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Video: Der Streit um Sach- und Geldleistungen bestimmt seit Monaten die Debatte in der Flüchlingspolitik Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Asylpolitik Migrationsforscher: Geldkarte für Asylbewerber kann Einsparungen bringen

16. Dezember 2023, 14:26 Uhr

Geldkarten für Asylbewerber statt Bargeld könnten den Verwaltungsaufwand senken – wenn man es richtig macht, sagt der Migrationsforscher Jochen Oltmer. Doch er hält die ganze Debatte für Symbolpolitik. Solche Details würden Menschen aus Krisenregionen kaum abhalten, nach Deutschland zu kommen.

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Der Migrationsforscher Jochen Oltmer sieht in der Umstellung auf Bezahl- oder Geldkarten bei den Asylbewerberleistungen Möglichkeiten für Kommunen und Behörden, den Verwaltungs- und Personalaufwand zu senken.

Jochen Oltmer, Migrationsforscher an der Uni Osnabrück
Jochen Oltmer ist Professor am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien an der Uni Osnabrück. Bildrechte: Jochen Oltmer

Oltmer sagte MDR AKTUELL, es komme darauf an, wie man den Einsatz der Bezahlkarte praktisch umsetze: "Eine Geldkarte, die ohne Beschränkungen wie eine EC-Karte funktioniere, könnte Erleichterungen für alle Beteiligten bringen." Bezahlkarten zum Einkauf nur in bestimmten Regionen und Geschäften sowie weitere Funktionseinschränkungen seien kein Fortschritt.

Insgesamt hält Oltmer die Debatte um eine Einführung von speziellen Bezahlkarten für Menschen in Asylverfahren für überbewertet bei relativ geringem Nutzen. Wenn dann weiterhin Taschengeld am Schalter bar ausgezahlt werde – wie bei Pilotprojekten in Thüringen – bringe das wenig. Auch eine Ausweitung von Sachleistungen sei nicht effektiv, das zeigten alle Erfahrungen in der Vergangenheit.

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Symbolpolitik: Bezahlkarte wird Migration nach Deutschland nicht stoppen

Der Professor für Migrationsgeschichte an der Uni Osnabrück nannte es einen Irrglauben, dass ein winziges Element deutscher Asylpolitik wie die Geldkarte Menschen aus Krisenregionen abhalten werde, die oft lebensgefährliche Flucht nach Europa und Deutschland zu wagen. Diese Menschen würden solche Details der Asylpraxis in Deutschland meist gar nicht kennen.

Oltmer kritisierte die Geldkarten-Debatte als Symbolpolitik: "Handlungsfähigkeit wird gewissermaßen nur behauptet und der Eindruck erweckt, durch Einzelmaßnahmen erwünschte Veränderungen herbeiführen zu können."

Zu Forderungen nach einer Kürzung von Asylbewerberleistungen sagte Oltmer, politisch und vom Rechtsrahmen möglich sei das. "Die Frage ist nur, ob neue Regelungen der Überprüfung durch die Gerichte standhalten. Hier sind wegen des Verfassungsurteils von 2012 und weiterer Entscheidungen durchaus erhebliche Zweifel angebracht."

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR UMSCHAU | 12. Dezember 2023 | 20:15 Uhr

78 Kommentare

Eddi58 vor 18 Wochen

@Frank L.
Da Sie vermutlich auf meinen Beitrag reagierten: tatsächlich kann kurzfristig nichts an den Fluchtursachen geändert werden. Langfristig können Neokolonialismus, Protektionismus und unfaire Handelsbeziehungen geändert werden...
Übrigens: Der Klimawandel wird den Migrationsdruck deutlich verstärken!
"Deshalb muss da angesetzt werden worauf wir Einfluss haben , auf die eigenen Asylregeln und die eigenen Grenzen." Welche konkreten Ideen schweben Ihnen da vor?

Frank L. vor 18 Wochen

Immer das gleiche! Ist ja eine nette Idee, Fluchtursachen zu bekämpfen aber wie realistisch und zeitnah umsetzbar ist das? Gar nicht, das ist die wahre Scheinlösung ,da wir praktisch keinen Einfluss auf die Verhältnisse in den Heimatländern nehmen können, und wenn dann nur begrenzt. Diese Idee dient ihnen doch nur dazu den Fokus zu verschieben um ja nichts an der deutsche Asylpraxis ändern zu müssen. Der moralische Kompass käme sonst ja durcheinander. Aber die Zeiten ändern sich ,und zwar rasant, da können wir uns solche ,moralisch zwar bequemen, aber praktisch nicht umsetzbare Scheinlösungen leisten. Deshalb muss da angesetzt werden worauf wir Einfluss haben , auf die eigenen Asylregeln und die eigenen Grenzen.

Frank L. vor 18 Wochen

Für sie noch mal zur Klarstellung, eine robuste Grenzsicherung umfasst , als absolute Ultima Ratio natürlich auch den Waffeneinsatz. Wie gesagt ,als Ultima Ratio . Oder was gedenken sie zu tun z. B. wenn Migranten ggf. selbst mit Waffengewalt einen Grenzdurchbruch anstreben?

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