der Hauptautoren des Berichts, sagt: "Menschen, deren soziale Bekanntenkreise eher homogen zusammengesetzt sind, denken, fühlen und handeln auch anders als Personen, die sich eher in gemischten Netzwerken bewegen." Das habe Folgen für die eigene Weltansicht. Das unterstreicht auch Kommunikationswissenschaftler Daniel Stegmann: "Wir sind als Menschen generell darauf geprägt, dass wir gerne so was wie kognitive Dissonanz vermeiden wollen. Also Dinge, wie Informationen, Meinungen, die nicht in unser Weltbild und unsere Einstellungen passen. Und wenn jetzt irgendwelche Akteure, die ein ähnliches Weltbild wie wir vertreten, uns irgendwelche absurden Dinge erzählen, dann glauben wir das vielleicht."

Peter Franke vermutet, darin läge zugleich auch "eins der größeren Probleme bei Bubbles: Das halt das, was laut ist, das was rausgehauen wird – das kommt in die Ohren, das verbreitet sich weiter." Und das schafft mitunter auch die Voraussetzung für eine Verbreitung von Fake News und Verschwörungsmythen in den sozialen Medien. Das bestätigt auch Dr. Annett Heft vom Weizenbaum Institut im Rahmen einer Fachtagung am FGZ in Jena: "Was wir sehen können ist die Verbreitung von Verschwörungstheorien. Und hier kann man sehen, dass derartige Inhalte, Verschwörungstheorien zu Impfschäden, zu QAnon häufiger in den Chatgruppen zirkulieren und diskutiert werden, als in den Kanälen, die mehr die autoritative Information verbreiten."

Filterblase im Kopf

In der Vielfalt liegt das Potential: Entscheidend ist dabei der bewusste Umgang mit digitalen Medien, vermittelt Medienexperte Daniel Stegmann. "Das ist immer eine Kombination aus dem Algorithmus und dem individuellen Nutzungsverhalten, was dann dafür sorgt, wie vielfältig unsere Informationsbeschaffung ist. Der entscheidende Filter, das kann man glaube ich tatsächlich schon beobachten in den letzten Jahren, ist der Filter im Kopf".

Denn vielleicht, so gibt Daniel Stegmann zu bedenken, sei man zu schnell versucht, mit Begriffen wie Filterblasen und Echokammern das Geschehen in den sozialen Netzwerken vereinfacht darzustellen á la "die Algorithmen und sozialen Medien schuld."

Wie kommt man aus der Filterblase oder Echokammer?

Wer bewusst aus seiner eigenen Filterblase und Echokammer ausbrechen oder diese vermeiden möchte, kann das unter anderem mit Hilfe dieser Tipps versuchen:

  • Nutze anstelle von Google alternative Suchmaschinen ohne Personalisierung.
  • Verwende ein VPN oder auch die Incognito-Einstellung des Browsers, um anonym zu surfen.
  • Logge dich von deinem Google-Konto aus, wenn du es nicht benötigst.
  • Unterbinde das Tracking von Webseiten, die du aufrufst.
  • Richte dir eine unabhängige Startseite in deinem Webbrowser ein.
  • Folge anderen Inhalten und Personen: z.B. auch Parteien, die man selbst nicht wählen würden und Personen, die eine andere Meinung haben als man selbst.
  • Hinterfrage die Quellen deiner Nachrichten und Meldungen
  • Versuche Informationen von unabhängigen Personen und Medien zu den Inhalten zu bekommen
  • Suche gezielt nach Forschungsergebnissen von Wissenschaftlern zu bestimmten Themeninhalten.
  • Nutze andere und vor allem auch analoge Medien und vertraue nicht allein auf digitale Informationen. Print, TV und Radio ermöglichen es, vielfältige Perspektiven zu bekommen.

Neben dem eigenen aufgeschlossenen Mindset können diese kleinen Tipps helfen, das Netz und die Socials sehr bewusst zu nutzen, um Informationen rund um seine Hobbys, Interessen und Meinungen zu finden. Die Vielfalt gibt es, vor allem im Netz. Man muss sie nur finden wollen.

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