Person liest Packungsbeilage, am Tisch sind Tabletten und Glas Wasser
Die Zulassungsbehörden müssten die Hersteller zwingen, alle Daten freizugeben und diese dann unabhängig zu bewerten, so Pharmazieprofessor Doshi. Bildrechte: Colourbox.de

Corona-Impfstoffe Experte: Hersteller verweigern Herausgabe relevanter Studiendaten

14. Oktober 2022, 20:37 Uhr

Daten-Nachprüfungen bei geimpften Versuchsteilnehmern hätten mehr schwere Gesundheitsschäden ergeben als in Studien festgestellt, erklärt der US-Pharmazieprofessor Doshi dem MDR. Das Interview mit ihm dazu gibt es hier.

Experten fordern unabhängige Prüfung der Zulassungsstudien

Wissenschaftler im In- und Ausland fordern eine unabhängige Prüfung der Zulassungsstudien der Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Die Studien seien zwar veröffentlicht, aber die Hersteller halten nach wie vor essentielle Daten unter Verschluss, behauptet der renommierte US-Pharmazieprofessor Peter Doshi gegenüber dem MDR.

Angesichts der Hinweise auf einen potentiell größeren Schaden als Nutzen des Impfstoffes gerade für die jüngere Generation, sei es jetzt dringend erforderlich, dass die Zulassungsbehörden die Hersteller zwingen, alle Daten freizugeben und diese dann unabhängig zu bewerten, so Doshi .

Wissenschaftler analysieren bisher veröffentlichte Studiendaten der Hersteller

Der US-Amerikaner Peter Doshi ist Professor für Pharmazie an der Universität of Maryland und Mitherausgeber des "British Medical Journals" (BMJ), eines der renommiertesten Wissenschaftsmagazine der Welt. Anhand der bisher veröffentlichten Studiendaten der Hersteller hat Doshi eine so genannte Re-Analyse versucht. Unterstützt wurde er dabei von einer Gruppe aus erfahrenen Klinikern, Epidemiologen und Statistikern aus den USA, Australien und Spanien.

Um es nochmal hervorzuheben: Die Forscher haben keine eigenen Studien gemacht, sondern die bisher veröffentlichten Daten der Hersteller einer erneuten Bewertung unterzogen. Die Studie ist kürzlich im renommierten Fachmagazin "Vaccine" erschienen.

Mehr schwere Nebenwirkungen als in Studien angegeben

Wie Doshi im MDR Interview erklärte, hätten die Daten-Nachprüfungen bei den geimpften Versuchsteilnehmern sehr viel mehr schwere Gesundheitsschäden ergeben als in der Studie festgestellt: Beim mRNA-Impfstoff von Pfizer/Biontech lag der Wert 36 Prozent darüber, bei Moderna sechs Prozent in den Altersgruppen ohne Kinder und Senioren. Bezogen auf 10.000 Geimpfte ergaben sich bei Pfizer/Biontech 18 und bei Moderna sieben Fälle mit schweren Komplikationen, darunter Herzschädigungen, Thrombosen und andere Störungen der Blutgerinnung.

Die Studiendaten legen nahe, so erklärt Doshi gegenüber dem MDR, "dass wir bei rund einem von 800 Geimpften ein erhöhtes Risiko schwerer Nebenwirkungen haben, also eine zusätzliche schwere Nebenwirkung pro 800 Geimpften. Das ist sehr viel häufiger als bei anderen Impfungen, bei denen die Rate bei einem von einer Million Geimpften liegt. In den besagten Studien ist es einer von 800. Bei solch einer Quote wurden Impfstoffe in den letzten Jahren vom Markt genommen".

Risiko einer schweren Nebenwirkung höher als der nachgewiesene Nutzen

Der Schwerpunkt der Doshi-Studie lag darin, die Häufigkeit der schweren Nebenwirkungen zu analysieren, also solcher Nebenwirkungen, die in besonders hohem Maße als besorgniserregend gelten und einen Krankenhausaufenthalt zur Folge haben können. Die Wissenschaftler haben zum Vergleich die Rückgänge der Covid-Hospitalisierungen untersucht, die ja in umgekehrtem Verhältnis dazu stehen. In der Moderna-Studie erlitten 15 von 10.000 geimpften Teilnehmern eine schwere Nebenwirkung. Dagegen wurde das Risiko eines schweren Verlaufs nur um etwa sechs pro 10.000 geimpfter Teilnehmer im Vergleich zur Placebogruppe verringert. In der Pfizer/BionTech-Studie war das Risiko einer schweren Nebenwirkung mit zehn pro 10.000 höher als die Risikoreduktion für eine Hospitalisierung aufgrund von Covid-19 im Vergleich zur Placebogruppe mit zwei von 10.000 Teilnehmern.

Nach einer Beobachtungszeit von zwei Monaten sei die Zahl der Anstiege von Hospitalisierungen bei den schweren Nebenwirkungen also größer, so Doshi, als die Rückgänge der Covid-Hospitalisierungen nach einer Impfung. 

Für Impfempfehlungen müssen alle Daten auf den Tisch

Nach Auffassung des US-Wissenschaftlers zeigen bereits die veröffentlichten Daten für diejenigen, die ein geringes Risiko haben, schwer an Corona zu erkranken, dass Impfempfehlungen neu überdacht werden müssten: "Ich verfolge aufmerksam und mit großem Interesse, was in Ländern wie Dänemark passiert, wo jetzt empfohlen wird, unter-50-Jährige nur in den Fällen zu impfen, wo es medizinisch erforderlich ist. Man hat dort erkannt, dass Covid aus verschiedenen Gründen kein so großes Risiko mehr darstellt wie in der Vergangenheit. Bei den Schäden hingegen, von denen in den Herstellerstudien die Rede ist, gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass diese Risiken verschwinden."

