Domkamera in einer Straßenbahn 4 min
Audio: Eine Software für Gesichtserkennung hat Fotos der gesuchten RAF-Terroristin Daniela Klette im Internet gefunden und überführt. Die Gewerkschaft der Polizei setzt sich nun dafür ein, dass diese Technik regulär zum Einsatz kommen darf. Bildrechte: IMAGO / Carmele/tmc-fotografie.de

Festnahme von RAF-Terroristin Klette Gesichtserkennung per KI – was dafür spricht und was dagegen

05. März 2024, 05:00 Uhr

Ein Team von Journalisten hatte schon im vergangenen Jahr eine Spur zu RAF-Mitglied Daniela Klette gefunden – dank einer Software, die Gesichter aus Millionen Fotos im Netz automatisch erkennt. Deshalb fordert nun die Gewerkschaft der Polizei, dass die Ermittlungsbehörden ähnliche Software künftig auch nutzen dürfen. Was spricht dafür, was dagegen?

PimEyes heißt die Software, mit der Journalisten im Herbst 2023 eine Spur zur letzten untergetauchten RAF-Terroristin aufgedeckt haben. Zwar fanden sie Daniela Klette am Ende nicht, aber immerhin einen Sportverein in Berlin, in dem sie regelmäßig trainiert hatte – eine Information, die der Polizei jahrelang entgangen war.

GDP-Vorsitzender sieht Vorteile in KI-Nutzung

Für Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei GdP könnte automatische Gesichtserkennung der Polizei Arbeit abnehmen. Und Hinweise liefern, die menschliche Mitarbeiter nur durch extremen Zufall finden könnten. "Jetzt zeigt sich am aktuellen Beispiel, wie gut Polizeiarbeit funktionieren würde, wenn sie mit technischer Unterstützung, KI und Gesichtserkennung unterstützt wird", meint Kopelke.

Die Suche von Menschen in PimEyes funktioniert denkbar einfach: Ein vorhandenes Bild ist der Suchbefehl, die Ergebnisseite besteht aus im Netz zu findenden Fotos der selben Person – so zumindest das Versprechen.

Software nur für schwere Verbrechen nutzen

Und weil mittlerweile Kameras in nahezu allen Bahnhöfen, Einkaufsstraßen und Flughäfen hängen und KI immer besser darin wird, Gesichter in Echtzeit zu erkennen, fordert Kopelke, dass seine Kollegen die Technik nutzen dürften, um schwere Straftäter in Menschenansammlungen identifizieren zu können. "Damit brauchen wir nicht den Eierdieb suchen", sagt der Polizeigewerkschafter. "Aber ich glaube, gerade am Flughafen einen gesuchten Terroristen mit Technik zu finden, hilft uns allen."

Gefahr durch Fehlerkennung der Software

Bisher ist das weder im Bund noch in den Ländern erlaubt. Denn so einfach die Bedienung, so massiv sei der Grundrechtseingriff bei massenhafter Überwachung, sagt Stephan Schindler von der Universität Kassel. Der Jurist forscht dort zu Videoüberwachung und den rechtlichen Folgen: "Diese Maßnahme zielt ja zu großen Teilen auf Personen, die gar nichts falsch gemacht haben. Und die dann aber trotzdem solchen Eingriffen unterworfen werden, deren Gesichter abgeglichen sind."

Für diese Person ist dem Juristen zufolge auch nicht so richtig klar: Was passiert dann? Wird das in irgendeiner Datenbank festgehalten? "Was ist, wenn es da eine Fehlerkennung gibt und ich plötzlich in irgendein Ermittlungsverfahren reingezogen werde, nur weil irgendein Gesichtserkennungssystem mich fälschlicherweise mit irgendeinem Terroristen verwechselt hat? Solche Maßnahmen werden auch vom Bundesverfassungsgericht als durchaus schwerwiegend angesehen."

Europäische KI-Verordnung schränkt Software ein

Aus ähnlichen Gründen dürfte deshalb das von den Journalisten zur Recherche genutzte PimEyes illegal sein. Spätestens, sobald die geplante Europäische KI-Verordnung verabschiedet wird. Denn die verbietet explizit Datenbanken, in denen ungezielt nach Gesichtern gesucht werden kann – zu hoch ist das Missbrauchspotential.

Ausnahmen, um in besonders schweren Fällen Videoüberwachung in Echtzeit zu ermöglichen, wird die EU-Verordnung hingegen einräumen. Die von der GdP geforderten Möglichkeiten gäbe es dann also, sie müssten nur in nationale Gesetze geschrieben werden.

Dagegen gab es in der Politik allerdings bislang immer Bedenken – auch bei konservativen Parteien: Sowohl die Große Koalition 2020 als auch die bayerische Staatsregierung 2023 hatten entsprechende Passagen in Entwürfen von Polizeigesetzen stehen. Und diese jeweils kurz vor Verabschiedung gestrichen.

Sachsen

Eine polizeiliche Videoanlage steht auf der Görlitzer Altstadtbrücke, im Hintergrund ist die Peterskirche zu sehen.
Eine polizeiliche Videoanlage steht auf der Görlitzer Altstadtbrücke. In Görlitz hatte die Polizei im Jahr 2021 von einem Erfolg der Videoüberwachung im Kampf gegen Diebstähle und Einbrüche im Grenzbereich gesprochen. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Robert Michael

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 04. März 2024 | 06:08 Uhr

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