Forschungsprojekt Mit KI gegen Pflegebetrug
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30. Juni 2023, 18:29 Uhr
Schätzungen zufolge gibt es immer wieder Betrugsfälle in der ambulanten Pflege. Doch das nachzuweisen ist schwierig, weil über handgeschriebene Zettel abgerechnet wird. Gerade ist ein Forschungsprojekt vom Fraunhofer Forschungszentrum für Techno- und Wirtschaftsmathematik aus Kaiserslautern und der sächsischen Polizei zu Ende gegangen: Sie haben eine Software trainiert, unterschiedliche Handschriften zu erkennen, um aus den Abrechnungen Unstimmigkeiten zu erkennen.
- Die sächsische Justiz hat sich den Prototyp der KI zu eigen gemacht, um ihn weiterzuentwickeln.
- Die GKV fordert von der Bundesregierung, dass sie eine Studie in Auftrag gibt, um herauszufinden, wie viel Geld in der Pflege durch Abrechnungsbetrug verloren geht.
- Die Herausforderung besteht darin, die KI gerichtsfest zu machen.
Fraunhofer Forscherin Elisabeth Leoff sitzt in einer Runde mit dem sächsischen Generalstaatsanwalt in Dresden und erklärt, was die KI-Software, eine Art Prototyp, schon alles kann: Die KI habe auf dem Original-Dokument erkennen können, dass darauf Patienteninformationen stünden, wie zum Beispiel die Leistung, die wichtig sei. Leoff zufolge haben die Forscher auch eine sogenannte Konfidenz hinterlegt. Diese gebe an, wie sicher sich die Maschine in dem sei, was sie erkannt habe. Das sei wichtig, weil man die Uhrzeiten auf dem Original als Mensch teilweise nur schwer erkennen könne. "Dann ist es wichtig, dass auch die Maschine bei bestimmten Uhrzeiten sagt, dass sie sich nicht besonders sicher ist", erklärt die Forscherin.
Das System wird weiter trainiert. Die Justiz in Sachsen hat sich das Forschungsprojekt zu eigen gemacht. Der sächsische Generalstaatsanwalt Martin Uebele sagt: "Ich halte das für eine wegweisende Geschichte, die es wert wäre, weiter verfolgt zu werden." Das sei wichtig, weil es im Bereich der Pflege noch überwiegend die handschriftlichen Dokumentationen habe.
GKV fordert Studie zu möglichen Einsparungen im Pflegebereich
Uhrzeiten, Namenskürzel, Touren, Auswertung per Hand. Auch die Krankenkassen arbeiten so bei der Abrechnung der Pflegeleistung. Meistens fällt hier zuerst auf, dass es sich bei der Abrechnung um Betrug handeln könnte. Wie hoch der Schaden ist, kann meist nur geschätzt werden.
Der GKV-Spitzenverband, also die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland, will sich nicht länger auf Studien aus dem Ausland stützen. Janka Hegemeister vom GKV: "Wir fordern deswegen von der Bundesregierung und das nicht erst seit gestern, sondern schon seit einigen Legislaturperioden, dass die Bundesregierung endlich eine unabhängige Dunkelfeldstudie in Auftrag geben muss."
Das brächte zumindest eine ungefähre Größe, wie viel Geld bei der Pflege einzusparen wäre, ginge alles mit rechten Dingen zu, aber eben das auch nur geschätzt und hochgerechnet.
Problem: Kann KI vor Gericht verwendet werden?
Der Software-Prototyp der Fraunhofer-Forscherinnen aus Kaiserslautern vom Forschungszentrum für Techno- und Wirtschaftsmathematik ist aber konkret und müsste jetzt zur Marktreife entwickelt werden. Für die Entwicklung des Prototyps für die Kriminalisten bei der Polizei standen aber auch andere Herausforderungen im Zentrum: Gerichtsfestigkeit. Fraunhofer-Forscherin Elisabeth Leoff: "Wie muss ich Ergebnisse nachvollziehbar machen, damit ich sie vor Gericht verwenden kann? Welche Arten von Betrug gibt es eigentlich? Welche Arten von Betrug muss ich nachweisen können?"
Einer, der dieses Forschungsprojekt Fraunhofer und Polizei von Anfang an unterstützt hat, ist der Leipziger Polizeipräsident René Demmler. Im Interview erklärt er, worauf es ihm, bei aller Arbeitsersparnis für seine Kripo-Beamten, ankommt, bei einer alternden Gesellschaft: "Ich glaube, der Faktor des Menschen, der auf die Pflege angewiesen ist, ist ganz wesentlich. Wer soll sich darum kümmern, wenn nicht wir, wenn nicht der Staat? Es geht nicht nur um illegale Gewinne, um Betrügereien, sondern es geht auch um die Unversehrtheit unserer älteren Menschen." Den Betrug einfach so laufen zu lassen, das sei unmoralisch.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 30. Juni 2023 | 10:00 Uhr