Für den Wissenschafter wäre es also wichtig, festzustellen, bei welchen Personengruppen ein Risiko für diese schweren Impfnebenwirkungen besteht. Und wenn das die Bevölkerungsgruppe mit einem geringen Krankheitsrisiko ist, dann "sind das sehr schlechte Nachrichten", so Doshi. Denn das Nebenwirkungsprofil der Impfung müsse bei solchen Personen extrem niedrig sein. Doch um das Schaden-Nutzen-Verhältnis verschiedener Altersgruppen konkret bestimmen zu können, seien die personenbezogenen Daten der Studien-Teilnehmer der Zulassungsstudien aus 2020 dringend notwendig. Dazu zählen beispielsweise das Alter, aber auch eventuelle Vorerkrankungen der Probanden. Doch genau diese Daten würden fehlen.

Besorgniserregender Zustand: Daten werden unter Verschluss gehalten

Die Impfstoffe seien weltweit bei Milliarden Menschen zum Einsatz gekommen, so Doshi, trotzdem würden die sogenannten Primärdaten der Studienteilnehmer von den Herstellern nach wie vor unter Verschluss gehalten. Anfragen an die Hersteller wie auch die FDA, die amerikanische Zulassungsbehörde, blieben unbeantwortet: "Die Wissenschaft ist darauf angewiesen, dass Daten geteilt werden. Wenn dies nicht erfolgt, könne man auch nicht mit gutem Gewissen davon ausgehen, dass diese Impfstoffe eine wissenschaftliche Grundlage haben."

Experte: Zulassungsbehörden sollten Hersteller zwingen, Daten offenzulegen

Wie kann es sein, dass wissenschaftlich relevante Daten unter Verschluss gehalten werden? Lässt das nicht den Verdacht aufkommen, die Impfstoffe seien gar nicht so sicher wie behauptet? "Dass die Hersteller die Daten nicht herausrücken, ist mit nichts zu rechtfertigen",  so der Virologe Alexander Kekule gegenüber dem MDR. Für ihn ist es ganz klar die Aufgabe der zuständigen Behörden, alle relevanten Daten der klinischen Studien einzufordern und auch unabhängig zu prüfen. Es handele sich schließlich nicht um einen exotischen Impfstoff, der nur selten verimpft wurde, sondern um einen Massenimpfstoff, der zudem von den Behörden empfohlen und auch als sicher eingestuft wurde. Doshi habe zwar, so Kekule, bisher nicht wissenschaftlich nachweisen können, dass es mehr Nebenwirkungen gebe. Dafür fehlten ihm offenbar die Daten, "aber er hat Fragen aufgezeigt, die beantwortet werden müssen".

Ähnlich sieht das auch Susanne Wagner, Beraterin im Bereich der Arzneimittelentwicklung mit 30 Jahren Erfahrungen in der Hightech-Forschung. Sie hält es sogar für fahrlässig, wenn die EMA, die Europäische Arzneimittel Agentur, diese Daten von den Herstellern nicht zwingend einfordert.

Kritik an Peter Doshi kommt hingegen vom Charité-Wissenschaftler Leif-Erik Sander. Auf Twitter schrieb er: Doshis Artikel zu Nebenwirkungen von mRNA-Impfstoffen basiere "auf krass manipulativer Statistik". Die Studie sei minderwertig und die Schlussfolgerungen seien unzulässig. Doshi und seine Kollegen weisen diese Anschuldigungen zurück und haben mehrere öffentliche Dokumente verfasst, in denen sie sich mit der Kritik auseinandersetzen, die hier abrufbar sind.  

EMA verweist auf Webseite mit klinischen Daten der Hersteller

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA kann MDR-Recherchen zufolge bei den erforderlichen Daten offenbar auch nicht weiterhelfen. Auf konkrete Fragen erhält der MDR keine Antwort. Allgemein führt die EMA aus, sie habe alle klinischen Daten der Hersteller veröffentlicht und verweist auf folgende Internetseite: clinical data website. Die Seite führt zwar klinische Versuchsdaten auf, die anonymisierten Daten der Studienteilnehmer sind jedoch auch hier nicht dabei. Der MDR hat auch die Hersteller angefragt, warum man unabhängigen Wissenschaftlern nicht alle Daten der Zulassungsstudien zur Verfügung stelle. Moderna schreibt, man habe, "den Zulassungsbehörden im Rahmen des Zulassungsverfahrens ... Patientendaten vorgelegt". Wissenschaftler hätten dann die Möglichkeit, einen Zugang zu diesen Daten zu beantragen.   

Pfizer behauptet dem MDR gegenüber: "Wir geben die Ergebnisse unserer klinischen Studien öffentlich bekannt, unabhängig davon, ob die Ergebnisse neutral, negativ oder positiv sind." Doshi schreibt zu den Stellungnahmen der Hersteller, dass weder Moderna noch Pfizer bereit waren, die geforderten Patientendaten herauszugeben, da die Zulassungsstudien für die Corona-Impfstoffe nach Angaben der Hersteller noch nicht abgeschossen seien.

Die EMA wäre nicht im Besitz der von ihm geforderten Patientendaten. Der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA würden die Datensätze, so Doshi, aber vorliegen. Die FDA wurde deshalb von einer Gruppe Wissenschaftern, der Doshi angehört, auf Herausgabe verklagt. Nun habe die FDA, nach den Angaben von Doshi, zwar begonnen, die Daten freizugeben, aber sie blieben nach wie vor unvollständig.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Hauptsache Gesund | 13. Oktober 2022 | 21:00 Uhr

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